Der EU-Parlamentarier Guy Verhofstadt ist entsetzt. US-Moderator Tucker Carlson ist nach Moskau gereist, um dort den russischen Staatschef Wladimir Putin zu interviewen. Aus Sicht von Verhofstadt ist das ein Vergehen, das mit einem Reiseverbot belegt werden könnte.

Wörtlich erklärte der belgische Politiker auf X: „Tucker Carlson ist sicherlich auf dem besten Weg, als Propagandist des russischen Regimes abgestempelt zu werden. Wenn er Desinformation für Putin ermöglicht, sollte die EU ein Reiseverbot prüfen!“

Verhofstadt – kein Freund der Pressefreiheit?

Nun, es ist durchaus denkbar oder sogar höchst wahrscheinlich, dass der Kreml-Chef im Interview mit seinen Aussagen Anstoß erregen wird, weil er Anstössiges sagen wird. Noch kennen wir den TV-Talk nicht, weil er noch nicht stattgefunden hat. Doch Putin zu interviewen, bedeutet nicht, ihm zuzustimmen. Auch israelische Zeitungen haben in der Vergangenheit schon Interviews mit Hamas-Terroristen geführt. Problemlos ließen sich weitere Beispiele für Interviews mit Kriegsgegnern, Terroristen und Diktatoren finden.

Was Guy Verhofstadt hier verlangt, befindet sich in merklicher Spannung mit der Pressefreiheit und mit elementaren liberalen Grundsätzen. Aber vermutlich werden ihm einige beipflichten. Dessen ist sich auch Tucker Carlson bewusst.

Guy Verhofstadt ist prominentes Mitglied des Europäischen Parlaments und ist offenbar besorgt wegen des bevorstehenden Putin-Interviews von Tucker Carlson.APA/AFP/POOL/Francois WALSCHAERTS

Tucker Carlson: Wir ermutigen Sie nicht, Putin zuzustimmen

Der umstrittene TV-Moderator hält in einem kurzen Clip auf X fest: „Die Durchführung eines solchen Interviews ist natürlich mit Risiken verbunden, und wir haben uns das über viele Monate hinweg gut überlegt.“ Ebenso macht er deutlich: Es gehe nicht um Lob für Putin, sondern um Information, und das sei eben die Kernaufgabe des Journalismus.

Carlson: „Wir wollen Sie nicht dazu ermutigen, dem zuzustimmen, was Putin in diesem Interview sagt. Aber wir fordern Sie auf, es sich anzusehen. Sie sollten so viel wie möglich wissen. Und dann können Sie, wie ein freier Bürger und nicht wie ein Sklave, selbst entscheiden.“

Elon Musk wird das Interview auf X nicht zensieren

Für Tucker Carlson steht vor allem eines fest: „Die Amerikaner haben ein Recht darauf, alles über einen Krieg zu erfahren, in den sie verwickelt sind. Und wir haben das Recht, sie darüber zu informieren, weil wir auch Amerikaner sind. Die Redefreiheit ist unser Geburtsrecht.“ Mit anderen Worten: „Wir sind nicht hier, weil wir Wladimir Putin lieben. Wir sind hier, weil wir die Vereinigten Staaten lieben.“ Der TV-Journalist sei zu Putin gereist, „weil es unser Job ist, wir sind im Journalismus tätig. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen zu informieren.“

Auf der Plattform X soll das Interview frei verfügbar sein – ohne Bezahlschranke. Das hat auch X-Eigentümer Elon Musk (Bild) zugesichert.

Dass wir im Westen zurzeit nicht wirklich wissen, was Putin eigentlich will, kritisierte auch der ehemalige US-Außenministerin Henry Kissinger in einem seiner letzten Interviews kurz vor seinem Tod. Tucker Carlson scheint dieses Problem auch zu sehen und sieht hier die Medien gefordert: „Kein einziger westlicher Journalist hat sich die Mühe gemacht, den Präsidenten des anderen an diesem Konflikt beteiligten Landes, Wladimir Putin, zu interviewen. Die meisten Amerikaner haben keine Ahnung, warum Putin in die Ukraine einmarschiert ist oder welche Ziele er jetzt verfolgt.“

X-Eigentümer Elon Musk hat bereits erklärt, das TV-Interview auf seiner Plattform nicht zu zensieren, wofür ihn Tucker Carlson lobt. „Westliche Regierungen hingegen werden sicherlich ihr Bestes tun, um dieses Video auf anderen, weniger prinzipientreuen Plattformen zu zensieren, denn das ist es, was sie tun. Sie haben Angst vor Informationen, die sie nicht kontrollieren können.“