Wer wie stark von der neuen Steuerreform profitiert, zeigt sich vor allem, wenn man die kalte Progression seit der letzten Steuerreform im Jahr 2016 berücksichtigt. Dann zeigt sich: Lohnsteuerzahler mit Kindern profitieren tatsächlich maßgeblich vom Familienbonus. Das ergeben Berechnungen der Wiener Denkfabrik Agenda Austria. Die Schattenseite: Kinderlose Arbeitnehmer werden bis 2024 durch die kalte Progression stärker belastet, als sie durch die neue Steuerreform entlastet werden.

Wer etwa 3500 Euro brutto im Monat verdient und und zwei Kinder hat, dem bleiben im Zeitraum zwischen 2016 bis 2024 satte 19.423 Euro erspart. Wer beim selben Gehalt keine Kinder hat, wird allerdings netto um mehr als 1000 Euro belastet. Die Zahlen belegen zum einen, wie stark sich der Kinderbonus niederschlägt, zum anderen, wie viel die kalte Progression wieder wegnimmt. Denn ohne die Einbußen der kalten Progression mitzuberücksichtigen, würden einem kinderlosen Lohnsteuerzahler mit einem 3500-Euro-Bruttogehalt immerhin 3531 Euro an Steuergeld erspart werden, bei zwei Kindern wären es sogar 24.031 Euro.

Agenda Austria begrüßt Steuerreform, kritisiert aber die Beibehaltung der kalten Progression

Man sieht: Die kalte Progression ist wirksam, auch wenn sie von den meisten Bürgern unbemerkt bleibt. Es handelt sich dabei um eine Steuermehrbelastung. Sie entsteht, weil die Einkommensteuersätze nicht an die Inflation angepasst werden. Beim Wahlkampf zur Nationalratswahl 2019 sprachen sich alle Parteien für eine Abschaffung der kalten Progression aus.

Grundsätzlich begrüßt die Agenda die Erhöhung des Familienbonus: “Familien werden in Österreich dank der Erhöhung künftig um bis zu 2000 Euro pro Kind und Jahr weniger Steuern zahlen. Das ist angesichts der hohen Kosten, die beim Heranwachsen von Kindern anfallen, ein durchaus vertretbarer Ansatz.” Die geplante Senkung der zweiten und dritten Tarifstufe sei zwar erfreulich, aber zu wenig,  wenn man an Österreichs Stellung als Hochsteuerland etwas ändern wollen, vor allem mit Blick auf die Belastung des Faktors Arbeit.

Die Berechnungen zeigen: “Selbst in traditionellen Wohlfahrtsstaaten wie Schweden oder Dänemark ist die Abgabenbelastung auf Arbeit spürbar geringer. Für eine Arbeitsbelastung, die dem EU-Durchschnitt entspräche, wäre heute in Österreich eine dauerhafte Entlastung im Ausmaß von etwa zehn Milliarden Euro jährlich notwendig.”

Als sehr positiv hebt die Agenda aber Möglichkeit hervor, Mitarbeiter steuerfrei am Gewinn des Unternehmens zu beteiligen. Durchaus positiv sieht die Denkfabrik die CO2-Bepreisung in der von der Regierung beschlossenen Form.

“Ein geringer Preis, der jährlich ansteigt, erlaubt es den Unternehmen und der Bevölkerung, sich auf die steigende Besteuerung einzustellen”, sagt die Denkfabrik. “Dass keine plumpe Steuer, sondern ein Emissionshandelssystem eingeführt wird, ist äußerst positiv. Das bedeutet, dass Österreich bei konsequenter Ausgestaltung den Klimazielen mit großer Sicherheit näherkommen wird.” Die Entlastungen für die exportintensive Industrie seien ebenfalls zu befürworten. “Denn Österreich produziert nur 0,2 Prozent der globalen CO2-Emissionen.” Ebenso sei die pauschale Rückerstattung über den Klimabonus grundsätzlich eine gute Idee. “Es ist wichtig, dass die Einnahmen nicht im Budget versickern, sondern aufkommensneutral an die Bevölkerung zurückgegeben werden, wie wir bereits zu Jahresbeginn empfohlen haben.

Bei der effektiven Körperschaftssteuer-Belastung rangiert Österreich EU-weit auf Rang sechs und damit im Spitzenfeld. Die nun beschlossene Senkung sei daher nachvollziehbar, vor allem angesichts des entscheidenden Wettbewerbsnachteils, und angesichts des Umstands, dass die Einnahmen daraus deutlich gestiegen, nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch in Relation zur Wirtschaftsleistung.

“Daher ist eine Senkung der Steuer auf Unternehmensgewinne nachvollziehbar. Insbesondere im internationalen Standortwettbewerb ist das ein wichtiges Signal. Während viele Länder die Steuern erhöhen, geht Österreich einen anderen Weg. Vor allem für deutsche Unternehmen könnte eine niedrigere KöSt ein interessantes Angebot sein.” Im internationalen Wettbewerb – auch mit Deutschland – ist Österreich damit besser aufgestellt. Hauptkritikpunkt der Agenda Austria bleibt daher die Beibehaltung der kalten Progression: “Von einer wirklichen Steuerreform kann erst gesprochen werden, wenn die kalte Progression abgeschafft wurde”, meint Agenda Austria-Direktor Franz Schellhorn. “Es ist enttäuschend, dass keine Regierung in Österreich den Mut findet, die Inflationsbesteuerung zu beenden. Aber es ist auch nicht überraschend. Denn damit werden die Bürger belastet, ohne dass diese etwas davon mitbekommen.“