Die militant-islamistischen Taliban haben eigenen Angaben zufolge eine “Arbeitsbeziehung” mit den USA bezüglich der Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen in Kabul. Das sagte ein Mitglied der Kulturkommission der Taliban, Abdul Qahar Balkhi, dem TV-Sender Al-Jazeera am Sonntag. Demnach seien die Posten außerhalb des Flughafengeländes, wo sich seit Tagen Tausende verzweifelte Menschen drängen, unter Kontrolle der Islamisten, jene innerhalb kontrollierten die US-Streitkräfte.

Islamisten-Sprecher: "Die Angst vor den Taliban ist unbegründet"

“Sie stehen in ständigem Kontakt miteinander”, sagte der Sprecher weiter. Es sei sehr “bedauerlich”, dass die Menschen nun derart zum Flughafen eilen, sagte er. Die Angst vor den Taliban und möglichen Repressionen sei unbegründet, weil die Islamisten eine Generalamnestie erlassen hätten, auch für die Sicherheitskräfte. Allerdings hieß es jüngst in einem für die UN erstellten Bericht, dass die Taliban gezielt auf der Suche nach bestimmten Personen seien, vor allem jenen, die wichtige Positionen im Militär, der Polizei oder anderen Ermittlungsbehörden hatten. Sie drohten offen auch mit Repressalien gegen deren Familien.

Taliban: "Wir hatten nicht vor, Kabul zu betreten"

Balkhi sagte weiter, die Taliban hätten nicht vorgehabt, Kabul zu betreten. Sie hatten vielmehr geplant, davor eine politische Lösung zu finden und eine Regierung auch mit anderen Kräften aufzustellen. Er sagte zudem, alle Menschen seien von dem Tempo der Entwicklungen überrascht gewesen.

Die Taliban haben vergangenen Sonntag nach rasanten Gebietsgewinnen und der Flucht des Präsidenten Ashraf Ghani auch die Hauptstadt Kabul eingenommen. Seit ihrer Machtübernahme in dem Land besetzen sie nur langsam Behörden und versuchen, grundsätzliche Aufgaben des Staates zu erfüllen. Teils haben sie ehemalige Regierungsangestellte dazu aufgerufen, zu ihren Positionen zurückzukehren. Gleichzeitig laufen Gespräche mit anderen politischen Kräften über eine Regierungsbildung. Wie das Land künftig geführt werden soll, welche Art von Regierung es haben soll, ist weitgehend unklar. (APA/dpa)

Taliban geben USA Schuld an Airport-Hölle

Während die Taliban behaupten, mit den USA also ein “Arbeitsverhältnis” am Flughafen zu unterhalten, geben sie den US-Streitkräften andererseits auch die alleinige Schuld für die chaotischen Szenen am Kabuler Airport. “Amerika, mit all seiner Macht und seinen Möglichkeiten”, habe es nicht geschafft, “Ordnung auf dem Flughafen zu schaffen”, sagte der hochrangige Taliban-Beamte Amir Chan Muttaqi (Mutaki) am Sonntag. “Im ganzen Land herrscht Frieden und Ruhe, nur am Flughafen von Kabul herrscht Chaos”, fügte er hinzu.

Im Gedränge vor dem Flughafen in der afghanischen Hauptstadt kamen nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums vom Sonntag bereits sieben Afghanen ums Leben. Demnach versammelten sich erneut tausende Menschen vor dem Flughafen, um das Land nach der Machtübernahme der Taliban zu verlassen. Ein Sprecher bezeichnete die Bedingungen vor Ort als “nach wie vor äußerst schwierig”. Die US-amerikanische sowie die deutsche Botschaft in Kabul hatten vor Versuchen gewarnt, auf eigene Faust zum Flughafen zu gelangen.

Taliban bestreiten geplante Vergeltungsaktionen gegen Regierungsvertreter

Unterdessen versuchten die Taliban Befürchtungen entgegenzutreten, dass es im Zuge der Machtübernahme zu Vergeltungsaktionen gegen Vertreter der bisherigen Regierung komme. Ein Vertreter der Islamistischen Bewegung sagte der Nachrichtenagentur Reuters, in den kommenden Tagen werde es Treffen mit früheren Gouverneuren und Behördenvertretern aus mehr als 20 der insgesamt 34 Provinzen geben. Dabei gehe es um deren Sicherheit und die Frage von Kooperationen. “Wir zwingen keinen früheren Regierungsvertreter, uns beizutreten oder seine Loyalität zu beweisen. Sie haben das Recht, das Land zu verlassen, wenn sie das wollen”, sagte die Person, die namentlich nicht genannt werden wollte. Ferner bemühten sich die Taliban um Klarheit über die Rückzugspläne der ausländischen Kräfte. “Die Bewältigung des Chaos um den Flughafen von Kabul ist eine komplexe Aufgabe.” (APA/dpa)