Voll des Lobes über das Engagement der EU und ihrer Partner war Ursula von der Leyen Mitte Juli, vor nicht einmal zwei Monaten. Im aserbaidschanischen Machthaber Ilham Alijew wollte sie gar einen “vertrauenswürdigen Energielieferanten” sehen.

Wörtlich erklärte Von der Leyen in einem Tweet: “Die EU setzt auf vertrauenswürdige Energielieferanten. Aserbaidschan ist einer von ihnen. Mit der heutigen Einigung verpflichten wir uns, den südlichen Gaskorridor zu erweitern, um die Gaslieferungen aus Aserbaidschan in die EU zu verdoppeln. Das sind gute Nachrichten für unsere Gasversorgung in diesem Winter und darüber hinaus.”

Beobachter warnten davor, den nächsten Krieg gegen Armenien mitzufinanzieren

Andere waren schon damals weitsichtiger als Ursula von der Leyen. Sie bezweifelten, dass die EU-Kommissionspräsidentin bei der Wahl des neuen Energielieferanten ein gutes Händchen hatte.

Die bekannte News-Seite “Tichys Einblick” warnte vor Gas-Importen aus dem islamischen Land, zumal man sich bei Aserbaidschan fragen müsse, “ob man damit nicht den nächsten Krieg gegen Armenien mitfinanziert.“

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sagte am 18. Juli 2022, dass die Europäische Union die Gasimporte aus Aserbaidschan verdoppeln möchte, da sie nach Moskaus Einmarsch in der Ukraine nicht-russische Lieferanten sucht.APA/AFP/Aserbaidschanische Präsidentschaft/Foto von Handout

Die Befürchtung sollte sich erfüllen, schneller als erwartet. “Wegen des Ukraine-Kriegs wechselte man den einen Autokraten gegen den anderen aus. Baku dürfte das als Ermunterung gesehen haben, um das christliche Armenien neuerlich anzugreifen”, schreibt das deutsche Online-Medium jetzt. “Die Kurzsichtigkeit dieser Entscheidung war von Anfang an klar.”

Am Gas aus Aserbaidschan klebte schon damals das Blut von Armeniern

Ab 2027 soll Aserbaidschan mindestens 20 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr in den Westen pumpen. Was Ursula von der Leyen bei all der Freude über den Deal nicht bedacht zu haben scheint: Der aserbaidschanischen Staatschef Ilham Alijew hatte erst im Herbst 2020 einen Krieg geführt. Man fragt sich, was bei der EU-Kommissarin mehr verblüfft: die Verkennung der geopolitischen Lage oder die Doppelmoral. Russisches Gas, an dem das Blut der Ukrainer klebt, will man nicht mehr, dafür holt man sich aserbaidschanisches, an dem armenisches Blut klebt und spricht doch glatt von einem “vertrauenswürdigen Energielieferanten”.

Europa begab sich damit in eine neue Gasabhängigkeit. Das ermöglicht Baku seine Machtinteressen im Kaukasus durchzusetzen – mit dem Ergebnis, dass die EU jetzt den Krieg Alijews mitfinanziert.