Am Sonntag hat die Bundesregierung in einer Schnellschuss-Pressekonferenz den fertigen Entwurf für das Impfpflichtgesetz vorgelegt und damit viele Dämonen heraufbeschworen. Nicht nur Impfskeptiker gehen jetzt mehr denn je auf die Barrikaden – auch Experten mahnen mit den gesellschaftlichen Folgen – und geben zu Bedenken, dass die Grundlagen, auf denen das Gesetz aufbaut, längst überholt sind bzw nicht mehr dem letzten Wissensstand entsprechen.

Einer davon ist der Allgemeinmediziner und Gesundheitswissenschaftler Dr. Martin Sprenger. Der Grazer Top-Mediziner, der zu Beginn der Pandemie Teil der Corona-Taskforce war (diese aber aus eigenem Antrieb verließ, da er bereits damals einigen Regierungsmaßnahmen in Sachen Pandemiebekämpfung äußerst kritisch gegenüberstand, Anm.) meldete sich am Sonntag nach der Präsentation des Impfpflicht-Gesetzes via Facebook zu Wort – und zerpflückte den Gesetzesentwurf in all seinen Aspekten.

In mehreren Postings geht Dr. Sprenger auf die Basis des Impfpflichtgesetzes ein, welches – laut der Erklärung durch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler am Sonntag – auf den drei Säulen des “gerechtfertigten Ziels”, des “effektiven Mittels” und der “Vehältnismäßigkeit” basieren soll. Nur, dass diese Argumentation laut dem Top-Mediziner – und anderen Experten sowie den Regierungen anderer Länder wie Israel oder Großbritannien, die einen klaren Corona-Exit-Kurs in die Wege leiten – nicht hält. Während sich andere Länder in Europa also nicht zuletzt angesichts der völlig veränderten pandemischen Rahmenbedingungen durch Omikron auf den “Ausstieg aus der Pandemie” vorbereiten würden, entschließe sich Österreich für “eine radikale, wenig wissensbasierte Maßnahme” – die Einführung der Impfpflicht ab 18 Jahren.

“Während BBC in UK schon den Übergang in die endemische Phase skizziert (dass Großbritannien kurz davor steht, alle Covid-Maßnahmen abzuschaffen, darüber berichtet auch der eXXpress)”, leitet Sprenger ein weiteres Posting ein, “wird am Donnerstag im österreichischen Parlament ein Bundesgesetz über die Impfpflicht gegen COVID-19 beschlossen – mit einem langen Hauptteil (Begründung) in dem zahlreiche Argumente nicht mehr auf dem letzten Wissensstand bzw. überholt sind”, prangert der Grazer Gesundheitswissenschaftler an.

Dies sei “ein Grundproblem in so einem dynamischen Geschehen”, so Sprenger: “Bis die Regierung endlich reagiert, sich eine Strategie überlegt und dann den langwierigen Prozess der Gesetzgebung absolviert hat, ist die Pandemie schon wieder in einer vollkommen anderen Phase, in der die gerade beschlossenen Maßnahmen entweder keinen Sinn mehr ergeben oder abgeändert werden müssen.” Andere Länder würden hier weitaus klüger vorgehen, als Österreich, wettert er weiter: “Israel hat es verstanden, UK hat es verstanden, Spanien hat es verstanden, die meisten europäischen Länder haben es verstanden.”

Aber Österreich führt nach 74 Jahren erstmals wieder die Impfpflicht ein – “Mit einer Begründung die vor dem Verwaltungsgerichtshof niemals halten kann, weil sich unter Omikron die Evidenz zu Selbst-, Fremd- und Systemschutz massiv verändert hat”, gibt Sprenger zu Bedenken.

Die Bundesregierung warnte zuletzt bereits vor den nächsten Mutationen, vor einer möglicherweise noch viel infektiöseren und gefährlicheren Variante, als es Delta und Omikron waren. Dies ist ein weiteres  gewichtige Argument, welches vorgebracht wurde, um die Notwendigkeit der Impfpflicht in Österreich zum Schutz der Allgemeinheit zu untermauern. Nur, dass Sprenger auch dieses Argument nicht gelten lässt:  “Mit Ausnahme unserer Bundesregierung geht aktuell kaum jemand davon aus, dass Omikron von einer gefährlicheren Variante abgelöst wird”, schreibt Dr. Martin Sprenger in einem weiteren Posting.”