Europa drohen großflächigen Stromausfällen im kommenden Winter, warnt die US-Investmentbank Goldman Sachs in einem neuen Bericht. Sollte der Winter ähnlich kalt ausfallen wie der vorige, dürfte Europa in eine akute Energiekrise schlittern, heißt es darin. Regierungen könnten dann gezwungen sein, einzelne Industriezweige völlig zu schließen. “Es könnte sehr hässlich werden”, sagt der Chef des italienischen Versorgers Snam gegenüber “Bloomberg”. Europa müsse jetzt schnell handeln um jeden Zentimeter in den Gasspeichern zu füllen. Diese sind nämlich beinahe leer und der Nachschub trifft viel zu langsam ein.

Russland liefert deutlich weniger Gas

In Amsterdam, dem wichtigsten Handelsplatz für Gas, hat sich der Preis für diesen Energieträger seit Jahresbeginn verdreifacht. Nach dem langen und kalten Winter 2020 lieferte Europas wichtigster Gaslieferant Russland deutlich weniger als in den Vorjahren. Auch die Fördermenge von Europas großteils in der Nordsee gelegenen Gasfeldern wurde gedrosselt – teils wegen Corona-bedingter Ausfälle. Vor allem in Asien zog gleichzeitig die Weltkonjunktur an, weshalb die Nachfrage nach auf dem Seeweg gelieferten Erdgas massiv gestiegen ist. Deshalb finden nun weniger Tanker den Weg nach Europa.

Dabei ist Gas nicht der einzige Energieträger, der massiv teurer geworden ist. So wird etwa auch Steinkohle zurzeit auf dem Weltmarkt zu historischen Höchstpreisen gehandelt. Hinzu kommt eine ungewöhnliche Windstille, die Europa zurzeit erfasst und eine verhängnisvolle Kettenreaktion auslöste: In Großbritannien brach die Produktion von Windstrom ein. In der Folge stieg in Deutschland ausgerechnet die Stromerzeugung über Braunkohle wieder auf Platz eins – obwohl sie gerade schrittweise abgeschafft wird. Braunkohlekraftwerke stoßen aber besonders viel CO2 aus. Damit stieg wiederum der Preis für CO2-Emissionszertifikate. ImEndeffekt wurden so alle Arten fossiler Energieerzeugung verteuert.

Fabriken werden bereits geschlossen

Der Großhandelspreis für Strom ist schon jetzt auf dem höchsten Stand seit zehn Jahren. Erste Unternehmen mussten energieintensive Fabriken in Europa schließen. Der norwegische Chemiekonzern Yara International wird die Herstellung von Ammonium ab kommender Woche um 40 Prozent drosseln. Düngemittelhersteller CF Industries stellte bereits in der vergangenen Woche die Produktion in zwei britischen Werken ein. Der führende deutsche Chemiekonzern und Kupfer-Hersteller Aurubis klagen bereits über die extrem hohen Preise für Strom und Gas, Öl und Kohle.

Wieweit die gestiegenen Preise auch die Konsumenten zu spüren bekommen werden, wird von der Politik abhängen. Die Inflation befindet sich in Deutschland zurzeit auf dem höchsten Stand seit 30 Jahren.