General Vadym Skibitsky ist die Nummer zwei des Militärnachrichtendiensts der Ukraine (HUR). Selenskyjs Befehlshaber genehmigt geheime Einsätze bis hinein in russisches Territorium. Dass Wladimir Putin vom HUR bisher nicht getötet worden ist, habe einen einfachen Grund, sagt Skibitsky: „Er hält sich versteckt.“

Skibitsky: In Russland wächst die Angst

Der Geheimdienst-Chef spricht in einem Interview mit der „Welt“ sehr offen über seine Anschlagsziele. Es gibt eine lange Liste mit Zielpersonen, deren Tötung geplant ist. Auf die Frage, wer ganz oben auf der Liste steht, antwortet Skibitsky: „Putin, denn er koordiniert und entscheidet, was passiert.“ Zurzeit fange Russlands Präsident „wieder an, seinen Kopf herauszustrecken, und wenn er das tut, sind wir nicht sicher, ob er es wirklich ist.“

Putin ist Anschlagsziel Nummer eins für Selenskyjs Militärgeheimdienst.

Putin merke auch, „dass wir ihm immer näherkommen, vielleicht hat er aber auch Angst, von seinen eigenen Leuten getötet zu werden.“ Zwar würden viele Russen die sogenannte „Sonderoperation“ nach wie vor befürworten, „doch dank der Auswertung von sozialen Medien und Telefonen wissen wir, dass mittlerweile so viele Russen gefallen sind, dass es den Menschen Angst macht. Dasselbe gilt für die Wirtschaft und für die Geschäftselite, die Milliarden an Dollar verliert.“

Zu Wagner-Chef Prigoschin: „Wir versuchen, ihn zu töten.“

Russische Propagandisten seien hingegen „eher unwichtig. Priorität hat für uns, einen Einheitskommandanten auszuschalten, der seinen Leuten den Befehl zum Angriff gibt.“ Der ukrainische Militärgeheimdienst verfolge „alle ihre Bewegungen, ihre Kommandozentralen und die Positionen an der Front sehr genau“.

Wer abgesehen von Putin noch oben auf der Liste steht, macht Skibitsky ebenfalls deutlich. Gefragt nach Jewgeni Prigoschin, dem Chef der Söldnergruppe Wagner, entgegnet er kurz: „Wir versuchen, ihn zu töten.“ Die Liste des ukrainischen Militärgeheimdienstes ist offensichtlich lang, einige prominente Nahmen befinden sich auf ihr.

Die Tötung von Wagner-Boss Prigoschin ist ebenfalls geplant.

Wer Waffen produziert und finanziert „wird ausgelöscht“

Generalstabschef Waleri Gerassimow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu etwa hätten den Angriff geplant „und können jetzt nicht mehr zurück. Der Tschetschene Ramsan Kadyrow war in den ersten Monaten überall zu sehen, aber wo steckt er jetzt? Er hat begriffen, dass das Putin-Regime strategisch bereits verloren hat. Doch das ist noch nicht das Ende der Liste, da sind auch noch Sergei Surowikin und die russischen Kommandeure, die dazukamen und dachten, sie würden an einer Parade teilnehmen.“ Fazit: „Letztendlich wird sich jeder für seine Taten verantworten müssen.“

Auf Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat es der HUR auch abgesehen, weil er die Ukraine-Invasion organisiert hat.
Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow halte sich ebenfalls bereits versteckt.Mikhail Svetlov/Getty Images

Auf die Frage, wo die Grenze liegt, ob auch Zivilisten und Oligarchen getötet werden, entgegnet der zweithöchste Befehlshaber des HUR: „Wir befinden uns im Krieg und das sind unsere Feinde. Wenn eine wichtige Persönlichkeit für sie Waffen produziert und finanziert, dann würde seine Eliminierung das Leben vieler Zivilisten retten. Und dann wird er ausgelöscht. Nach den internationalen Konventionen ist er dann ein legitimes Ziel.“

Arbeitsteilung mit Spezialeinheiten der ukrainischen Armee

Auch auf zentrale logistische Stützpunkte der Russen habe man es abgesehen, etwa auf Rostow und die Krim, über die der komplette Nachschub stattfinden. „Es geht immer über diese beiden großen Routen, und die Russen wissen genau, wie wichtig die Regionen um Saporischschja und Cherson sind. Sie bauen auch den Hafen von Mariupol so schnell es geht wieder auf, der wird die dritte Schlüsselstelle für die Logistik werden.“ Dass man den angreifen werde, sei „logisch“: „Wenn es dort Treibstoff, Waffen und Munition gibt, wird er vernichtet.

Es bestehe Arbeitsteilung mit der regulären ukrainischen Armee. „Wir haben beide ein Kommando für Spezialeinheiten, die das übernehmen. Wir teilen uns die Arbeit. Wir müssen den Feind entwaffnen, bevor er hier eintrifft. Und wir müssen ihn dazu bringen, dass er all seine Programme und Pläne wieder ändert.