Die aktuelle Wortwahl des ukrainischen Präsidenten bei seiner jüngsten Video-Botschaft wird in westeuropäischen Staaten vermutlich mit etwas Kopfschütteln aufgenommen werden: Wolodymyr Selenskyj (45) spricht tatsächlich von “Säuberungen” in der Ukraine – ein Wort, das in Deutschland oder Österreich an eine dunkle Zeit erinnert.

Tatsächlich meint der ukrainische Staatschef offenbar, dass die Justiz und die Ermittlungsbehörden in Kiew nun verstärkt gegen mutmaßlich korrupte Oligarchen vorgehen sollen – etwa auch gegen den langjährigen Dienstgeber von Selenskyj, den Medienunternehmer Ihor Kolomojskyj (60). Der Chef des TV-Senders hatte Selenskyj jahrelang als Serien-Komiker unter Vertrag und soll angeblich auch einer der wichtigsten Förderer der politischen Karriere des jetzigen Präsidenten gewesen sein, der als Präsidenten-Darsteller in einer TV-Serie in der Ukraine zu sehen war.

Spricht aktuell tatsächlich von "Säuberungen": Wolodymyr Selenskyj (45)

Kaution von 12,7 Millionen Euro - dann kommt TV-Chef frei

Nun wurde auch offiziell ein Haftbefehl gegen den TV-Boss und Multi-Milliardär erlassen, der fast immer in Israel lebte. Der Vorwurf der Justiz gegen Kolomojskyj: Bereits im Februar war im Fall Kolomojskyj von einer “Unterschlagung von Erdölprodukten” im Wert von umgerechnet 930 Millionen Euro die Rede gewesen. Der Internetzeitung “Ukrajinska Prawda” zufolge äußerten sich bislang weder Kolomojskyj noch die Staatsanwaltschaft zu den Vorwürfen. In einem Video war der Oligarch auch auf der Anklagebank zu sehen – der Richter setzte eine Kaution von knapp 510 Millionen Hrywnja (12,7 Millionen Euro) an, bei deren Zahlung der Milliardär und frühere politische Förderer des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wieder bis zur Gerichtsverhandlung auf freien Fuß käme. Für Kolomojskyj dürfte die Bezahlung schaffbar sein, der bekannte TV-Unternehmer wird sich dann vermutlich nach Israel absetzen, wo er schon immer einen Wohnsitz hat.

Ebenso ermittelt die Staatsanwaltschaft Ohio gegen den TV-Milliardär, und in London läuft ein Prozess gegen Kolomojskyj, bei dem ihm vorgeworfen wird, 1,9 Milliarden Euro aus einem Unternehmen abgezogen zu haben.

Selenskyj als Schauspieler: Der Sender "1+1" von Ihor Kolomojskyj hatte ihn Jahrelang unter Vertrag.

Kolomojskyj finanziert auch das berüchtigte Azow-Regiment

Der Prozess gegen den Chef des Senders “1+1” hat aber auch eine gewaltige politische Brisanz: Ihor Kolomojskyj galt als langjähriger Finanzier des bekannten ukrainischen Azow-Regiments, deren Mitglieder wiederholt mit rechtsradikalen Tattoos im Web aufgefallen sind. Und: Da Kolomojskyj die Mehrheit an der Fernsehgruppe “1+1” besitzt, bei der Selenskyj jahrelang als Schauspieler unter Vertrag stand, wurde schon vor dem Präsidenten-Wahlkampf 2019 gemutmaßt, Selenskyj sei ein von Kolomojskyj gesetzter Statist, der in Wahrheit die politischen und unternehmerischen Pläne des Oligarchen ausführe. Jetzt hat sich gezeigt, dass der ukrainische Präsident auch seinen früheren TV-Chef verhaften lässt.

Ihor Kolomojsyj (60).
Ein Plakat vor der Wahl in der Ukraine 2019 mit Selenskyj und dem TV-Boss.