Das Wall Street Journal warnt in einem neuen Bericht: Europa ist durch die Schwächung seiner Streitkräfte äußerst verwundbar geworden. „Die Alarmstimmung über geschwächte Militärs und leere Arsenale in Europa wächst“, titelt die US-Tageszeitung.

London überlegte, Raketenwerfer aus den Museen zu beschaffen

Das britische Militär – der maßgebliche militärische Verbündete der USA – verfügt nur noch über rund 150 einsatzfähige Panzer und vielleicht ein Dutzend gut erhaltener Langstrecken-Artilleriegeschütze, heißt es in dem Bericht. Die Meldung sorgt für Unruhe. Die Kampffähigkeiten jener europäischen Nation, die am meisten Geld für seine Armee ausgibt, sind demnach ernsthaft beeinträchtigt.

Das Vereinigte Königreich zählt zu den großen Unterstützern der Ukraine, doch seine Armee ist ebenfalls mittlerweile deutlich geschwächt. Im Bild: Wolodymyr Selenskyk (r.) mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak (l.).APA/AFP/POOL/PETER NICHOLLS

„Die Schränke waren so leer, dass das britische Militär im vergangenen Jahr erwog, mehrere Raketenwerfer aus Museen zu beschaffen, um sie aufzurüsten und der Ukraine zu schenken – eine Idee, die jedoch verworfen wurde“, berichtet das Wall Street Journal.

Paris hat 90 schwere Artilleriegeschütze: So viele verbraucht Moskau pro Monat in der Ukraine

In anderen europäischen Ländern ist die Situation nicht besser. Frankreich, Europas zweitgrößter Rüstungsinvestor, verfügt über weniger als 90 schwere Artilleriegeschütze, was in etwa dem entspricht, was Russland jeden Monat auf dem Schlachtfeld der Ukraine verliert. „Dänemark hat keine schwere Artillerie, U-Boote oder Luftabwehrsysteme. Die deutsche Armee hat genug Munition für zwei Tage Kampf“, hält der Bericht fest.

Deutschlands Artillerie reicht für zwei Tage. Im Bild: Verteidigungsminister Boris Pistorius.Christian Ender/Getty Images

Europa habe zwar in der Vergangenheit über die besten Streitkräfte der Welt verfügt, meint die Tageszeitung, doch der Kontinent hat im Laufe der Zeit seine Investitionen in das Militär deutlich reduziert. Der Grund: Es gebe keine unmittelbaren Bedrohungen, die Ausgaben in diesem Bereich rechtfertigen würden, meint Anthony King, Professor für Kriegsstudien an der Universität Warwick, erklärte. Europa habe die militärische Vorherrschaft den Vereinigten Staaten überlassen und sei im Grunde „eingeschlafen“.

Die USA könnten in Zukunft weniger großzügig gegenüber Europa sein

Die Vereinigten Staaten, die bis zum vergangenen Jahr fast 70 Prozent der Verteidigungsausgaben der NATO auf sich vereinten, könnten allerdings in Zukunft weniger großzügig sein, vor allem wenn Donald Trump die Präsidentschaftswahlen 2024 gewinnen sollte. Der ehemalige US-Präsident hat den Wert des Verteidigungsbündnisses mehrfach in Frage gestellt.

Donald Trump (Bild) möchte nicht länger die militärische Verteidigung Europas finanzieren.

Obwohl nach Ansicht von Militärexperten keine unmittelbare Gefahr für Europa zu bestehen scheint, könnten die Risiken im Falle eines russischen Sieges in der Ukraine zusätzlich zunehmen. Die Furcht vor einem Sieg Moskaus steigt. Dann könnte Russland seine Konflikte auf andere Teile der Welt ausweiten, wird befürchtet.

Die Wirtschaftskraft der NATO-Länder ist jener Russlands und seiner Verbündeten nach wie vor überlegen, meint Ex-NATO-General Anders Fogh Rasmussen. Allerdings müsse die Kriegsgefahr ernst genommen werden. Europa müsse endlich in Munition investieren.