Nun kann auf einmal auch der Wiener Virologe Norbert Nowotny der Impfpflicht nichts mehr abgewinnen. Die Maßnahme sei “nicht mehr wirklich notwendig”, meinte er in der ORF-Sendung “Niederösterreich heute”. “Das Impfpflichtgesetz wurde initiiert, als wir die Delta-Welle hatten, und damals war sie durchaus gerechtfertigt, weil unsere Spitäler absolut am Anschlag waren.” In der Omikron-Variante, die einen leichteren klinischen Verlauf hat, sei das nicht mehr nötig.

Man sollte Strafen "auf Eis legen"

Und weiter: “Die Aufklärung sollte als Teil eins meiner Ansicht nach bleiben, Teil zwei und drei, wo es auch um Strafen geht, sollte man auf Eis legen – und zwar für den Fall, dass im Herbst doch noch eine bösartigere Variante kommen sollte, wovon ich aber nicht ausgehe”. Der Virologe sei nun dafür, “dass wir Gräben wieder zuschütten und Brücken bauen”. Im Übrigen sollte man mit der Impfpflicht noch warten bis die beiden alternativen Impfstoffe von Novavax und Valneva zugelassen sind – “denn ich kenne sehr viele Menschen, die auf diese alternative Impfstoffe warten und man sollte diesen Menschen die Möglichkeit dazu geben”.

Ähnlich hatte sich Nowotny bereits im Jänner geäußert, allerdings stellte er sich damals noch nicht grundsätzlich gegen die Impfpflicht: “Man kann sie insofern begründen, indem wir nicht wissen, was im Herbst sein wird.”

Hacker: "Fangen nicht an von vorne zu diskutieren"

Keine Freude mit den jüngsten Aussagen des Virologen hat Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Er hält an der Impfpflicht aller Kritik zum Trotz fest. Bei seiner Pressekonferenz zum Kostenchaos rund um das KH Nord auf Nowotny jüngste Äußerungen angesprochen, meinte Hacker genervt: “Man soll nicht zuerst demokratische Prozesse auslösen, Beschlüsse fassen und dann fangen wir wieder von vorne an zu diskutieren. Das ist zwar eine liebenswerte österreichische Eigenschaft, bringt uns aber keinen Meter weiter.”

Nowotny könne als Wissenschaftler natürlich kritische Fragen stellen. “Ich finde das vollkommen in Ordnung, aber wir haben das beschlossen, wir sollten da nicht diesem österreichischen Sport huldigen, dass man alles, was man beschlossen hat, am nächsten Tag sofort wieder hinterfragt”.

Der Gesundheitsstadtrat schließt auch Lockerungen aus

Weiteren Lockerungen erteilt der Gesundheitsstadtrat neuerlich eine Absage. Im Augenblick werde “ein wenig übersehen”, dass man in Österreich Höchstzahlen habe und eine tägliche Ansteckungsquote, “wie wir sie uns so vor wenigen Wochen gar nicht vorstellen konnten.” Omikron löse zwar weniger schwere Krankheitsverlauf aus. “Aber wenn mehr Leute angesteckt sind, auch wenn Omikron in Prozenten weniger krank macht, dann sehen wir im Spital einen Anstieg der Neuaufnahmen.” Dieser sei stärker sei als noch bei der Herbstwelle, aktuell müssten 600 Corona-Patienten in Wiener Krankenanstalten betreut werden.

Bei den Intensivpatienten sehe man, dass Omikron weniger stark die Lungensysteme und Beatmungssysteme des Körpers, sondern mehr die inneren Organe wie das Herz-Kreislauf-System angreife. “Die Leute sind aber um nichts weniger krank, sondern sehr schwer krank. Deshalb sind sie auch im Spital”, betont Hacker. “Es ist nicht so, dass im Spital gerade alles ‘Happy Peppy’ und entspannt ist.”

Nepp fordert von Hacker sofortige Aufhebung der Impfpflicht: "Feuerwehr-Fehlalarm eingestehen"

Mit diesem Kurs stößt der Wiener Gesundheitsstadtrat erwartungsgemäß nicht nur auf Zustimmung, sondern auch auf harsche Kritik. Besonders die FPÖ bringt nur Unverständnis für Hackers Hardliner-Kurs auf, wie die Reaktion von FPÖ Wien Obmann und Stadtrat Dominik Nepp zeigt: Nepp fordert von Hacker, sich den “Fehler einzugestehen”, den man mit der Impfpflicht gemacht habe: “Obwohl bereits ein Experte der regierungseigenen ‚GECKO‘ die Notwendigkeit der Impfpflicht in Abrede stellt oder Israel den Grünen Pass so gut wie aufheben, hält Hacker der Bundesregierung und ihren Maßnahme weiter die Treue”, so Nepp. Die Impfpflicht sei längst nicht mehr notwendig, und zu diesem Zeitpunkt womöglich sogar verfassungswidrig, argumentiert dieser.

Und der Wiener FPÖ-Chef geht noch weiter: Er vergleicht Hacker mit einem Feuerwehrmann, der einen Brand löschen will den es gar nicht (mehr) gibt: “Hackers Aussage gleicht einem Löschzug der Feuerwehr, die zu einem Fehlalarm gerufen wurde und nun trotzdem mit dem Löschen beginnt, weil man eben schon mal da ist“, führt Nepp aus. Und weiter: “Nur geht es hier aber nicht nur um ein paar Hektoliter Wasser, sondern um die Grund- und Menschenrechte von rund 2 Millionen Wienerinnen und Wienern. Hackers Verhalten ist durch nichts zu verantworten – eine Nachschulung in Menschenrechten wäre für den Stadtrat bitte notwendig”, schließt Nepp.