Nahezu jeder Mensch in Österreich nutzt mittlerweile Electronic Banking. Online lassen sich Daueraufträge einrichten, Überweisungen tätigen oder Zahlungseingänge kontrollieren. Vor nicht einmal 100 Jahren bewegten wir uns bei Bankgeschäften in einer völlig anderen Welt. Es gab noch keinen Taschenrechner, alles wurdes schriftlich erfasst, notiert, abgestempelt. Als Kunde kam man nicht umhin, persönlich den Weg zur Bank auf sich zu nehmen. Das änderte sich allerdings auch nicht, als der Taschenrechner Ende der 1960-er Jahre den Rechenschieber ersetzte. Formulare, Vordrucke und Sparbücher nahmen viel Zeit in Anspruch, die „Geldgeschäfte“ mussten, angepasst an die Öffnungszeiten der Banken, geplant werden. Zudem waren die Banken immer wieder Ziele von Überfällen, da Geld bar hinterlegt wurde.

Den ersten vorsichtigen Schritt in Richtung Digitalisierung startete die deutsche Postbank 1983. Damals wurde mit Bildschirmtext gearbeitet. Die Technologie setzte sich aber nicht durch und wurde rund 20 Jahre später eingestellt. Ungefähr zum selben Zeitpunkt – 2015 – setzte sich die Etablierung von „Chief Digital Officer“ in den Chefetagen fest.

Mittlerweile hat sich das Onlinebanking Dank Internet durchgesetzt. Heute kann der Kunde überweisen, wann immer er Zeit hat. Basis dazu bilden Glasfasernetze oder mobile Übertragungstechniken. Die Banken begannen Rechenzentren aufzubauen, die tagtäglich ungeheure Daten- und Geldmengen durch technisch maximal abgesicherte Datenleitungen schicken. Auf der anderen Seite wurden Standorte geschlossen. So wurden zwischen Sommer 2020 und 2021 in Österreich 30 Kreditinstitute geschlossen. Im 2. Quartal 2021 verzeichnete die ÖNB einen neuen Tiefststand von 542 Instituten. Im Zentrum der Digitalisierungsbestreben steht also die Effizienzsteigerung, nicht der Kunde. „Kundenwünsche werden aber generell nicht ins Zentrum digitaler Weiterentwicklungen gestellt“, schrieb die FMA in einem Bericht 2019 mit dem Thema „Digitalisierung am österreichischen Finanzmarkt“.

Der Fintech Hype

Darum kümmert sich seit Jahren ein anderer Industriezweig. FinTechs, also Unternehmen, die Financial Services und Technologie miteinander verbinden, entstanden. Diese arbeiteten an neuen Kundenlösungen und agierten lange Zeit gegenüber den alteingesessenen Banken wie Schnellboote. Die Medien feierten diese neuen Unternehmen als die Treiber innovativer Ideen, die sich primär durch Prozessstraffungen, Produktivitätssteigerungen und Kostenreduktionen auszeichneten. Relativ schnell stellte sich allerdings heraus, dass gerade im Geldgeschäft Vertrauen eine wichtige Währung ist. Eine Währung, die FinTechs, die sich als Banken versuchten, nicht bieten konnten. Zudem kostete das Kaufen von Kuchenstücken, die größtenteils aber schon auf anderen Tellern liegen, viel Geld. Dementsprechend zaghaft war der Kundenansturm. Zeitgleich erkannten die Banken, dass eine Kooperation mit FinTechs für beide Seiten erfolgversprechend ist. Die Bank hat Kunden und Vertrauen, die FinTechs neue Lösungen, die Wettbewerbsvorteile durch neue Kundenangebote oder effizienzsteigernde Entwicklungen bringen könnte. Schnell waren Fintech-Beauftragte etabliert, deren Hauptaufgabe darin bestand, passende FinTechs und Technologien zu „scouten“. So gründen Banken heute eigene FinTechs, gehen Partnerschaften ein oder gründen spezifische Venture-Capital Fonds. Mittlerweile kooperieren mehr als die Hälfte der österreichischen Banken mit FinTechs. Digitalisierungswissen steht auch bei der Weiterbildung von Mitarbeitern hoch im Kurs, meldeten die Banken bereits 2019 an die FMA.

