Laut Hans-Werner Sinn, entwickelt sich eine Inflation durch einen ersten Auslöser, Verstärkungseffekte und möglicherweise neue, von außen kommende Auslöser in der Zukunft. Der erste Auslöser liegt eindeutig in den durcheinander gebrachten Lieferketten und Engpässen durch die Pandemie, in Europa und global. Die Lieferengpässe werden Mitte des nächsten Jahres vermutlich überwunden sein. Danach werden aber die Verstärkungseffekte zu beachten sein. Die aktuelle Teuerungswelle ist aber nur teilweise temporär. Selbst wenn die aktuelle Inflation wieder abflaut, bekommen die Menschen Angst, dass es teurer wird. In Erwartung von Preissteigerungen in der Zukunft, kaufen sie dann eben vorher.

Konkret geht es um langlebige Konsumgüter wie Autos, Waschmaschinen oder Kühlschränke, deren Kauf man vorzieht, oder auch Häuser und Wohnungen. Die höhere Nachfrage treibt dann die Preise von neuem. Das ist aber nicht alles. Denn vor allem droht dann eine Lohn-Preis-Spirale. Die Gewerkschaften werden nächstes Jahr bei den Lohnverhandlungen die Inflation von diesem Jahr auf ihre Forderungen obendrauf schlagen. Und damit befindet sich die Euro-Zone schon in der nächsten Runde, weil die Firmen gezwungen sind, wegen ihrer gestiegenen Kosten die Preise zu erhöhen.

Energiewende wird Inflation massiv anheizen

Einer dieser Effekte ist zum Beispiel die Energiewende. Viele Teile Europas schaffen Stück für Stück die billigen traditionellen Energiequellen ab, weil die Politik sie verbietet. Die Alternativen sind aber definitiv nicht billiger. Wenn es so wäre, hätten die Märkte diese Alternativen auch schon von allein gewählt, so Hans-Werner Sinn.

Das Verbot zwingt die Wirtschaft, auf wesentlich teurere Energie auszuweichen. Die Energiewende wird die Produktionskosten massiv erhöhen. Deutschland und der überwiegende Teile Europas wollen ja gleich alle traditionellen Energiequellen abschaffen: Die Kohle, die Kernenergie, das Öl und bis spätestens 2045 sogar das Erdgas. Dadurch wird laut dem Ökonom, eine neue Inflation in einer Höhe entstehen, die die Preissteigerungen durch die OPEC in den 1970er-Jahren mau aussehen lassen.

Keine Zinserhöhung in Europa wegen überschuldeter Südstaaten

Während die USA durch Zinserhöhungen auf die Inflation reagieren, werden sich die Europäer aus Rücksicht auf die überschuldeten Südstaaten schwertun, ihnen zu folgen. Daraus ergibt sich ein Zinsunterschied. Das Kapital fließt in den Dollar und wertet ihn auf, den Euro dagegen ab – schon haben wir eine importierte Inflation. Und dann ist da noch die Demografie. Die Babyboomer wollen bald aufhören zu arbeiten, doch essen wollen sie weiterhin. Die Nachfrage trifft also auf ein schrumpfendes Angebot. Auch das bedeutet Inflation. Insofern befinden wir uns heute in einer geschichtlichen Umbruchphase.

Der bekannte Ökonom Hans-Werner Sinn sieht hauptsächlich den Mittelstand als Verlierer einer solchen Entwicklung. Menschen die zum Beispiel Lebensversicherungen haben, würden durch die lockere Geldpolitik bereits die Zinsen verlieren. Für den Fall, dass nun durch Inflation auch das Ersparte selbst an Wert verliert, prophezeit der Ökonom, dass die Menschen aufbegehren und ihren Unmut kundtun tun würden.