Ein knapp viereinhalb-minütiges Teaser-Video schaffte es auf der Plattform X innerhalb von zwei Tagen auf rekordverdächtige 100 Millionen Views. Mehr als hundert Millionen Mal wurde also jener Clip abgespielt, in dem der US-Journalist seine Beweggründe für das Interview erläutert: Es gehe schlicht um Journalismus und Information, lautet sein Kernargument.

Angesichts der Reichweite dieses Ankünders – der noch nicht einmal das eigentliche Interview ist! – könnten andere neidisch werden.

Tucker Carlson befindet sich im Spitzenfeld

Zum Vergleich: Ein legendäres Tor des argentinischen Fußball-Superstars Lionel Messi wurde mit „nur“ 19,4 Millionen Views zum offiziell meistgesehenen Twitter-Video des Jahres 2022. Auch Elon Musk twitterte im selben Jahr ein von besonders vielen Nutzern gesehenes Videos, nur wenige Monate, bevor er sich Twitter (mittlerweile X) unter den Nagel riss. In dem Clip konnte man dem Multimilliardär bei seinen Erkundungen der virtuellen Welt beobachten: „Ich kämpfe im Gefängnishof des Metaversums, wo ich für Screenshots von NFTs einsitze“, erklärte er. 4,6 Millionen Menschen ließen sich das nicht entgehen. Eine beeindruckende Zahl – aber nur ein Bruchteil jener Views, die das Tucker-Carlson-Video erreicht.

Ansonsten wussten bisher vor allem einige Pop-Stars die Plattform höchst erfolgreich zu nutzen. Der Song „Look What You Made Me Do” der Country-Sängerin Taylor Swift kam im Jahre 2017 binnen 24 Stunden auf unglaubliche 43,2 Millionen Views – damals ein Rekord. Damit gelangte Swift, die mit mehr als 300 Millionen verkauften Tonträgern zu den weltweit erfolgreichsten Künstlern gehört, zumindest ein klein wenig näher heran an die Zuschauerzahl von Tucker Carlson.

X-Interviews mit Orban und Milei

US-Journalist Tucker Carlson musste im April 2023 Fox News verlassen, unter anderem, weil er sich in internen Emails abschätzig über Fox-News-Manager geäußert hatte, heißt es. Zuvor hatte er Quotenrekorde mit seiner Sendung „Tucker Carlson Tonight“ gefeiert, die weit über die Grenzen der USA hinaus Bekanntheit erlangte.

„Tucker on X“ heißt seine neue Sendung auf X. Nicht zum ersten Mal reist er für sie zu einem ausländischen Staatschef. Im vergangenen August sprach er mit dem ungarischen Premier Viktor Orban über dessen Ukraine-Politik. Überdies interviewte er in Argentinien Javier Milei, noch vor dessen Wahl zum Präsidenten.

Tucker Carlson (r.) mit Javier Milei (l.) noch vor dessen Wahl zum argentinischen Präsidenten

Übrigens: Mit eben diesen Interviews konnte Tucker Carlson auch die Reichweite seines Putin-Teasers überbieten. Das Gespräch mit Milei erreichte unglaubliche 427,5 Millionen Views. (Anmerkung: Knapp 450 Millionen Menschen leben in der EU.)

Mehr als 400 Millionen Mal schauten sich Menschen aus aller Welt das Interview mit dem neuen Staatspräsidenten Argentiniens an.

Seit der Invasion erhielt Putin zahlreiche Interview-Anfragen

Nun ist also Putin an der Reihe. Das große Interesse bei Freund, Feind und schlicht normalen, interessierten Bürgern dürfte dem streitbaren US-Journalisten diesmal sicherer sein denn je. Allerdings hatten zuvor schon andere westliche Medien um ein Interview mit dem russischen Präsidenten gebeten, wie sich nun herausstellte. Nur hatte der Kreml ihre Anfragen immer abgelehnt. Bisher. Dabei sollen es tatsächlich sogar sehr, sehr viele Anfragen gewesen sein, wie Putins Sprecher am Mittwoch berichtete.

Ob die Reaktionen auf Putin-Interviews von anderen Journalisten ebenso negativ ausgefallen wären – noch dazu im Vorfeld –, wie bei Tucker Carlson, darf bezweifelt werden. Mit seiner scharfen Kritik an der Ukraine-Hilfe und an Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte es sich der TV-Journalist bei vielen wohl verscherzt. Folglich haben einige Politiker und Medien schon jetzt ihr Urteil über sein Interview gefällt, ohne es überhaupt gesehen zu haben. Andere warten ab – wie sie es auch ansonsten tun.