Schutz bieten jedenfalls die komplexen europäischen Regularien am Finanzsektor, sowie ein hochentwickelter Daten- und Konsumentenschutz. Diese Barrieren fördern zudem innereuropäische Entwicklungen. Die Konkurrenz aus Asien bleibt vorerst draußen, Ausnahme ist die digitale WeBank, eine Beteiligung des chinesischen Internetkonzerns Tencent.

Der COVID-19 Boost

Während der COVID-Pandemie wurden weite Teile der Bevölkerung erstmals wochenlang nahezu vollständig in die digitale Welt katapultiert. Analoge Waren wurden nicht nur digital bestellt, sondern auch elektronisch bezahlt. Das Internet wurde zur wesentlichen Handelsplattform. Funktionen wurden aufgerüstet, wie etwa das kontaktlose Zahlen mit der Kontokarte. Mit all diesen Aktivitäten stand auch das Thema Cybersecurity ganz oben auf der „To do-Liste“ der Banken. Dafür waren die Banken auch gut gerüstet, denn Digitalisierung und die damit verbundene Cybersicherheit waren auch im Jahr 2021 – wie bereits in den Jahren zuvor – Aufsichtsschwerpunkte von FMA und ÖNB.

Sicherheit ist allerdings nicht nur Thema der Banken, auch der Kunde muss seinen Beitrag im Sinne eines erhöhten Aufwands leisten. Seit 1. Jänner 2021 gilt die starke Kundenauthentifizierung für Zahlungen im Internet. Dazu müssen zwei von insgesamt drei Sicherheitshürden genommen werden: (1) Passwort, (2) Code oder PIN in Kombination mit einem Chip oder dem Smartphone oder (3) in Kombination mit Fingerabdruck oder Stimmerkennung.

Durch COVID wurde zudem die Digitalisierung interner Geschäftsprozesse forciert. Im Fokus war die Einführung digitalisierter Prozesse wie „Electronic Know Your Customer“ (eKYC), die Erfassung digitaler Signaturen, die Online-Einreichung von Dokumenten und im weiteren Zeitverlauf die digitale Abwicklung von „Corona“ Garantien und Krediten. Kundenorientierte Projekte sind kaum entstanden, insbesondere im Segment Big Data und Analytics stehen der Datenschutz und das Bankgeheimnis den Banken im Weg. Demzufolge sind nicht FinTechs die Konkurrenten für Banken, sondern globale Technologieunternehmen, die irgendwo in der Welt alle Daten sammeln, auswerten und dann gezielt auf den Kunden zugehen. Es sind Konzepte von Facebook und Google, die Banken zum Grübeln bringen.

Digitalisierung braucht Rückgrat

Eine funktionierende Digitalisierung braucht ein festes Rückgrat. Die wichtigsten Wirbel dazu sind ein gut ausgebildeter Nachwuchs und schnelle Leitungen. Der Nachwuchs ist leider dazu verdammt, sich seine Kompetenz selbst anzueignen. Zwar gibt es in der Theorie eine Digitalisierungsoffensive, diese ist aber von der Praxis noch weit entfernt. Lehrer greifen beim Hybridunterricht auf Privatlaptops zurück, da einst Schullaptops ohne Kamera gekauft wurden. Den Unterrichtsschwerpunkt Digitalisierung hat zwar das Bildungsministerium ins Leben gerufen, die Umsetzung allerdings im selben Moment an die Schulen delegiert. Zusätzliche Hilfsmittel, speziell ausgebildetes Personal, oder vorgedachte Schwerpunktthemen gibt es derzeit nicht. Allerdings bleibt noch Zeit, um die beabsichtigte Benchmark zu erreichen: Laut Acht-Punkte-Plan des Unterrichtsministeriums soll 2024 das digitale Lernen in den Schulen „gut“ verankert sein.

In den Ausbau der Leitungsinfrastruktur investieren neuerdings andere Unternehmen der Finanzbranche. So investiert der Münchner Versicherungskonzern Allianz mittels langfristiger Pensions- und Versicherungsgelder rund 2,5 Milliarden Euro in den österreichischen Glasfaserausbau. Bauen soll das Tochterunternehmer Österreichische Glasfaser-Infrastrukturgesellschaft (ÖGIG) insbesondere in den ländlichen Regionen Österreichs. Offensichtlich ist es aus Sicht des Versicherungskonzerns werthaltiger auf die Digitalisierung zu setzen, als langfristig in risikoarme Fonds zu investieren.

