“Eine Koalition der ,populistischen Rechten’ könnte erstmals die absolute Mehrheit erlangen”, prophezeien jetzt die Autoren der ECFR-Studie Simon Hix und Dr. Kevin Cunningham. Sie meinen in ihrer aktuellen Expertise für den Thinktank in Berlin: “Eine Koalition aus Christdemokraten, Konservativen und rechtsradikalen Abgeordneten wird zum ersten Mal um die absolute Mehrheit im EU-Parlament ringen. Die Rolle der ungarischen Fidesz-Partei (von der wir erwarten, dass sie 14 Sitze erhält) wird dabei eine entscheidende Rolle spielen: Entschließt sie sich, der EKR beizutreten, statt als fraktionslose Partei im Parlament zu sitzen, könnte die EKR nicht nur RE und ID überholen und drittstärkste Fraktion werden, sondern gemeinsam mit der ID fast 25% der Parlamentssitze erreichen und zum ersten Mal mehr Sitze als EVP oder S&D haben.”

Aber noch mehr Daten aus der aktuellen Studie könnten die aktuell regierenden Polit-Spitzen in Brüssel etwas beunruhigen: “Antieuropäische populistische Parteien werden in neun EU-Mitgliedstaaten an der Spitze der Wählergunst stehen und in weiteren neun Ländern den zweiten oder dritten Platz belegen. Der Bericht stellt fest, dass populistische Parteien mit tief verwurzeltem Euroskeptizismus in Österreich, Belgien, Frankreich, Ungarn, Italien, Polen, der Slowakei, den Niederlanden und der Tschechischen Republik an der Spitze stehen und in Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Lettland, Portugal, Rumänien, Schweden und Spanien den zweiten oder dritten Platz belegen werden. Die rechtsextreme Gruppierung ID wird voraussichtlich mehr als 30 Sitze hinzugewinnen und mit insgesamt 98 Sitzen die dritte politische Kraft in der kommenden Legislaturperiode werden.”

Sechs der bekanntesten Rechtspolitiker Europas: Orban, Kickl, Wilders, Le Pen, Weidel, Meloni.

Ab Juni 2024 "Anti-Klimaschutz-Koalition" in der EU?

Und die Studien-Autoren des Thinktanks warnen: “Die Ergebnisse könnten weitreichende Folgen für die politische Agenda der EU und die Ausrichtung künftiger Rechtsvorschriften haben – unter anderem für den Europäischen Grünen Deal. Die größten Auswirkungen werden wahrscheinlich die Umweltpolitik betreffen. Im gegenwärtigen Parlament hat eine Mitte-Links-Koalition in umweltpolitischen Fragen in der Regel die Mehrheit errungen, allerdings waren viele dieser Abstimmungen sehr knapp. Bei einem deutlichen Rechtsruck ist es wahrscheinlich, dass nach Juni 2024 eine ,Anti-Klimaschutz-Koalition’ dominieren wird. Dies würde den EU-Rahmen für den Grünen Deal und die Übernahme und Durchsetzung gemeinsamer Maßnahmen zur Erreichung der Netto-Null-Ziele der EU erheblich untergraben.”

Ebenso wird festgehalten: “Mit großer Wahrscheinlichkeit werden in der kommenden Legislaturperiode pro-russische Parteien vertreten sein. Bulgariens pro-russischer Partei Wasraschdane („Wiedergeburt“) wird bei der Europawahl drei Sitze prognostiziert, wodurch sie zum ersten Mal ins EU-Parlament einziehen könnte und noch vor der nächsten bulgarischen Parlamentswahl (angesetzt für den 9. Juni 2024) institutionelle Legitimität erlangen würde. Seit Anfang 2021 wurden in Bulgarien fünf Parlamentswahlen abgehalten, und die „Anti-System“-Stimmenmobilisierung hat sich rapide verstärkt, wovon Parteien wie Wasraschdane profitiert haben.”

Und die Experten des ECFR prophezeien schon jetzt: “Die europäischen Ergebnisse könnten als Vorboten für  Wahlen in Mitgliedsstaaten dienen, etwa in Österreich, Deutschland und Frankreich. In Österreich könnte sich ein Anstieg der Unterstützung für die FPÖ bis zur Nationalratswahl im Oktober 2024 fortsetzen, und auch in Deutschland könnte der zu erwartende Einfluss der AfD die politische Landschaft und das politische Narrativ vor der Bundestagswahl 2025 prägen. Frankreich befindet sich derweil an einem entscheidenden Wendepunkt. Inmitten einer 70-prozentigen Ablehnungsquote für Emmanuel Macrons Regierung und zunehmender Unterstützung für Marine Le Pens rechtsradikale Partei hat der französische Präsident unlängst sein Kabinett umstrukturiert und damit einen deutlichen Kurswechsel nach rechts vollzogen. Dieser strategische Schritt könnte in Kombination mit den Ergebnissen der Europawahlen im Juni den Ton für die französische Präsidentschaftswahl im Jahr 2027 angeben.”

Aus der aktuellen ECFR-Studie: So legten viele der Rechtsparteien zu.