Der Bedarf an Psychotherapie für Kinder und Jugendliche lag im Jahr 2022 in Deutschland 60 Prozent über dem Niveau von jenen Daten vor der Pandemie, und bei den Erwachsenen vermeldet die Deutsche Psychotherapeuten-Vereinigung einen Wert von plus 40 Prozent. Auch in Österreich sind die Stationen für Jugend-Psychologie überlastet.

Der bekannte Psychologe Johannes Hepp (54) hat ein Buch über unsere Zeit mit Corona, unsere Belastung, und über den Homo Digitalis sowie über 21 Neurosen veröffentlicht.

Verlust von persönlichen Kontakten war für junge Menschen besonders hart

Hepp analysiert in seinem Buch die dunklen Seiten des Homo Digitalis, der Schweizer Tagesanzeiger zitiert ihn: “Wir erlebten mit der Pandemie ein Massenexperiment. Es ist deutlich geworden, dass die Virtualisierung des Lebens unserer Psyche nicht bekommt.”

Der Verlust an tatsächlichen Kontakten, die Verlagerung von Erlebnissen und Erfahrungen in den digitalen Raum, sei für Kinder und Jugendliche besonders schädlich, da sie im Gegensatz zu Erwachsenen nicht auf einen großen Fundus real erlebter Ereignisse zurückgreifen könnten.

Und der Psychologe erklärt: “Der Entzug von sozialen Interaktionen, der Verlust von Begegnungen und Berührungen, wird in der Medizin und der Psychologie Hospitalismus genannt. Wenn Menschen etwa in Spitälern und Heimen vernachlässigt werden, können körperliche, emotionale und soziale Schäden entstehen. Mit der fortschreitenden Virtualisierung der Lebenswelt nehmen tatsächliche Begegnungen und Berührungen zwangsläufig ab – und damit seien ähnliche negative Folgen zu befürchten wie beim Hospitalismus.”

Johannes Hepp und sein Buch über den Homo Digitalis.

Massive psychische Belastung in der Gegenwart

“Jedes Jahr werden es mehr”, berichtet Hepp über die 21 Neurosen, die er auch in seinem Buch auflistet. Unter diesen destruktiven Obsessionen sind auch der Pornozwang und die Profilsucht. Dem Tagesanzeiger berichtete jetzt der Psychologe: “In der Praxis kämpfe ich als Therapeut gegen Abhängigkeiten, Süchte, Kontrollzwänge, Ängste, verzerrte Körperbilder oder sexuelle Frustrationen.” All das wären “Gegenwartsneurosen”, Störungen, letztlich eine “Überkompensation” der psychischen Belastung durch die Digitalwirtschaft.

Als Buch-Tipp: Johannes Hepp, Die Psyche des Homo Digitalis – 21 Neurosen, die uns im 21. Jahrhundert herausfordern. Wie wir unsere psychische Widerstandskraft stärken und heil durch den digitalen Dschungel finden. Kösel, 416 Seiten.