Während die europäischen Regierungen Libyen die Verantwortung für die Überwachung von Rettungsaktionen abgegeben hätten, seien dort allein vergangenes Jahr schätzungsweise 1553 Menschen, beim Versuch nach Europa zu gelangen, gestorben. “Menschen, die das Mittelmeer überqueren, haben keine andere Wahl”, sagt Juan Matias Gil, MSF-Einsatzleiter für Such- und Rettungseinsätze im zentralen Mittelmeer. “Europäische Regierungen haben die Macht, über Migrationspolitik zu entscheiden, aber sie haben Abschreckungsstrategien und Grenzschutz der Achtung der Menschenrechte und dem Schutz des Lebens von Menschen vorgezogen.”

Praktisch jeder, der auf See von der libyschen Küstenwache abgefangen werde, lande in einem libyschen Haftzentrum. So unterstütze das Abkommen zwischen Italien und Libyen das System der Ausbeutung, Erpressung und des Missbrauchs, in dem so viele Migranten gefangen seien, so die Kritik von “Ärzte ohne Grenzen”. “Wir fordern die italienische Regierung und die EU-Institutionen auf, jegliche direkte und indirekte politische und materielle Unterstützung für das System der Rückführung von Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden nach Libyen und ihrer dortigen Inhaftierung einzustellen”, so Gil.

Migrant berichtet von Entführungen

“Ich verbrachte drei Monate in Fesseln. Sie schlugen uns – sie schlugen uns mit Holz- und Metallstöcken. Ich habe immer noch Narben von Schnittwunden mit Messern auf meinem Rücken. Es war ein Gefängnis in der Wüste, ein unfertiges Haus, an das wir verkauft worden waren. Wir waren ungefähr zehn in einem Raum und es gab mehrere Räume. Sie entfernten alles, was wir bei uns hatten. Sie forderten von unseren Eltern eine halbe Million CFA-Francs (900 Dollar) für unsere Freilassung”, erzählt er. Wie Kouassi würden Tausende von Frauen, Kindern und Männern in Libyen gehandelt, ausgebeutet, willkürlich inhaftiert, gefoltert und Geld von ihnen erpresst, nur weil sie Migranten sind, kritisieren “Ärzte ohne Grenzen”.

“Katastrophal, so würde ich die aktuelle Situation in Libyen beschreiben”, sagt etwa auch Mustafa [Name geändert], ein Migrant aus Mali, der seit mehreren Jahren in Libyen lebt. “Ein Ausländer ist wie ein Blutdiamant – er kann entführt werden, um mit ihm Geld zu verdienen.” Sobald das Geld für die Freilassung gezahlt worden sei, bestehe erneut die Gefahr, gekidnappt zu werden. “Nur wenige Migranten starben im Gefängnis, und wenn sie es doch taten, wurden sie einfach rausgeworfen, als wären sie Tiere. Ihre Familien wissen nicht einmal, wo sie begraben sind. Deshalb leiden Leute wie ich hier. Und Europa gibt Werkzeuge, um dieses System des Leidens zu befeuern.”

Soll es für Migranten leichter sein, in die EU zu gelangen?