Online-Shopping als Moralfrage: Aufgrund des schlechten allgemeinen Images, das Amazon in der Öffentlichkeit hat, plagt viele Menschen nach einem Einkauf beim Onlineriesen das schlechte Gewissen. Das liegt vor allem an den immer wieder auftauchenden Berichten über die desaströsen Arbeitsbedingungen bei Amazon und News darüber, wie schlecht der Onlineriese seine Mitarbeiter allgemein behandelt. Von Mitarbeiterüberwachung sowie offener Benachteiligung von Schwangeren bis zu Zeitabzügen für Toilettenbesuchen häufen sich die Gruselmeldungen über Amazon schon seit Jahren, und damit auch die Skrupel, im riesigen Online-Kaufhaus zu shoppen. Nicht erst um Zuge des Trends zu mehr Achtsamkeit stellt sich hier die Frage, ob Einkäufe bei Amazon überhaupt moralisch zu rechtfertigen sind.

Diese Frage hat hat Advanis für Sitecore Anfang April 2021 im Rahmen einer Umfrage an rund 2.000 Amerikanerinnen und Amerikaner weitergegeben. Das Ergebnis zeigt, wie stark die Schuldgefühle bei welchen Amazon-Kunden sind und woran das liegt.  Besonders an der Sitecore Studie ist, dass diese die Umfrageteilnehmer nicht in (wie normalerweise üblich) konkrete Altersgruppen einreiht, sondern mit Generationen arbeitet: So fallen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entweder in die Kategorie Babyboomers (geboren 1943-1964), Generation X (geboren 1965-1978), Millennials (geboren in den 80er- und frühen 90er-Jahren) und Generation Z (geboren ab 1995).

Je jünger die Shopper, desto größer das schlechte Gewissen

Besonders spannend dabei ist, dass die Ergebnisse der Umfrage tatsächlich starke Unterschiede zwischen den Generationen aufweisen: So schwanken die Schuldgefühle teils enorm, und werden mit abnehmendem Alter immer größer.

Demnach geben 86 Prozent der Babyboomers an, nach einer Amazon-Shoppingtour überhaupt keine Schuldgefühle zu hegen, sondern einfach “zufrieden zu sein, dass sie haben, was sie wollten. Ende der Geschichte”. Bei der Generation X fühlen sich schon 34 Prozent schuldig, bei den Millenials sind es 37 Prozent und mit 43 Prozent gibt beinah die Hälfte der Generation Z an, moralische Skrupel zu hegen, wenn sie bei Amazon einkaufen. Zusammengefasst bedeutet das: Je jünger die Konsumenten sind, desto schuldiger fühlen sie sich beim Shoppen auf Amazon.

Schuldgefühle ändern Konsumentenverhalten (noch) nicht nachhaltig

Analog dazu, dass die Zahl der Konsumenten mit Schuldgefühlen mit abnehmendem Alter steigt, zeigt die Sitecore-Studie auf, dass mit abnehmendem Alter auch immer mehr Konsumenten ihre Einkäufe auf Amazon aufgrund moralischer Skrupel einschränken.  Bei den Babyboomern geben nur 25 Prozent an, sich einzuschränken, bei der Generation X sind es schon 36 Prozent, und besonders groß ist die “Amazon-Selbstgeißelung” bei den jüngsten Konsumenten, wo sich jeder Zweite zurücknimmt: 49 Prozent der Millennials und 53 Prozent der “Gen Z” schrauben ihre Einkäufe bei Amazon aufgrund von Schuldgefühlen zurück.

Im altersunabhängigen Durchschnitt fühlen sich 30 Prozent der Studienteilnehmer schuldig, wenn sie bei Amazon einkaufen, 40 Prozent der Konsumenten aus den USA “würden gerne ihre Amazon-Einkäufe reduzieren”, so die Ergebnisse der Umfrage. Dennoch gaben mehr als 68 Prozent aller Umfrageteilnehmer an, eine Amazon Prime-Mitgliedschaft zu haben. 54 Prozent aller Studienteilnehmer gaben darüberhinaus an, bei der Online-Suche nach Produkten sich zunächst über Amazon schlau zu machen und erst danach möglicherweise zu anderen Händlern wechseln – also sind die Schuldgefühle noch nicht groß genug, um das Konsumentenverhalten nachhaltig zu ändern.

Trotz Schuldgefühlen haben 68 Prozent der Befragten eine Prime-Mitgliedschaft

Laut Sitecore-Erkenntnissen sind es tatsächlich andere Faktoren, die Kunden dazu bringen, sich von Amazon abzuwenden. Die wichtigsten dieser sogenannten “Push”-Faktoren sind schlechte Qualität der Waren und nicht zufriedenstellende Angebote – je 21 Prozent der Befragten gaben an, aus diesen Gründen lieber andere Portale zu nutzen.

Anziehende – also “Pull”-Faktoren, mit denen andere Warenhäuser punkten können, sind für 38 Prozent besonders gute Angebote und Aktionen, ein unkompliziertes Einkaufserlebnis (42 Prozent) sowie die Lieferung noch am Tag der Bestellung (25 Prozent). “Für die Generation Z ist es verglichen mit älteren US-Amerikanern außerdem besonders wichtig, dass eine Marke ihren fairen Anteil an Steuern zahlt und zur Wirtschaft beiträgt (38 Prozent vs. 23 Prozent). Der Generation Z sei es auch wichtiger, dass die Arbeitspraktiken einer Marke fair sind und sie eine positive Erfolgsbilanz bei der Schaffung von Arbeitsplätzen hat (40 Prozent vs. 24 Prozent).

41 Prozent der Befragten der Generation Z meinen, dass sie zu anderen Versandhäusern wechseln würden, wenn diese ein ebenso angenehmes Einkaufserlebnis böten wie Amazon. 72 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben zum Zeitpunkt der Studie (während der noch der Lockdown in Kraft war und ein Einkaufen in Geschäften noch nicht möglich war) an, so bald wie möglich wieder in echten Geschäften einkaufen gehen zu wollen.

Sitecore prophezeit: "Das Blatt wendet sich für Amazon"

Auch wenn Amazon der große Gewinner der Lockdowns war, sieht Sitecore-CMO Paige O’Neill einen baldigen Wandel anrollen: “Die ‘Stay-at-home’-Ökonomie während der Pandemie ließ das E-Commerce […] im vergangenen Jahr um 18 Prozent wachsen, das ist das 18-Fache der regulären Wachstumsrate. Amazon verzeichnete besonders starke Zuwächse, aber das Blatt wendet sich. Es gibt einen Wunsch der jüngeren Generationen, sich von dem Giganten zu Gunsten anderer Einzelhändler wegzubewegen. Um jedoch zuzuschlagen und von der Amazon-Müdigkeit profitieren zu können, solange das Eisen heiß ist, müssen Marken und Einzelhändler starke Digital-Commerce-Erlebnisse bieten”, so die Marketingchefin von Sitecore.

Es bleibt also noch abzuwarten, ob sich Amazon in seiner absoluten Dominanzrolle halten kann oder dieser Status mit der Ablehnung der jüngeren Generationen langsam aber sicher zu bröckeln beginnt. Wenn man Sitecores Prognosen glaubt, dann ist jedoch nicht auszuschließen, dass es zu einer signifikanten Verschiebung im Machtgefüge des E-Commerce kommen wird und Amazons Konkurrenz erheblichen Aufwind bekommt.