Der Vorstoß der militant islamistischen Taliban in Afghanistan hat sich längst zu einem Lauffeuer entwickelt. Während weite Teile Europas immer noch mit Waldbränden zu kämpfen haben, “brennt” die Situation in Afghanistan mit jedem Tag greller, während die Taliban immer größere Teile des Landes an sich reißen: Neben Kandahar und damit der zweitgrößten Stadt des Landes haben die Islamisten am Freitag nun die Kontrolle über gleich mehrere weitere Provinzhauptstädte – darunter auch das nur rund 70 Kilometer von Kabul entfernte Pul-i Alam. Die afghanische Haupstadt ist damit in greifbare Nähe für die militanten Islamisten gerückt – es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis auch Kabul in die Hände der Taliban fällt.

So sehen das offenbar auch viele Länder, die nun ihre Vertreter zum strategischen Rückzug bitten: Berichten zufolge soll Dänemark bereits damit begonnen haben, das Personal seiner Botschaft in Kabul zu evakuieren, und auch Deutschland räumt seine Botschaft und holt seine Ortskräfte zurück.

Wie das deutsche Journalistennetzwerk RND am Freitagnachmittag per Eilmeldung berichtete,hat die deutsche Bundesregierung beschlossen, das Personal der deutschen Botschaft in Kabul in den nächsten Tagen auf das “absolute Minimum” zu reduzieren, so Außenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag. Es werde dazu sofort ein Unterstützungsteam in die afghanische Hauptstadt geschickt.

Die Botschaftsmitarbeiter würden mit Chartermaschinen ausgeflogen, sagte Maas weiter. Darin würden auch afghanische Ortskräfte, die früher für die Bundeswehr oder Bundesministerien gearbeitet haben oder heute noch für sie arbeiten, ausgeflogen. Zwei Charterflüge waren dafür bis Ende des Monats geplant. Diese würden nun vorgezogen, sagte Maas.

Deutschland ruft alle Staatsbürger in Afghanistan zur Heimkehr auf

Maas bekräftigte, dass die Visaerteilung für die Ortskräfte in Deutschland erfolgen werde, um den Prozess zu beschleunigen. “Alle weiteren Maßnahmen werden wir mit unseren internationalen Partnern in den nächsten Tagen abstimmen, sagte Maas. Er rief alle Deutschen auf, das Land sofort zu verlassen. Eine hohe zweistellige Zahl deutscher Staatsbürger sind noch im Land. Die Beschlüsse wurden vom Krisenstab der Bundesregierung gefasst, der am Freitag angesichts der dramatischen Lage in Afghanistan zusammengekommen war.

Auch USA zieht Personal aus Botschaft in Kabul ab

Die USA hatten bereits am Donnerstag die Reduzierung ihres Botschaftspersonals und die Entsendung von rund 3000 zusätzlichen Soldaten an den Flughafen in Kabul angekündigt. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums schloss nicht aus, dass auch Bundeswehrsoldaten zur Absicherung einer Rückholaktion zum Einsatz kommen könnten. Die Bundeswehr halte Kräfte bereit, die “im Falle eines Falles zur Verfügung stehen”, sagte er.

Am Mittag war auch die Stadt Pul-i Alam an die Taliban gefallen, nur 70 Kilometer vor der Hauptstadt Kabul. In der Provinz sollen sich nach Angaben aus Sicherheitskreisen immer mehr Taliban-Kämpfer für einen Angriff auf Kabul versammeln. (dpa/rnd/red)