China tobt. Kürzlich tat die chinesische Regierung ihren Unmut öffentlich kund. Sie ist erbost über US-Multimilliardär Elon Musk und dessen Treiben im All. Die chinesische Raumstation “Tiangong” (Himmelspalast) habe zwei Mal ihren Kurs ändern müssen, weil sich gerade ein Satellit von Musks Unternehmen SpaceX auf Kollisionskurs befunden habe, erklärte das Pekinger Außenministerium. China habe bereits Beschwerde bei den Vereinten Nationen eingelegt.

Ein vom chinesischen Staatssender CCTV veröffentlichtes Video zeigt den chinesischen Astronauten Zhai Zhigang, der am 7. November 2021 die chinesische Raumstation Tiangong in der Erdumlaufbahn betritt. (APA/China OUT/AFP/Handout/ CCTV

Beim ersten Beinahe-Zusammenprall hatte sich die chinesische Crew gerade erst sechs Tage auf der Raumstation befunden, als schon Starlink-2305 – so heißt der 260 Kilogramm schwere Satellit von SpaceX – auf das 16 Meter lange chinesische Raummodul zuraste. Mit etwa 7,5 Kilometern pro Sekunde hätte der Satellit die Station mit den drei Astronauten an Bord problemlos zerschmettert. Mit Notfallmaßnahmen konnte die Katastrophe verhindert werden. Das chinesische Missionskontrollzentrum ließ die Raumstation auf eine andere Bahnebene ausweichen.

Elon Musk will 42.00 Satelliten ins All schießen

Sowohl China als auch Elon Musk haben viel vor, im Weltraum. Der in diesem Jahr gestartete Bau der chinesischen Raumstation Tiangong soll schon 2022 fertiggestellt werden. Musks Weltraumunternehmen SpaceX wiederum will bis zu 42.000 Satelliten ins All schießen, wie das “Wall Street Journal” kürzlich berichtete. Das Ziel: die Errichtung eines satellitengestützten weltweiten Internet-Services. Das Problem: Musk beansprucht dafür viel Platz in der Umlaufbahn.

Die SpaceX-Dragon-Kapsel Crew-2 mit dem Namen "Endeavour" bei ihrer Rückkehr zur Erde am 8. November 2021. Mit an Bord sind vier Astronauten. Sechs Monate hatten sie auf dem Außenposten verbrachtAPA/AFP/SpaceX/Foto von verschiedenen Quellen

Europäische Industrieexperten haben unlängst davor gewarnt, dass das expandierende Starlink-Projekt das wachsende Problem des Weltraumschrotts verschärft, da sich bis 2029 voraussichtlich mehr als 100.000 kommerzielle Raumfahrzeuge in der Umlaufbahn befinden werden. Josef Aschbacher, Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation, warnte in der “Financial Times” davor, dass Elon Musk selbst die Regeln für die Weltraumwirtschaft aufstelle, wenn Europa weiter untätig bleibe.

Zurzeit umkreisen 4550 Satelliten die Erde

Im All herrscht Verkehrschaos. Hunderte Satellitenbetreiber schicken immer mehr Flugkörpers ins All. 4550 aktive Satelliten umkreisen zurzeit in ungeheurem Tempo die Erde. Der Verkehr wächst an, doch es fehlen die Regeln, und das erhöht die Unfallgefahr. “Beinahe-Kollisionen passieren inzwischen regelmäßig”, sagt Tanja Masson-Zwaan, Raumfahrtexpertin am International Institute of Air and Space Law der Universität Leiden in den Niederlanden.

Die SpaceX-Kapsel Dragon mit vier Astronauten an Bord im Anflug auf die Internationale Raumstation. Die Mission ist Teil der milliardenschweren Partnerschaft zwischen der NASA und SpaceX von Elon Musk.APA/AFP/NASA TV/Foto von Handout

Regierungen tun zurzeit wenig, um etwas daran zu ändern. Darüber hinaus gibt es auch keine nationalen Hoheitszonen im Weltraum. Ein Satellit umkreist in 90 Minuten den gesamten Erdball. Um künftig Zusammenstöße zu vermeiden, bräuchte es etwa eindeutige Vorfahrtsregeln, sagen Weltraum-Experten. Bisher schicken Betreiber ihre Satelliten in einen höheren Orbit, sobald sie eine Kollision befürchten. Das kostet Sprit und verkürzt die Lebensdauer von Satelliten. “Wer ausweichen muss, wird möglicherweise davon abhängen, wer die beste Manövrierfähigkeit hat”, berichtet Masson-Zwaan in der “Wirtschaftswoche”.

Bessere Überwachung, strengere Regeln

Die Space Safety Coalition, eine Vereinigung von Raumfahrtunternehmen, schlägt in einem Maßnahmenkatalog vor, dass sich die beiden Betreiber im Falle einer möglichen Koordination über Ausweichmanöver abstimmen sollten. Zwischen SpaceX und der chinesischen Raumstation fand offenbar keine Kommunikation statt.

Blick auf die Erde von der WeltraumstationAPA/AFP/NASA/Handout, Ricky ARNOLD

Auch die Überwachungsprogramme Europas und der USA sollen verbessert werden. Mit Bodenradars und Satelliten liefern sie Daten über das Verkehrsgeschehen im All. Ein weiterer Vorschlag: Satelliten, die höher als 400 Kilometer fliegen, sollten aktive Ausweichmanöver durchführen können, um die Wahrscheinlichkeit einer Kollision auf weniger als ein Zehntausendstel zu reduzieren. “Viele kleine Satelliten, so genannte Cubesats, sind gar nicht steuerbar”, sagt Expertin Masson-Zwaan. “Es sollten Regeln eingeführt werden, die solche Satelliten weitgehend verbieten.”