Wer das aktuelle Cover des Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” am Wochenende zufällig an einem deutschen Kiosk sah oder gar kaufte, musste zweimal hinschauen: “Wir müssen endlich im großen Stil abschieben”, lautet die Titelzeile. Es ist nicht etwa ein Zitat der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel, es ist die überraschende Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Sein Porträt prangt dazu auf der Titelseite.

Was ist bei den Nachbarn passiert? Ausgerechnet Scholz, von dem man nie etwas zur Migration hörte, der das leidige Thema lieber an seine Minister delegierte, fordert plötzlich einen Paradigmen-Wechsel in der gescheiterten deutschen Asylpolitik.

Das hat natürlich gute Gründe: Zur Halbzeit seiner ersten Amtsperiode stehen seine Partei und er selbst in Umfragen vor einem Scherbenhaufen. Und Scholz will noch einmal wiedergewählt werden, wonach es aktuell allerdings nicht aussieht. Die Regierungskoalition ist in Deutschland unten durch, der Kanzler selbst schwer angeschlagen.

Bundeskanzler Scholz sieht ein: "Es kommen zu viele"

Diese Woche kam dann für die Genossen auch noch die Hiobsbotschaft, dass die Linke Sahra Wagenknecht mit einer eigenen Partei durchstarten wird. Wahlforscher prognostizierten ihr ein Potenzial von bis zu 27 Prozent – auch zu Lasten der SPD. Die könnte zumindest in den fünf Ost-Bundesländern dank Wagenknecht-Konkurrenz in die Nähe des bayerischen Debakels gerückt werden. Im Freistaat war die SPD Anfang Oktober in die Bedeutungslosigkeit und unter zehn Prozent gewählt worden. Zeitgleich ging Innenministerin Nancy Faeser als SPD-Spitzenkandidatin in Hessen sang- und klanglos unter. Für beide Wahlschlappen fanden Forscher nur eine Ursache: die gescheiterte Migrationspolitik.

Jetzt sagt Scholz plötzlich im Spiegel-Interview: “Wir werden jetzt aber noch genauer unterscheiden: Einerseits geht es um die Zuwanderung von Arbeitskräften, die wir brauchen. Und es geht um jene, die Asyl suchen, etwa weil sie politisch verfolgt werden. Andererseits heißt das aber: Wer weder zu der einen noch zu der anderen Gruppe gehört, kann nicht bei uns bleiben. Deshalb begrenzen wir die irreguläre Migration nach Deutschland – es kommen zu viele.”

Und weiter: “Wer keine Bleibeperspektive in Deutschland hat, weil er sich nicht auf Schutzgründe berufen kann, muss zurückgehen. Dafür müssen unsere Behörden rund um die Uhr erreichbar sein, damit man jemanden wirklich abschieben kann, wenn die Bundespolizei ihn aufgreift. Es geht weiter damit, dass wir die Digitalisierung der Ausländerbehörden endlich vorantreiben, da muss Schluss sein mit dem Papierzeitalter. Die Verfahren müssen schneller werden, indem schon in der Erstaufnahme-Einrichtung Asylantrag samt Anhörung stattfinden. Und auch die Gerichtsverfahren müssen zügiger ablaufen. In manchen Bundesländern braucht die erste Instanz in einem Abschiebungsverfahren vier Monate, in anderen 39. Das geht nicht. Wir müssen mehr und schneller abschieben.