Alles begann am 11. Juli 2023. Eine Frau wurde mit sichtbaren Verletzungen, barfuß und weinend von einer Polizeistreife in Wien-Meidling auf der Straße aufgelesen. Sie berichtete, ihr wäre soeben die Flucht gelungen, nachdem sie von ihrem Ex-Freund drei Tage lang in dessen Wohnung gefangen gehalten und mehrfach missbraucht worden sei. Doch nun, am Montagabend wurde der angebliche Täter – ein bisher unbescholtener Mann (31) – am Wiener Landesgericht freigesprochen.

Anklage wegen Freiheitsentziehung und Vergewaltigung

Dem Mann war Freiheitsentziehung und Vergewaltigung angelastet worden. Die Staatsanwältin bezeichnete die inkriminierten Vorgänge als “absolut schauderhaft”. Die Frau (33) sei unter Zufügung besonderer Qualen ihrer Freiheit beraubt und in besonders erniedrigender Weise mehrfach vergewaltigt worden. “Es ist nichts von dem passiert, was sie schildert”, hielt dem der Angeklagte entgegen. Noch deutlicher wurde seine Verteidigerin Ina-Christin Stiglitz: “Es ist alles erfunden und erlogen.”

Ein Schöffensenat (Vorsitz: Stefan Huber) fällte nach einer langen Beratungszeit kurz vor 17.00 Uhr einen Freispruch, den die anwesenden Angehörigen des Angeklagten – darunter Vater und Bruder – mit lautstarkem Applaus quittierten. Der Freispruch sei im Zweifel erfolgt, erläuterte der vorsitzende Richter. Die Verantwortung des Angeklagten sei “alles andere als nachvollziehbar”. Das gelte jedoch auch für die Darstellung der Frau: “Die Angaben des Opfers sind in entscheidenden Passagen nicht nachvollziehbar.” Vor allem würden sich bei ihr festgestellte, objektivierte Verletzungen nicht mit ihren Beschreibungen zu den angeblichen Tatabläufen decken. “Dafür, dass es so wie sie sagt stattgefunden hat, gibt es Zweifel. Das Bild ist nicht schlüssig. Das passt für uns so nicht zusammen”, sagte der Richter. Wenn Aussage gegen Aussage stünde, sei im Zweifel zugunsten des Angeklagten vorzugehen.

Freispruch nicht rechtkräftig

Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Sie erbat jedoch eine Protokollabschrift mit den unter Wahrheitspflicht getätigten Angaben der Zeugin. Auf die Frau dürfte ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage zukommen. Strafdrohung: bis zu sechs Monate Haft. Ihr Ex-Freund wurde nach der Verhandlung enthaftet. Er war fast fünf Monate in U-Haft gesessen.

Sie sei nach dem Ende der Beziehung noch ein Mal in die Wohnung ihres Ex-Freundes gekommen, um persönliche Gegenstände abzuholen, hatte die Frau erklärt. Der Angeklagte habe sie dabei zu Boden geschlagen, überwältigt, mit den Haaren aufs Bett gezerrt und sie mit Kabelbindern an Händen und Füßen gefesselt und ihr den Mund verklebt, nachdem er ihr eine Schreckschusspistole in den Mund bzw. gegen die Schläfe gedrückt hatte, behauptete sie. Auch in der Nacht sei sie gefesselt geblieben. Erst am dritten Tag sei sie entkommen, indem sie dem Mann vormachte, ihn noch zu lieben ihn, worauf er Essen holen wollte. Diese Gelegenheit habe sie genutzt, um sich zu befreien und aus der Wohnung zu flüchten.

"Es gab keine Trennung", haben "eine schöne Zeit" verbracht

“Es gab keine Trennung”, versicherte dagegen der Angeklagte in seiner Einvernahme. Seine Freundin sei an den Tagen vor dem 9. Juli einfach verschwunden gewesen und habe ihm nicht verraten wollen, was ihr widerfahren sei, als sie mit deutlich sichtbaren Verletzungsspuren wieder bei ihm auftauchte. Er habe zu diesem Zeitpunkt schon von ihrer Tätigkeit als Prostituierte gewusst, zudem sei er davon ausgegangen, dass sie als Geldwäscherin für eine dubiose Gesellschaft gearbeitet habe. Die Wohnung habe man dann drei Tage nicht mehr verlassen und “eine schöne Zeit” verbracht: “Das war nichts Ungewöhnliches, dass wir drei Tage im Bett liegen, Film schauen, essen. Sie wollte sich ausruhen. Wir haben schöne Filme angeschaut, romantische Dramen.”

Wiederholt sei es auch zu Sex gekommen, auf Wunsch seiner Partnerin mit Fesselungsspielen und einem Elektroschocker: “Sie hat darauf bestanden, dass ich diese Praktiken ausübe. Das war in ihrem Interesse.” Er habe ihr diesen Wunsch erfüllt, obwohl er von BDSM grundsätzlich nicht halte, erklärte der Angeklagte mit Blick auf die dokumentierten, auf Fotos festgehaltenen Verletzungen der Frau im Gerichtsakt.

"Ich bin eine Gefahr für ihr Geschäftsmodell"

Auf die Frage, warum ihn die Frau belaste, erwiderte der Mann, er habe am Ende durchschaut, dass diese neben ihm parallel Beziehungen zu weiteren Männern unterhalten habe: “Ich bin eine Gefahr für ihr Liebesbeziehungsgeschäft. Anscheinend hat sie Angst bekommen, dass ich ihr Geschäftsmodell kaputt mache.” Er habe “ganz normal” Essen holen wollen, da sei sie barfuß auf die Straße gelaufen und habe zum Schein um Hilfe gesucht: “Das war eine Inszenierung. Sie wollte das dramatisieren.” Im Übrigen schulde ihm die Ex-Freundin noch rund 60.000 Euro, die er ihr geborgt habe.

Im Anschluss wurde das Video mit der im Ermittlungsverfahren kontradiktorisch vernommenen Frau teilweise abgespielt, der Rest wurde verlesen. Die Frau bestätigte zunächst, als Prostituierte tätig zu sein und auch in Salzburg und Klagenfurt Stammkunden zu betreuen. Mit dem Angeklagten habe sie “eine schöne, liebevolle, respektable Beziehung” gehabt: “Geliebt habe ich ihn nicht.” “Heimlich” und dann endgültig verlassen habe sie ihn aufgrund seiner Eifersucht und weil er einmal handgreiflich geworden sei. Das habe er nicht akzeptiert: “Er hat gesagt, ich kann ihn nicht verlassen.” Danach schilderte die Frau die von der Anklage umfassten Handlungen, wobei sie betonte, während ihres Martyriums mehrfach das Bewusstsein verloren habe. Der Angeklagte habe sie auch “eingeschüchtert”, indem er erklärte, er habe ihr “schon das Grab geschaufelt”.