Der unter Korruptionsverdacht stehende ukrainische Oligarch Dmytro Firtasch fühlt sich wohl in Österreich. Wien sei ihm “ans Herz gewachsen”, sagte er der “Kronen Zeitung”. “Wir haben viele Firmen hierher verlegt, ich bin nicht mehr auf Geschäftsreise”, erläuterte er. Mit Blick auf ein seit zehn Jahren blockiertes US-Auslieferungsersuchen lobte er auch gegenüber der “Presse” Österreichs “faire Justiz”. Überdies kritisierte er die jetzige Führung in Kiew und forderte Verhandlungen mit Moskau.

Kiew wird gesamte westliche Hilfe zurückzahlen müssen

Im “Krone”-Interview sagte Firtasch, dass er sein Hauptgeschäft weiterhin in der Ukraine habe und “in sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten” mit der Führung in Kiew in Kontakt stehe. “Wir helfen, so gut wir können – vor allem mit Geld”, sagte er, ohne Details zu nennen. Firtasch war früher Hauptunterstützer des im Jahr 2014 durch Massenproteste gestürzten pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch.

Dmytro Firtasch ist froh, seit zehn Jahren in Österreich leben zu können.APA/HERBERT NEUBAUER

Überdies äußerte der Oligarch die Erwartung, dass die Ukraine die westliche Hilfe nach Kriegsende in voller Höhe zurückzahlen  werde müssen. “Nichts auf der Welt ist gratis”, sagte er. Die Regierung in Kiew müsse auch den Millionen Kriegsflüchtlingen “ein Angebot machen”. “Je länger der Krieg dauert, desto schwieriger wird es”, sagte Firtasch.

Ukrainer machen sich Illusionen über EU-Beitritt

Nach wie vor gebe es Illusionen in der Ukraine: Die Menschen in seiner Heimat würden glauben, “mit einem EU-Beitritt wären alle Probleme gelöst”. Das seien falsche Erwartungen: “Man muss den Menschen erklären, was das bedeutet. Es gibt nichts geschenkt, man muss hart arbeiten, um Teil davon zu sein”, sagte Firtasch. “Nach zehn Jahren in Wien kann ich sagen, dass jeder Österreicher hart arbeitet, um gut über die Runden zu kommen. Es gibt keine Wunder – du musst hart arbeiten und schauen, wie du deine Rechnungen bezahlst.”

Dmytro Firtasch im Jahr 2017 beim Oberlandesgericht (OLG) WienAPA/PHOTONEWS.AT/GEORGES SCHNEIDER

"Der ukrainische Patriotismus allein wird uns nicht retten"

Im Interview mit der “Presse” übte Dmytro Firtasch überdies deutliche Kritik an der aktuellen Führung der Ukraine und ihrer Haltung im Ukraine-Krieg: “Unsere Regierung und unser Präsident haben sich entschieden, mit Russland überhaupt keine Verhandlungen zu führen. Sie schließen die Möglichkeit aus, mit Moskau zu reden. Sie sehen nur einen Weg – den militärischen. Meiner Meinung nach ist das ein Fehler. Wir brauchen beide Optionen und das parallel: kämpfen und reden.”

Jeder Krieg höre früher oder später auf. “Er endet mit Verhandlungen und Frieden. Deshalb müssen wir diese Tür offen lassen.” Natürlich wünsche er sich als Ukrainer, dass die Ukraine in den Grenzen von 1991 bestehen bleibt. “Aber mir ist bewusst, das wird schwierig zu erreichen sein.” Zu Wladimir Putins Forderungen nach “Entnazifizierung und Entmilitarisierung” meinte er: “Er (Putin) hat seine Maximalforderungen genannt, die uns nicht gefallen. Wir können auch so ein Menü entgegenwerfen, das Putin nicht gefallen wird. Wir sollten den Verhandlungsprozess aufnehmen.” Und: “Der ukrainische Patriotismus allein wird uns nicht retten. Die Möglichkeiten der Ukraine sind beschränkt. Russland ist groß.”

