Eigentlich hätte das Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang ihrer gesamten Lieferkette zu prüfen, in einer abgeschwächten Form neu gefasst werden sollen.

Am Mittwoch fiel dieser Versuch jedoch durch: Eine knappe Mehrheit der EU-Abgeordneten stimmte gegen den Start der finalen Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten. Damit wird nun frühestens im November erneut über den Inhalt abgestimmt – mit offenem Ausgang.

Wifo kritisiert aktuelles Gesetz

Bereits im Vorjahr wurde das Lieferkettengesetz beschlossen. Es verfolgt das Ziel, Firmen zu verpflichten, Risiken wie Kinderarbeit, Zwangsarbeit oder Umweltzerstörung bei ihren Zulieferern zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Doch die Details sind umstritten.

Wirtschaftsforscher und Branchenvertreter warnen vor einem übermäßigen bürokratischen Aufwand, der in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen stehe.

Das Wifo und das Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) kritisieren, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form vor allem Papierkram produziere, während die größten Verstöße in weiter entfernten Stufen der Lieferkette unentdeckt blieben. Als Beispiel nannten man die Kobaltproduktion im Kongo – ein Sektor, der für europäische Unternehmen sehr schwer überprüfbar sei, obwohl dort Kinderarbeit und gefährliche Arbeitsbedingungen an der Tagesordnung stünden.

Schellhorn schießt gegen linke Parteien

Die Abstimmung sorgte für einen offenen Schlagabtausch zwischen den österreichischen Parteien. Sepp Schellhorn (NEOS), Staatssekretär für europäische und internationale Angelegenheiten, zeigte sich über das Scheitern der Entbürokratisierung empört und griff die politischen Gegner scharf an: „Den Linken sind die Arbeitslosen von morgen anscheinend scheißegal.“

Schellhorn betonte, die Entscheidung im EU-Parlament schade dem Wirtschaftsstandort: „Jene, die gegen Entbürokratisierung gestimmt haben, haben den Knall nicht gehört, es immer noch nicht verstanden.“

Auch aus der ÖVP kam Kritik. Der Delegationsleiter im Europaparlament, Reinhold Lopatka, bezeichnete die Entscheidung als „vertane Chance für unsere Wirtschaft und die Zukunft unserer Unternehmen“. Sein Parteikollege Lukas Mandl sprach von einem „erheblichen Stein“, der dem Ziel einer Entlastung der Unternehmen in den Weg gelegt worden sei.

SPÖ und Grüne feiern Etappensieg

Ganz anders bewerteten SPÖ und Grüne die Entscheidung. Beide Parteien sehen in der Ablehnung keinen Rückschlag, sondern eine Möglichkeit zur Verbesserung. SPÖ-Abgeordnete Evelyn Regner erklärte, man habe verhindert, dass das Lieferkettengesetz zu einer „leeren Hülle“ verkomme und übte dabei auch Kritik an der europäischen Volkspartei.

Auch die Grüne-EU-Abgeordnete Lena Schilling, die sich erst vor Kurzem in einem Video blamierte, begrüßte das Ergebnis. Es habe sich gezeigt, dass eine Mehrheit im Parlament „Menschenrechte und Umweltschutz nicht egal“ seien.

Eines steht fest: Die Entscheidung im November wird weit über Brüssel hinaus Wirkung zeigen – sowohl auf europäische Unternehmen als auch auf Millionen von Arbeitern in den globalen Lieferketten.