In 530 Prozesstagen wurden über 10.000 Beweise gesichtet und über 500 Zeugen befragt. Der Angeklagte selbst zeigte bisher keine Reue für die ihm vorgeworfenen Verbrechen. Ganz im Gegenteil – er wurde wiederholt wegen Provokationen gegenüber Angehörigen der Opfer aus dem Gerichtssaal entfernt. In erster Instanz war Mladic 2017 wegen Völkermordes in Srebrenica und anderer Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Anklage gegen Mladic bezog sich nicht nur auf Srebrenica, wo von bosnisch-serbischen Truppen unter seinem Kommando im Juli 1995 rund 8.000 muslimische Männer und Buben ermordet worden waren. Vorgeworfen wurde ihm auch eine Teilverantwortung für die Belagerung Sarajevos mit rund 11.000 Toten, die Vertreibung von tausenden bosnischen Muslimen und Kroaten sowie die Geiselnahme von UNO-Soldaten. Laut Richter Alphons Orie gehörten die Verbrechen „zu den abscheulichsten, die die Menschheit je gesehen hat.“

Der 78-jährige betrat gegen 15:30 den Gerichtssaal und schien erstaunlich entspannt.Jerry Lampen / ANP / AFP)

Mladic war über 30 Jahre im Dienst des serbischen Militärs

Der bosnisch-serbische General Ratko Mladic war der Sohn eines Partisanen, der im zweiten Weltkrieg gegen kroatische Ustascha, also Verbündete der Nazis, gefallen war. Mladic begann seine militärische Laufbahn mit 15 Jahren in Belgrad und diente zwanzig Jahre der Jugoslawischen Volksarme JNA. Ab 1991 war er Generalmajor, ab 1992 Generalleutnant. Am 2. Mai 1992, einen Monat nach der Unabhängigkeitserklärung von Bosnien-Herzegowina, blockierten Mladić und seine Generäle sämtliche Zufahrten nach Sarajevo und unterbrachen die Wasser- und Elektrizitätsversorgung, womit die vierjährige Belagerung von Sarajevo begann. Mladic übernahm am nächsten Tag das Kommando. Während der Belagerung starben 11.000 Menschen, darunter 1600 Kinder, 56.000 Menschen wurden teils schwer verletzt.

Mladic gilt als Hauptverantwortlicher für das Massaker von Srebrenica

Ab 1994 war Mladic einer der Generalobersten der bosnisch-serbischen Armee, serbisch Vojska Republike Srpske (VRS) genannt. Als 1995 große Teile des bosnisch-muslimischen Gebiets  von der VRS eingenommen wurden, kam es zu dem historisch größten Genozid in Bosnien – innerhalb weniger Tage wurden 8000 Männer und junge Buben muslimischer Ethnie von der bosnisch-serbischen Miliz hingerichtet und in der Umgebung verscharrt. Die Frauen und Kinder waren kurz davor mit Bussen ins innere Bosniens gebracht worden, nachdem Mladic ihnen versichert hatte, ihren Vätern, Männern und Söhnen würde nichts passieren. Es vergingen fast fünfzehn Jahre, bis Mladic festgenommen werden konnte und vor das unabhängige Kriegstribunal in Den Haag gestellt wurde. Durch den starken Rückhalt in der serbischen Bevölkerung, in der er in großen Teilen bis heute als „Nationalheld“ gilt, war es ihm immer wieder möglich gewesen, den Behörden zu entwischen.

In Teilen Bosniens und Serbiens Mladic noch immer als Kriegsheld verehrt, wie hier auf einem Graffiti in Belgrad.APA/AFP/Andrej ISAKOVIC

Kurz vor der Urteilsverkündung bekundete am Montagabend eine bosnisch-serbische nationalistische Organisation abermals ihre Unterstützung für Mladic. Dafür wurde im Zentrum der grenznahen Kleinstadt Bratunac ein Dokumentarfilm über Mladic vorgeführt, berichtete das Internetportal der Tageszeitung „Oslobodjenje.“ Die „Ostalternative“ sieht ihre Aktion demnach als Bekundung der „Unterstützung und Dankbarkeit“ für Mladic. Auf den Plakaten der Organisation war in Anspielung auf Srebrenica zu lesen: „Es gab keinen Völkermord.“ Bratunac ist nur rund elf Kilometer von Srebrenica entfernt.