Firtasch: "Wir müssen die Tür offen lassen"APA/HERBERT NEUBAUER

Kritik an Poroschenko und an Putin

Firtasch erhob auch schwere Vorwürfe gegen den früheren ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Dieser hatte im Jahr 2019 die ukrainische Verfassung geändert und den Wunsch nach einem NATO-Beitritt darin verankern lassen. Dieser sei für Kreml-Chef Putin “eine rote Linie” gewesen. “Unsere Verfassung definiert die NATO-Mitgliedschaft nun als strategisches Ziel. Aus russischer Perspektive beendet das den neutralen Status der Ukraine.”

Ebenso erklärte Firtasch aber auch: “Putin hat einen großen politischen Fehler gemacht. Er hätte diesen Krieg nicht vom Zaun brechen dürfen. Man hätte eine friedliche Lösung suchen müssen.”

US-Außenminister John Kerry (r.) spricht 2016 mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko bei der Münchner Sicherheitskonferenz.APA/DPA/Matthias Schrader

Im Übrigen bezweifelt der Oligarch, dass es überhaupt zu einem NATO-Beitritt der Ukraine kommen wird. “Die Ukraine soll jedenfalls ein unabhängiger Staat sein. Ich glaube allerdings nicht, dass die NATO uns aufnehmen wird. Wenn ich Sie heiraten will, heißt das auch nicht, dass Sie bereit sind, mich zum Mann zu nehmen. Ich bitte Sie die ganze Zeit, aber Sie lehnen mich ab. Der Westen sendet uns genau dieses Signal.” Die Ukraine brauche vor allem eine starke Armee.

Poroschenko (r.) besuchte 2018 Wien: Im Bild mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen (l.).APA/BUNDESHEER/PETER LECHNER

"Ich bin den Österreichern sehr dankbar, dass sie mich aufgenommen haben"

Überdies bedankte sich Firtasch bei Österreich: “Ich habe Österreich sehr gut kennengelernt. Ich bin den Österreichern sehr dankbar, dass sie mich aufgenommen haben. Für mich ist das eine sehr nützliche Erfahrung in meinem Leben. Durch meinen langen Aufenthalt habe ich ein anderes Verständnis von Europa bekommen. Österreich ist zu meiner zweiten Heimat geworden.”

Ein Vermögen machte der Oligarch mit dem Import von russischem Gas über das Gemeinschaftsunternehmen RosUkrEnergo. In Österreich gründete er inmitten des Tauziehens um seine Auslieferung eine “Agentur zur Modernisierung der Ukraine” und setzte Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) als dessen Chef ein. In einem Interview wies der Oligarch aber jeglichen Zusammenhang zwischen der Thinktank-Finanzierung und dem Auslieferungsverfahren zurück.

Firtasch galt wichtigster Financier und Vertrauter des früheren Präsidenten Janukowitsch, der Anfang 2014 nach pro-europäischen Protesten aus dem Land geflohen war. Ende 2015 forderte Firtasch dessen Nachfolger Petro Poroschenko in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters öffentlich zum Rücktritt auf.

Auslieferungsersuchen der USA

Firtasch war im März 2014 in Wien wegen eines Auslieferungsersuchens der USA festgenommen worden, kam dann aber gegen eine Kaution von 125 Millionen Euro frei. Seitdem stemmen sich seine Anwälte mit allen möglichen Mitteln gegen die Auslieferung, mit dem Argument, dass ihr Mandant in den USA kein faires Verfahren erwarten kann. Nach einem juristischen Ping-Pong-Spiel, das bis zum Obersten Gerichtshof (OGH) ging, bewilligte das Wiener Oberlandesgericht (OLG) im vergangenen Juni eine Wiederaufnahme des Verfahrens, das damit wieder zurück an den Start geht. Im Verfahren geht es um angebliche Schmiergeldzahlungen Firtaschs an indische Politiker in Höhe von mindestens 16,98 Millionen Euro, die im Zusammenhang mit einem nie realisierten Titangeschäft geflossen sein sollen. Firtasch bestreitet den Vorwurf, er habe sich in Indien ab 2006 gemeinsam mit anderen Personen als Teil einer kriminellen Vereinigung Lizenzen zum Mineral-Abbau gesichert.