In westlichen Medien wurde die seit drei Monaten andauernde Gegenoffensive Kiews zuletzt scharf kritisiert, vor allem wegen ihres langsamen Tempos. Der Ukraine reißt deshalb zunehmend der Geduldsfaden. Den Kritikern teilte der Außenminister  nun unmissverständlich mit: „Haltet den Mund“. Damit brachte er schärfer als bisher Kiews Frustration über die negativen Äußerungen einiger westlicher Beamter zum Ausdruck.

Außenminister Dmytro Kuleba griff die Kritiker nun scharf an.APA/AFP/Michal Cizek

Beamte kritisieren Strategie der Ukraine

Seit dem Start der lange erwarteten Gegenoffensive, bei der westliche Militärausrüstung im Wert von mehreren Milliarden Dollar zum Einsatz kam, hat die Ukraine mehr als ein Dutzend Dörfer zurückerobert, ist aber noch nicht in die Hauptverteidigungslinien Russlands eingedrungen.

In der vergangenen Woche zitierten die „New York Times“, die „Washington Post“ und andere Medien amerikanische und andere westliche Beamte mit der Aussage, die Offensive bleibe hinter den Erwartungen zurück. Einige bemängelten die Strategie der Ukraine und warfen ihr unter anderem vor, ihre Kräfte an den falschen Stellen zu konzentrieren.

Bilder von zerstörten Leopard-Panzern zu Beginn der Gegenoffensive nährten erste Zweifel.

Gegenoffensive für Moskau gescheitert, gemäß Kiew absichtlich langsam

Moskau zufolge ist die ukrainische Offensive bereits gescheitert. Ukrainische Befehlshaber erklären, absichtlich langsam vorzugehen. So würden sie Russlands Verteidigung und Logistik schwächen und die Verluste zu verringern, wenn sie schließlich mit voller Stärke angreifen.

Die Ukraine erhielt im Vorfeld der Gegenoffensive milliardenschwere Unterstützung, vor allem von den USA. Im Bild: US-Präsident Joe Biden mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.APA/AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Scharfe Worte für die Kritiker fand nun der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. „Das langsame Tempo der Gegenoffensive zu kritisieren, ist gleichbedeutend damit, ukrainischen Soldaten in das Gesichts zu spucken, die jeden Tag ihr Leben opfern und einen Kilometer ukrainischen Bodens nach dem anderen befreien“, sagte er vor Reportern. „Ich würde allen Kritikern empfehlen, die Klappe zu halten, in die Ukraine zu kommen und zu versuchen, einen Quadratzentimeter selbst zu befreien”, sagte er bei einem Treffen der EU-Außenminister in Spanien.

NATO-General Stoltenberg: „Ukrainer haben Erwartungen wieder und wieder übertroffen“

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte mehr Vertrauen gegenüber Kiew im CNN-Interview: „Die Ukrainer haben die Erwartungen wieder und wieder übertroffen. Wir müssen ihnen vertrauen. Wir beraten, wir helfen, wir unterstützen. Aber es sind die Ukrainer, die diese Entscheidungen treffen müssen.“

NATO-General Stoltenberg rät dazu, Kiew zu vertrauen.

Nach monatelangem Kampf durch schwere Minenfelder haben die ukrainischen Streitkräfte in den vergangenen Tagen die wichtigsten russischen Verteidigungslinien erreicht, und zwar südlich des Dorfes Robotyne, das sie vergangene Woche in der westlichen Region Saporischschja erobert haben.

Sie rücken nun zwischen den nahe gelegenen Dörfern Nowopokropiwka und Verbove vor und suchen nach einem Weg, um die Panzerabwehrgräben und die Reihen der als Drachenzähne bekannten Betonpyramiden zu umgehen, die die wichtigsten russischen Befestigungsanlagen bilden und vom Weltraum aus sichtbar sind.

Kiew berichtet von Erfolgen in Bakhmut

Ein Durchbruch wäre der erste Test für die tieferen Verteidigungsanlagen Russlands, von denen die Ukraine hofft, dass sie anfälliger und weniger stark vermint sind als die Gebiete, die ihre Truppen bisher durchquert haben.

Ein ukrainischer Kommandeur in dem Gebiet sagte Reuters, dass seine Männer die schwierigste Linie durchbrochen hätten und in weniger stark verteidigte Gebiete vorgedrungen seien. Nun rechneten sie mit einem schnelleren Vormarsch. Die Aussangen konnten nicht überprüft werden.

Außenminister Alexander Schallenberg (r.) im Gespräch mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba beim informellen EU-Au?enministerrat in ToledoAPA/AUSSENMINISTERIUM/MICHAEL GRUBER

Kiew gibt nur selten Einzelheiten über seine Offensivoperationen bekannt. In einer Erklärung vom Donnerstag meldete die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maliar nicht näher bezeichnete Erfolge in der Nähe von Nowopokropiwka, ohne Einzelheiten zu nennen.

Sie sagte auch, dass die ukrainischen Streitkräfte in der Nähe von Bakhmut im Osten vorrückten, der einzigen Stadt, die Russland in seiner eigenen Offensive Anfang des Jahres erobert hatte. In den Dörfern südlich der Stadt tobten schwere Kämpfe, sagte sie. Oleksandr Syrskyi, Kommandeur der ukrainischen Bodentruppen, berichtete von einer „positiven Dynamik“ in der Nähe von Bakhmut.