Sämtliche relevante Kommandeure des militärischen Hamas-Flügels wurden von Israel in diesem Krieg getötet. Sie waren maßgeblich für die Produktion und Weiterentwicklung der Waffen verantwortlich und ihr Verlust dürfte für die Hamas sehr schmerzhaft sein. Ebenso scheint die radikalislamische Organisation unterschätzt zu haben, wie detailliert Israel über ihr geheimes Tunnelsystem Bescheid wusste. Nun sollen die Hamas-Kämpfer davor zurückschrecken, die Tunnel wieder zu betreten, wird berichtet. Doch Lahav Harkov, die diplomatische Korrespondentin und Star-Journalistin der “Jerusalem Post”, gibt eine gespaltene Antwort auf die Frage, ob die jüngste Schlacht mit der Hamas für Israel wirklich ein Erfolg war.

"Der Schlag gegen die Hamas war erheblich"

“Das Ziel Israels war es, die Hamas dazu zu bringen, den Raketenbeschuss auf Israel für einen signifikanten Zeitraum einzustellen. Deshalb konzentrierte sich Israel diesmal auf jene Befehlshaber der Hamas, die für die sogenannte Forschungs- und Entwicklungseinheit des militärischen Geheimdienstes der Hamas zuständig sind, also jene Leute, die die Raketen entwerfen und produzieren. Hamas probierte auch verschiedene Arten von Drohnen aus, darunter Unter-Wasser-Drohnen und unterschiedliche unbemannte Luftfahrzeuge. Und tatsächlich hat Israel die Hamas im Hinblick auf Infrastruktur und Waffen massiv zurückgeworfen. Der Schlag gegen die Hamas dürfte erheblich gewesen sein”, unterstreicht Lahav Harkov.

Lahav Harkov berichtet regelmäßig aus dem Büro des Premierministers und liefert Analysen unter anderem für BBC, France 24 und Sky News.Joshua Fleisher

Der nächste Konflikt mit der Hamas ist Frage der Zeit

Das alles dürfte die Situation verändern, sagt die Star-Journalistin, denn es erschwere der radikalislamischen Palästinenserorganisation, jenen Level an Bewaffnung und jenes technische Niveau wieder zu erlangen, das die Hamas in den vergangenen sieben Jahren, seit dem letzten schweren Kampf mit Israel, aufgebaut hat. Doch, so räumt Lahav Harkov ein, “es gibt auch eine ehrliche Antwort, die  einem viele Israelis über den Erfolg der jüngsten Schlacht geben, und sie lautet: Viel hat sich eigentlich nicht verändert. Am Ende einer jeden Schlacht mit Gaza dachten wir bisher, dieses Mal wird es anders sein, weil wir so viele ihrer Kämpfer ausgeschaltet haben. Doch das wird nicht passieren.” Der nächste Konflikt mit der Hamas sei nur eine Frage der Zeit.

“Letztlich haben in Israel weder die Politiker, noch die Armee, noch die Öffentlichkeit den Wunsch, das zu tun, was erforderlich ist, damit Hamas mit den Angriffen auf Israel endgültig aufhört. Das würde nämlich eine Bodenoffensive erfordern, sowie weit mehr Opfer auf beiden Seiten und vermutlich eine dauerhafte Präsenz Israels in Gaza. Das wollen wir nicht.” Die Hoffnung sei daher primär, dass es noch eine Weile dauern wird, bis der nächste Kampf mit der Hamas ausbricht. “Sollten wieder sieben Jahre bis zum nächsten schweren Kampf vergehen, wäre das ein positives Ergebnis, sollten es nur zwei Jahre sein, hingegen nicht.“

Hamas gilt als siegreich, weil sie überlebt und Israelis tötet

Von schweren Verlusten oder gar einer Niederlage will man in Gaza und der Westbank unterdessen nichts wissen, wie der Leiter der israelischen NGO “Palestinian Media Watch” Itamar Marcus deutlich macht: “Im Moment behaupten sowohl Fatah als auch Hamas, dass sie die Helden sind, die Jerusalem verteidigt haben. Alle offiziellen Facebook-Seiten und Nachrichtenseiten präsentieren diese Botschaft.” Wie sich der Kampf auf die politischen Sympathien der Palästinenser auswirken wird, werde sich noch zeigen: “Wir warten auf die Umfragen.”

Eines wisse man aber aus früheren Konflikten mit der Hamas: “Selbst nach schweren Verwüstungen in Gaza, die zuvor durch die Hamas ausgelöst worden sind, dachten die Menschen, die Hamas sei siegreich gewesen, weil sie es schaffte zu überleben, Raketen auf Israel abzuschießen und Zivilisten zu töten. Nach dem, was in Jerusalem geschehen ist, wo der Mufti der Palästinensischen Autonomiebehörde niedergeschrien und aus der Al-Aqsa-Moschee geworfen worden ist, dürften gerade jetzt die Menschen außerhalb des Gazastreifens der Hamas den Sieg gönnen. Es könnte sein, dass Hamas von den Arabern in der Westbank mehr Zustimmung erfährt als von jenen in Gaza, die unter dem Krieg gelitten haben.”

Trauerzug in Khan Yunis mit Leichen von Mitgliedern der Al-Qassam-Brigaden, des bewaffneten Flügels der Hamas. Sie wurden während der israelischen Bombardierung eines Tunnels getötet.APA/AFP/SAID KHATIB

Getötete Kommandeure werden als Märtyrer dargestellt

Trotz der Tötung zahlreicher Hamas-Führer könne die Hamas den Krieg auch als Sieg verkaufen: “Die wichtigsten Hamas-Führer Yahya Sinwar und Mohammud Deif haben überlebt, obwohl Israel versucht hat, sie zu töten. Dafür verhöhnt die Hamas jetzt Israel.” Auch die schweren Verluste ändern nichts an dem Triumphgeheul: “Wichtiger ist, dass die Hamas das Märtyrertum für Allah immer als ein Ideal, das jeder anstrebt, dargestellt hat und weiterhin darstellt. Die Führer behaupten sogar, dass sie das Märtyrertum für sich selbst anstreben. So werden die Kommandeure, die getötet wurden, als glückliche Märtyrer für Allah präsentiert, nachdem ihnen von Allah das Martyrium gewährt worden ist.”