Einen schwerwiegenden Vorwurf erheben NGOs gegenüber den deutschen Behörden – und er betrifft Österreich in höchstem Maße: “Dutzende syrische Kriegsüberlebende berichten von formalisierten Pushbacks durch deutsche Beamte im Grenzgebiet zu Österreich”, berichten Alarm Austria, Border Violence Monitoring Network und der Bayerische Flüchtlingsrat in einer gemeinsamen Aussendung. “Die Betroffenen sind seit Wochen in Österreich gestrandet, obwohl sie zuvor in Deutschland um internationalen Schutz gebeten hatten.”

Flüchtlingen, die in Bayern stranden, landen wenig später wieder in Österreich, sagen die NGOs.APA/DPA/Peter Kneffel

Die Vorwürfe wurden bisher nicht entkräftet, die deutsche Polizei widerspricht. Fakt ist: Was die Organisationen hier Deutschland vorwerfen, ist illegal, und es soll systematisch geschehen: “Trotz klarer nationaler und internationaler Vorschriften, die das verbieten, wurden die Betroffenen nur wenige Stunden nach ihrer Ankunft in Bayern an die österreichische Polizei übergeben oder einfach auf der Straße in Salzburg ausgesetzt.”  

Syrer: "Ich war fassungslos. Mir wurde mit Gefängnis gedroht."

Die NGOs verwiesen auf sechs im Detail dokumentierten Vorfälle, die in den Monaten November und Dezember 2022 passiert sind. Migranten aus Syrien haben demnach deutschen Beamten – im  Beisein eines Dolmetschers – erklärt, einen Asylantrag in Deutschland stellen zu wollen. “Dennoch wurden sie ohne die Einleitung eines regulären Asylverfahrens meist am darauffolgenden Tag nach Österreich zurücktransportiert”, berichten die Organisationen.

Flüchtlinge warten nahe Wegscheid, Bayern, an der österreichisch-deutschen Grenze auf den Grenzübertritt nach Deutschland.APA/DPA/Sebastian Kahnert

Ahmad, ein junger Familienvater aus Syrien, der den Kriegsdienst unter dem Assad-Regime verweigert hatte, wird zitiert mit den Worten: “Ich war fassungslos, als mir die Beamten in Freilassing sagten, ich würde eine Strafe bekommen und sogar ins Gefängnis gehen, wenn ich nochmals versuchen würde, nach Deutschland einzureisen.”

NGOs fordern sofortige Aufklärung der Vorwürfe

Die Zurückweisungen sind zuletzt stark gestiegen, obwohl die Zahl der Asylanträge sinkt, wie die NGOs unterstreichen. Demnach wurden im vergangenen Jahr in Deutschland an der Grenze zu Österreich 22.824 unerlaubte Einreisen registriert, wobei in zwölf Prozent der Fälle Asylanträgen zugestimmt wurde. Im November und Dezember 2022 konnten demnach nur 0,6 Prozent der über die deutsch-österreichische Grenze eingereisten Personen einen Asylantrag stellen: In realen Zahlen seien das 20 Asylgesuche im November 2022 und zwölf Asylgesuche im Dezember 2022 bei 3077 bzw. 2107 aufgegriffenen Flüchtlingen.

Flüchtlinge auf dem Bahnhof in ÖsterreichAPA/GERT EGGENBERGER

“Auch aufgrund der hohen Anzahl polizeilicher Zurückschiebungen und der auffallend geringen Anzahl der aufgenommenen Asylanträge müssen wir davon ausgehen, dass ein Teil der Zurückweisungen nicht legal erfolgt,” erklärte Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

Von der Salzburger Polizei liegt bis jetzt keine Stellungnahme zu den Vorwürfen vor. Die Bundespolizeidirektion München  dementiert: Jede Person werde “gemäß Asylgesetz erkennungsdienstlich behandelt und anschließend an die zuständige Erstaufnahmeeinrichtung weitergeleitet.” Die NGOs forderten die sofortige Aufklärung der Vorwürfe.