Ahmet Davutoğlu (62) war war unter dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan Außenminister und von 2014 bis 2016 Premier. 2019 zerbrach er mit der AKP und Erdoğan und will nun mit seiner eigenen Partei seinen ehemaligen Chef an der Staatsspitze ablösen. Wie Davutoğlu im Interview mit dem Spiegel verriet, rechnet er mit Neuwahlen im Frühjahr. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Koalition zwischen Erdoğan und Devlet Bahçelis MHP noch lange hält“, so Davutoğlu. Erdoğan werde zwar das Wahlergebnis sicher anfechten, meint der Herausforderer, doch er gibt sich zuversichtlich, dass der türkische Präsident damit keinen Erfolg haben wird.

Erdoğans "Marionette" jetzt als Feind

Im Wahlkampf versucht Davutoğlu noch demonstrativ, den Stempel als Erdoğans Marionette loszuwerden. Auf die Frage, warum er die AKP nicht schon früher verlassen habe, antwortete Davutoğlu  etwa, er wollte zuerst die Partei von innen heraus verändern. „Mir ging es nie darum, Erdoğan zu stürzen. Ich wollte, dass er Erfolg hat. Als er 2017 das Präsidialsystem einführte, dachte ich mir: Gib ihm eine Chance, vielleicht bessert er sich. Wir hatten drei lange Treffen, ich überreichte ihm drei Briefe mit Reformvorschlägen. Doch meine Hoffnungen wurden enttäuscht.“

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Metropoll vom Februar 2020 kam Davutoğlus Partei, die er wenige Monate zuvor gegründet hatte, auf 1,2 Prozent Zustimmung.