Nach der Festnahme des Burschen hatte man den Terror-Verdächtigen im Rahmen jugendgerichtlicher Erhebungendem so genannten DyRiAS-Verfahren unterzogen. DyRiAS steht für Dynamische Risiko Analyse Systeme, mit dem Radikalisierungsscreener Islamismus lassen sich Anzeichen für sich vollziehende Radikalisierungsprozesse erkennen. Dabei werden 13 relevante Verhaltensbereiche abgefragt, aus denen sich schließen lässt, ob beim jeweiligen Probanden eine gewaltorientierte Radikalisierung im islamistischen Bereich vorliegt oder nicht.

Das Ergebnis fiel eindeutig aus. In sämtlichen 13 Bereichen bestätigte sich eine verfestigte Radikalisierung. Darüber hinaus waren vier so genannte Rote Flaggen-Faktoren feststellbar: Der Jugendliche wollte in einer Gemeinschaft von IS-Anhängern leben und von diesen anerkannt werden und hatte daher den Wunsch, in ein Kampfgebiet des IS auszureisen. Er hatte bereits Zugang zu Waffen und einem extremistischen Umfeld – er verkehrte wöchentlich in einer Moschee im zwölften Wiener Gemeindebezirk, in der Radikalislamisten, darunter seinerzeit auch der Attentäter vom 2. November 2020, ihre Gebete verrichtet und Predigten gehört hatten. Zudem war er über Telegram, TikTok und Instagram mit Gleichgesinnten vernetzt und an Gruppenchats mit radikalen Inhalten beteiligt. So hatte er in einem Telegram-Chat mit 19 Islamisten nach einem vorangegangen Streit mit seinem Vater den Anschlag am Hauptbahnhof angekündigt, wobei er dabei – wie er später selbst erklärte – ums Leben kommen und Eingang ins Paradies finden wollte.

Auf Basis des erwiesenen Radikalisierungsprozesses und den Red-Flags sind dem DyRiAS-Verfahren zufolge beim 17-Jährigen tatsächlich “Hochrisikofaktoren” für potenzielle Gewalttaten belegt – auch unter Inkaufnahme des eigenen Todes. Dazu wird in den näheren Ausführungen der Jugendgerichtshilfe darauf verwiesen, der Jugendliche habe erzählt, unter “wiederkehrenden Suizidgedanken” zu leiden, “wobei er eine Suizidabsicht auch bereits einmal gegenüber einem Freund aus der Moschee geäußert habe”.

In Österreich leben mindestens zehn "Hochgefährder"

Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass sich mindestens zehn, nach den jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten möglicherweise inzwischen mehr radikalislamistische “Hochgefährder” in Österreich befinden, die jederzeit einen Anschlag verüben könnten. Neben dem 17-Jährigen vom Hauptbahnhof galt zuletzt vor allem ein gleichaltriger IS-Anhänger als ausnehmend gefährlich, der erst im Jänner vom Wiener Straflandesgericht wegen terroristischer Vereinigung zu 21 Monaten teilbedingter Haft verurteilt wurde, nachdem er an seiner Schule IS-Propaganda-Material hergezeigt, das IS-Symbol auf einen Brückenpfeiler gesprayt und mit einer Machete mit dem IS-Emblem patrouilliert hatte.

Nur drei Monate nach seiner Enthaftung soll dieser Jugendliche wieder IS Propaganda betrieben und gemeinsam mit einem Mittäter einem auf einer Parkbank sitzenden Mann mit einem Luftdruckgewehr in den Oberschenkel geschossen haben. Ende November muss er sich mit seinem mutmaßlichen Komplizen neuerlich wegen terroristischer Vereinigung und versuchter schwerer Körperverletzung vor Gericht verantworten.