Wegen Kurzarbeit und Home-Office bleiben derzeit überall im Land viele Wecker stumm. Wer sich aber darauf verlässt, morgens von lieblichem Vogelgezwitscher sanft begrüßt zu werden, der kann schon einmal einen ganzen Vormittag verschlafen. Die Vögel sollen während der Pandemie nämlich plötzlich „flüstern“, zumindest aber viel leiser geworden sein.

Ohne Publikum macht es weniger Spaß

Stimmt das?“, wollten eXXpress von den Ornithologen mit Nest im Wiener Museumsquartier wissen.

Birdlife: „Gerade im ersten Lockdown war es so, dass viele Anfragen an uns kamen, ob denn nun die Vögel leiser oder lauter singen. Dadurch bedingt, dass verschiedene Geräusche damals fast gar nicht zu hören waren, fast keine Autos und keine Flugzeuge, hörte man dafür umso mehr Vogelgezwitscher und das fast rund um die Uhr. So wurden die Vögel zunächst sogar als besonders laut empfunden. Andererseits kann auch gelten, dass sich die Vögel durch das Ausbleiben der Nebengeräusche nicht so anstrengen mussten, also auch leiser singen konnten, um ein geeignetes Revier für sich zu beanspruchen. Publiziert wurde, soweit wir wissen, dazu bisher nichts.“

„Übrigens sind es meist die Männchen, die singen“, erklärt Dr. Susanne Schreiner von Birdlife weiter. Es gebe einige Vögel, wo auch die Weibchen singen, aber das sei eher selten der Fall. Weil es ohne Publikum nur halb so lustig ist, treten viele Vogelarten nachts auf die Bühne, da der Gesang da besser zur Geltung kommt.

Kleiner Fink mit großen Problemen: Der Girlitz ist Vogel des Jahres 2021APA/WOLFGANG SCHWEIGHOFER

Freizeit suchen – Vögel stören?

Wie hat sich die Corona-Pandemie generell auf das Leben der heimischen Vögel ausgewirkt?

„Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Auch hier stehen wissenschaftliche Ergebnisse noch aus. Wir beteiligen uns gerade an einer großen, internationalen Studie zu Telemetriedaten. Hier soll gezeigt werden, ob und wie sich Vögel im vergangenen Jahr bewegt haben, inwiefern diese Muster vom Gewohnten abweichen oder nicht. Was wir allerdings feststellen ist, dass sich ganz eindeutig die Aufmerksamkeit für das Thema Natur- und Vogelbeobachtung gesteigert hat. Viele Leute haben die freie Zeit und das zu Hause sein und das Nicht-auf-Urlaub-Fahren-können dafür genutzt, die Natur in ihrer Umgebung kennen zu lernen, wie wir von BirdLife Österreich anhand folgender Kennzahlen ablesen können:

Unser wichtigstes Citizen Science-Projekt, die Stunde der Wintervögel, bei der alle Interessierten aufgerufen sind, für eine Stunde lang die Vögel ihres Gartens (ihrer Umgebung) zu zählen, hat insgesamt 21.865 Teilnehmer diesen Jänner erreicht. Das entspricht einer Steigerung von rund 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Unser einheitliches Online-Meldesystem für Vogelbeobachtungen verzeichnet einen deutlichen Anstieg an Meldungen. Es sieht danach aus, als würden die Zahl der gesehenen und gemeldeten Vögel eine andere räumliche Verteilung aufweisen, zumindest im Frühjahr. Wir mutmaßen, dass das erhöhte Aufkommen an Freizeitsuchenden in den Gebieten rund um die Ballungsräume störende Auswirkungen hat. Die Auswertung steht noch an.“

Pfeifen die Spatzen aus dem letzten Loch?

Bekommen mit dem Schließen der Gastgärten beispielsweise Spatzen ein Nahrungsproblem?

„’Da Spotz’ (Haussperling) ist als häufigste Vogelart aus dem Wiener Stadtleben nicht wegzudenken. Der beliebte Kulturfolger ist sehr gesellig und besetzt in Trupps dichte Büsche oder Kletterpflanzen als Tagesverstecke oder Schlafplätze. Seine Nahrung findet er, wie jeder andere Wildvogel auch, in der freien Natur. Essen, das vom Menschen angeboten wird, ist immer nur ein Zusatzfutter.
Derzeit führen wir gerade ein Projekt mit der Stadt Wien durch, um mit Hilfe der Bevölkerung mehr über die Spatzen in der Stadt zu erfahren. Da der Bestand der Sperlinge abnimmt, sollen die Aufenthaltsorte der geselligen Stadtbewohner erhoben werden. Denn das Vorhandensein von Grünflächen scheint der Schlüssel für ein zufriedenes Spatzenleben zu sein. Probleme bei der Nahrungssuche bekommen aber zunehmend samenfressende Gartenbewohner, wie etwa der Girlitz, den wir zum Vogel des Jahres 2021 gekürt haben. Sein fröhlich klingelnder Gesang verstummt immer mehr – innerhalb der letzten 20 Jahre nahm der Girlitzbestand österreichweit auf ein Fünftel ab (minus 80 Prozent von 1998 bis 2016).“

Mit der Gulaschkanone muss man trotz Lockdown nicht auf Spatzen schießenAPA/dpa/Ralf Hirschberger

Die Bodenversiegelung an den Stadträndern, der übertriebene Ordnungssinn in unseren Gärten und Grünanlagen sowie der Verlust an Brachflächen nehmen dem Wildkräuter fressenden Vogelzwerg die Nahrungsgrundlage. Der Girlitz bewohnt lichte, reich strukturierte Landschaften bis rund 800 Meter Seehöhe. Er benötigt einerseits Bäume zum Brüten und Singen, andererseits niedrig bewachsene Flächen zur Nahrungssuche. Gärten, Friedhöfe und aufgelockerte Ortsränder sowie Streuobstwiesen und Weingartenlandschaften sind seine wichtigsten Lebensräume. Entscheidend ist in jedem Fall ein reiches Angebot an Wildkräutern, denn er ernährt sich ausschließlich von Wildkräutersamen. Auch die Jungen werden mit einer Art Babybrei aus zerquetschten unreifen Samen gefüttert.

Was können Menschen machen, um den Vögeln zu helfen?

Die 28-seitige Broschüre „Gefiederte Gäste im Hausgarten“ liefert viele wertvolle Tipps für einen vogelfreundlichen Garten sowie Porträts der 29 wichtigsten Gartenvögel und ist bei BirdLife Österreich unter der Hotline 01-523 46 51 sowie unter office@birdlife.at kostenfrei zu bestellen.