Zuviel Digitalisierung macht austauschbar

Dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack. Die Gebühren und Entgelte sind hoch wie nie. Die Banken erklären dem Kunden allerdings nicht warum. Der Kunde merkt lediglich, dass die Filialen weniger, die Mitarbeiter geringer und sein Eigenanteil an der Arbeit grösser wird. Durch diese Entwicklung laufen die „Publikumsbanken“ Gefahr, das Beratungsgeschäft auf der Strecke zu lassen und mittelfristig austauschbar zu werden. Manche versuchen deshalb einen anderen Weg. Die BKS Bank beispielsweise möchte nicht am Filialgeschäft rütteln. Denn dadurch besteht der Kontakt mit dem Kunden weiter. Reine Automatenfilialen werden als austauschbar wahrgenommen.

Kundenservices: Noch Luft nach oben

Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind bei den Kunden bisher kaum angekommen. Zwar sind Onlinekontoeröffnungen mittlerweile möglich, aber echte Durchbrüche wie beispielsweise eine sprachgesteuerte Interaktion ohne Tippen ist derzeit nicht im Einsatz und auch das maschinelle Lernen ist noch ausbaufähig. Die Verwendung der Website als Webshop ist ein oft verfolgter Ansatz, die Umsetzung führt allerdings oftmals zu unübersichtlich überladenen Websites. Man sollte meinen, dass diese mit besonderer Akribie gestaltet werden sollten, da die Websites im breiten Publikumsbereich vielfach eine wichtige Pre-Sales Funktion übernommen haben. Allerdings wo Schatten, da auch Licht, positiv erwähnenswert ist in diesem Bereich die Darstellung der Erstebank.

Live-Chats, Chatbots und Videokonferenzen wurden bereits 2019 von Banken als mögliches digitales Entwicklungsfeld genannt, getan hat sich dabei nicht viel. Tonangeber scheint aktuell die ERSTE Group zu sein. Bereits 2015 wurde mit der digitalen Internetbanking-Plattform George neue Maßstäbe im Banking gesetzt. Mittlerweile hat George rund 8 Millionen User in 6 Ländern. Auch in die digitale Bankberatung hat die ERSTE einiges investiert. Wer keine Zeit oder Lust hat, seinen Betreuer in der Bankfiliale aufzusuchen, kann jetzt auch im sogenannten „Remote-Beratungszentrum“ der Erste Bank ein Beratungsgespräch im eigenen Wohnzimmer führen, bis hin zum finalen Produktabschluss. Das Ganze ist damit viel mehr als nur ein simples Videotelefonat: In Studioqualität bringt die Erste Bank das Beratungsgespräch zu den Kunden nach Hause.

Branchenweit gesehen, führten allerdings selbst die Lockdowns nicht zu dem erwarteten „Durchbruch“ dieser Technologie, da die Institute geöffnet hatten und so kaum ein Druck beim Kunden entstand, sich mit den digitalen Möglichkeiten intensiver zu befassen. Alles in allem mangelt es den meisten Banken und deren FinTechs – vor allem aufgrund der dichten Regulatorik – an Innovationskraft. Zeitgleich haben Kunden das Gefühl bei steigenden Gebühren und Kosten alles selbst machen zu müssen. Diese Disharmonie trägt ein toxisches Gemenge in sich.

Denn Ärger macht Kunden veränderungsbereit, zumal der Bankwechsel massiv erleichtert wurde. Auf diese Kundenklasse zielen Internetbanken ab. Banken wie WeBank und N26, die sich so eine Kundenbasis insbesondere bei der kommenden zahlungskräftigen Generation schaffen. Um dieser Konkurrenz zu entgehen, schaffen sich Banken ihren eigenen Mitbewerb und gründen eigene Onlinebanken, wie etwa die Dadat.at, eine Marke der Schellhammer Capital Bank AG.

Zu sehr sollten Banken allerdings nicht auf die Digitalisierung bauen. Denn nach wie vor sind Geldangelegenheiten Vertrauenssache. Sich darauf auszuruhen, wäre allerdings riskant.

Auf Unions-Ebene bewegen sich die europäischen Banken bereits im Ruhemodus. Mit Hilfe der „Europäischen Bezahlinitiative“ sollte ein eigenes europäisches Zahlungssystem aufgebaut werden, eine Alternative zu US-Konzernen wie PayPal oder Visa. Bisher wurde allerdings nur geredet und vertagt. Hier wird gerade eine zukunftsträchtige Möglichkeit sinnvolle Digitalisierungskompetenz zu zeigen „aktiv Verschlafen“. Schade darum.