Seit 23. Jänner haben 433 Militärtransporte von westeuropäischen Staaten, die meist der NATO angehören, durch Österreich stattgefunden. Das ergab die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ durch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). An erster Stelle liegt dabei Deutschland, das heuer 252 dieser Militärtransporte durch Österreich durchgeführt hat, gefolgt von 57 Transporten der NATO, 48 von Großbritannien, 43 der Niederlande, 17 von Frankreich, zwölf von der Schweiz und vier von Belgien.

FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz übt nun scharfe Kritik und sieht dadurch die Neutralität “massiv” beschädigt.

Gepanzerte Militärfahrzeuge auf der AutobahnATTILA KISBENEDEK/AFP via Getty Images

Rosenkranz: "Österreich wird zur Drehscheibe für Kriegsparteien"

Das Verteidigungsministerium habe “unumwunden zugegeben, dass es sich dabei unter anderem um schweres militärisches Kriegsgerät für den Einsatz in der Ukraine handle”, erklärte Rosenkranz. Dies stehe im Widerspruch zur Neutralität: “Dass Österreich zur militärlogistischen Drehscheibe für Kriegsparteien wird, beschädigt die immerwährende Neutralität massiv und führt letztlich dazu, dass unsere Neutralität international nicht mehr respektiert und akzeptiert wird. Damit einher geht auch ein Sicherheitsrisiko, dem Österreich durch dieses opportunistische Verhalten der Bundesregierung und auch des Bundespräsidenten (Alexander Van der Bellen, Anm.) ausgesetzt wird.”

Tanner: "Keine Anträge mit Ziel Ukraine vorgelegt"

Aus der Beantwortung der FPÖ-Anfrage geht nicht hervor, in welches Zielland die Transporte gingen. “Abschließend ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass meinem Ressort keine Anträge auf einen Transit von militärischen Gütern mit dem Ziel Ukraine vorgelegt wurden oder vorliegen”, unterstrich Ministerin Tanner.

Soldaten beim Militäreinsatz in der AbenddämmerungGETTY

Die Zahl der 433 Transporte enthält nicht alle von ausländischen Staaten durch Österreich durchgeführten Militärtransporte: Gemäß einer bereits Anfang Juni veröffentlichten Anfragebeantwortung gingen (von Jahresanfang bis zum Stichtag 11. April) insgesamt 1100 Militärtransporte durch Österreich. Diese Zahl umfasst auch Transporte nicht-westeuropäischer Staaten. Diese Daten vom April deuten auf einen leichten, aber keinen signifikanten Anstieg hin. 2021 waren es im Vergleich im ganzen Jahr 3300 solcher Transporte.

Rosenkranz: NATO macht sich zu einem Teil des Konfliktes

Rosenkranz sieht keine rechtliche Verpflichtung Österreichs, diese Transporte zuzulassen: “Denn gemäß EU-Ratsbeschluss können diese Transporte erlaubt werden – oder eben auch nicht.” Darüber hinaus dürfe die Stationierung und der Transport ausländischer Streitkräfte und Kriegsgeräte in und durch Österreich nur genehmigt werden, sofern keine “überwiegende außenpolitische Interessen der Republik Österreich entgegenstehen”. Er frage sich daher, welches außenpolitische Interesse Österreichs wichtiger sein könne “als der Schutz und der Erhalt unserer Neutralität”.

Klaudia Tanner verweist auf die geltende RechtslageAPA/HANS PUNZ

“Wer, wie die NATO, Waffen an eine Kriegspartei liefert, macht sich zum Teil des Konfliktes. Gerade vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Konflikts darf unser Staatsgebiet nicht länger Transitbereich für ausländische Militärtransporte und Waffenlieferungen sein.” Österreich müsse zu einer “No-Transport-Zone für Kriegsgerät” werden, so Rosenkranz.

Tanner: NATO-Staaten werden nicht als Konfliktparteien eingestuft

Zur Rechtsgrundlage für die Transporte gefragt, verweist Tanner auf das Truppenaufenthaltsgesetz sowie auf einen EU-Ratsbeschluss, wonach die EU-Mitgliedstaaten erwägen, “der Ukraine finanzielle und logistische Unterstützung, einschließlich der Lieferung von Schutzausrüstungen, zu leisten”. Weiters zitiert Tanner aus dem Rats-Beschluss: “Die Mitgliedstaaten erlauben die Durchfuhr militärischer Ausrüstung, einschließlich Begleitpersonal, durch ihr Hoheitsgebiet, einschließlich des Luftraumes.” Und da die Mitgliedsstaaten der NATO nicht als Konfliktparteien eingestuft seien, sei die Gestattung eines Transits von einem NATO-Mitgliedstaat in einen anderen NATO Mitgliedstaat “rechtlich zulässig”.