Die meisten Wähler haben eine andere Sicht. Das Trommelfeuer an Attacken auf die Koalition in St. Pölten prallte an ihnen ab, wie eine neue Umfrage zeigt. Dabei schien es zunächst, als wollte der Protest kein Ende nehmen.

Scharfe Kritik erntete Niederösterreichs Landesregierung schon bei ihrer Angelobung am 24. März in der Hofburg. Bundespräsident Alexander Van der Bellen mahnte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Die EU-Mitgliedschaft, die Minderheitenrechte und der Respekt vor dem Rechtsstaat müssten weiterhin außer Frage stehen. Eine Politik, die Schuldige suche, Menschen herabwürdige und Andersdenkende verunglimpfe, sei überaus gefährlich. Gleiches gelte für die Verbreitung von „Fake News“ – eine Anspielung auf die Corona-Kritik der Freiheitlichen.

Viel Kritik von Bundespräsident Alexander Van der Bellen (l.) bei der Angelobung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)APA/HELMUT FOHRINGER

SPÖ: Menschenverachtende Politik und Hetze

Die damalige SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wetterte: „Kickl, Waldhäusl, Landbauer, die gesamte FPÖ stehen für eine menschenverachtende Politik und Hetze.” Der grüne Vizekanzler Werner Kogler sprach von einer Koalition „an der Seite jener, die Erdbebenopfer verunglimpfen, Jugendlichen ihre österreichische Heimat absprechen und Nazi-Liederbücher verherrlichen“.

Pamela Rendi-Wagner fuhr schwere Geschütze gegen Schwarz-Blau in Niederösterreich.APA/ROLAND SCHLAGER

Kritik kam auch aus den Reihen der ÖVP: „Als Niederösterreicher bedauere ich, dass es zu einer Einigung mit der FPÖ gekommen ist“, erklärte EU-Parlamentarier Othmar Karas. „Landbauer und Waldhäusl übertrumpfen einander mit Gedankengut, das mit dem Menschenbild der ÖVP unvereinbar ist.“

Kein Filmpreis-Verleihung mehr in Niederösterreich

Der Verein „Willkommen – zum Finden einer neuen Heimat“ sah in einem Offenen Brief gemeinsam mit acht weiteren Organisationen die Demokratie in Gefahr. Künstler mit Wohnsitz in Niederösterreich, wie der Kabarettist Josef Hader und Schriftsteller Robert Menasse hatten schon im Vorfeld in einem Protestbrief vor einer Koalition mit den Freiheitlichen gewarnt.

Schriftsteller Robert Menasse protestierte offen gegen die ÖVP/FPÖ-Koalition.APA/dpa/Andreas Arnold

Zwei Kulturverbände kehrten dem Land Niederösterreich seither den Rücken. Die Akademie des Österreichischen Films wird ihren Filmpreis nicht mehr wie bisher üblich jedes zweite Jahr bei einer Gala im niederösterreichischen Grafenegg verleihen. Ebenso sagte die Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren Landesauftritte ab. Man werde an keinen Repräsentationsveranstaltungen des Landes mehr teilnehmen, solange das Abkommen gilt, hieß es dazu in einer Erklärung. Man werde „alles unternehmen, um von der Kunst und Kultur in Niederösterreich Schaden abzuwenden“ und wolle der Landespolitik keine Bühne bieten.

Die Masse der Wähler hat eine andere Sicht

Die meisten Wähler haben offensichtlich eine andere Sichtweise, wie sich nun zeigt. Eine anlässlich des hunderttägigen Bestehens der schwarz-blauen Koalition in Auftrag gegebene Umfrage zeigt beinahe keine Veränderung bei der Zustimmung zu den beiden Koalitionspartnern. ÖVP und FPÖ können sich auf einen ungebrochen hohen Rückhalt der Bürger stützen.

Die Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN) hatten die Sonntagsfrage beim Institut für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) von Christoph Haselmayer und bei „Telemark“ in Auftrag gegeben. (800 Personen wurden telefonisch und per Online-Panel  von 27. Juni bis 2. Juli befragt.) Ergebnis: Die Niederösterreicher hätten am vergangenen Sonntag beinahe genauso gewählt, wie bei der letzten Landtagswahl. Die Volksparte (40 Prozent) von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und die FPÖ mit Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer (24 Prozent) erlangen beide dasselbe Ergebnis wie im Jänner. SPÖ unter Sven Hergovich und die Grünen würden leicht zulegen, zulasten der NEOS.

Ebenso sind die Niederösterreicher mit ihrer Landesregierung deutlich zufriedener als mit der Bundesregierung. 68 Prozent erklären mit der Arbeit im Bund weniger oder gar nicht zufrieden. Nur 43 Prozent sagen das über Niederösterreich. Zumindest jeder Zweite (55%) ist sehr zufrieden oder eher zufrieden mit der Arbeit dort. Genauso viele befürworten auch den Pakt zwischen ÖVP und FPÖ in der Landesregierung.