Österreichs Lehrlinge sind abenteuerlustig, allerdings ist ihnen Sicherheit ebenfalls wichtig. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Lehrlingsstudie, die das Institut für Jugendkulturforschung in Kooperation mit dem Marktforschungsinstitut T-Factory durchgeführt hat. „Das Traumunternehmen der Lehrlinge ist Red Bull, das österreichische Paradeunternehmen“, meint Institutsleiter und Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier, der überdies eXXpress-Kolumnist ist.

Bernhard Heinzlmaier (Bild) ist auch regelmäßiger Studiogast im eXXpress-Nachtflug.eXXpressTV

Red Bull ist in der Prioritätenliste der Lehrlinge jedoch nur auf Platz zwei. „Aus pragmatischen Gründen gibt man aber den weniger glamourösen ÖBB den Vorzug“, sagt Heinzlmaier. „Dort ist der Job sicher, eine starke Gewerkschaft sorgt dafür, dass der Leistungsdruck nicht zu groß wird und das Einkommen überdurchschnittlich hoch ist.“

ÖBB und Red Bull liegen auf den Plätzen eins und zwei.T-Factory/Jugendkultur

Sicherheit, Einkommen und Ausbildner sind wichtigste Kriterien

Für die Studie wurden im vergangenen Februar 800 Lehrlinge online befragt, und zwar aus den wichtigsten Branchen, nämlich Handel, Gewerbe bzw. Handwerk, Industrie und Tourismus bzw. Freizeitwirtschaft. Heinzlmaier: „Wenn es um das Sicherheitsbedürfnis geht, liegen die Frauen deutlich vor den Männern. Die Angst vor dem sozialen Abstieg ist bei ihnen größer.“

Ein anderes wichtiges Kriterium ist ein ausreichend hohes Einkommen, in der Tourismusbranche ist die Höhe des Lehrlingsgehaltes sogar das wichtigste Auswahlkriterium für den Lehrbetrieb.

Das wichtigste Entscheidungskriterium bei der Wahl des Ausbildungsbetriebes seien aber gute und verständnisvolle Ausbildungspersonen. „Die Ausbildner sind zu magischen Figuren geworden.“ Das gelte besonders für Frauen: „Vor allem die weiblichen Lehrlinge wollen nicht mehr bloß als Arbeitskraft, sondern als ‚ganzer Mensch‘ mit allen seinen Sorgen, Hoffnungen und Bedürfnissen behandelt werden. Vielfach werden die Ausbildner als Vater- oder Mutterersatz gesehen.“

Der Trend geht Richtung Uni: Immer weniger Lehrlinge

Im vergangenen Jahr gab es 108.000 Lehrlinge in Österreich. Der Anteil der Lehrlinge im ersten Lehrjahr bei allen 15-jährigen betrug 39,1 Prozent. „Diese Lehrlingsquote ist im Vergleich zu vor zehn Jahren um zirka 8000 Personen kleiner geworden“, sagt Bernhard Heinzlmaier. Das ist ein genereller Trend, schon seit Jahrzehnten. „Seit 1981 ist die Zahl jener jungen Menschen, die Matura oder einen Universitätsabschluss anstreben, drastisch gestiegen.“

Die Folge: „Qualifizierte Lehrlinge sind heute eine Mangelware. Am liebsten greifen die Unternehmen nun auf Schüler zurück, die in der Oberstufe einer höheren Schule die Ausbildung abbrechen.“ Vor allem in den Neuen Mittelschule im urbanen Raum sei der Ausbildungsstandard nicht mehr ausreichend, klagen viele Unternehmen.

Auch die Vorbereitung in der Schule könnte besser sein: „Die Mehrheit der Lehrlinge in der Tourismusbranche beklagt sich darüber, dass sie in der Pflichtschule nicht ausreichend Englisch beigebracht bekommen haben. Die Industrielehrlinge weisen auf Defizite bei der Mathematikausbildung hin. Generell ist die Mehrheit der befragten Lehrlinge der Auffassung, dass die Pflichtschule nicht die optimalen Voraussetzungen für die berufsbezogene Ausbildung geschaffen hat.“