In München hat am Donnerstag mit 45-minütiger Verspätung der Wirecard-Strafprozess um den mutmaßlich größten Betrugsfall in Deutschland seit 1945 begonnen. Dem früheren Wirecard-Vorstandschef, dem Österreicher Markus Braun, und seinen beiden Mitangeklagten wirft die Staatsanwaltschaft vor, eine kriminelle Bande gebildet, die Konzernbilanzen gefälscht und Kreditgeber um 3,1 Milliarden Euro geprellt zu haben.

Erlöse in Höhe von 1,9 Milliarden Euro unauffindbar

Vor der Insolvenz des Konzerns im Sommer 2020 hatte der Vorstand eingeräumt, dass Erlöse in Höhe von 1,9 Milliarden Euro unauffindbar waren, die aus Geschäften mit Partnerfirmen stammen sollten und angeblich auf Treuhandkonten in Südostasien verbucht waren. Ein großer Teil dieses Geschäfts mit Partnerfirmen lief über Dubai.

100 Verhandlungstage

Die vierte Strafkammer des Münchner Landgerichts hat 100 Verhandlungstage bis ins Jahr 2024 angesetzt. Für den ersten Tag ist im Wesentlichen die fünfstündige Verlesung des 89 Seiten umfassenden Anklagesatzes eingeplant.

Braun weist Vorwürfe zurück

Absehbar sind schon vor Prozessbeginn einander widersprechende Aussagen der Angeklagten: Ex-Vorstandschef Braun weist die Vorwürfe zurück. Braun war nach eigener Aussage nicht beteiligt und wurde selbst Opfer krimineller Machenschaften in seinem Unternehmen. Oliver Bellenhaus hingegen, der mitangeklagte frühere Leiter der Wirecard-Tochtergesellschaft in Dubai, dient der Staatsanwaltschaft als Kronzeuge. Bellenhaus will laut Verteidigung kooperativ aussagen und sich seiner Verantwortung stellen. Beide sitzen in Untersuchungshaft. Der dritte Angeklagte ist der frühere Chefbuchhalter des Wirecard-Konzerns. Er wird im Gerichtssaal voraussichtlich die Aussage verweigern.

Abgeschlossen sind die Wirecard-Ermittlungen längst nicht, auch wenn nun der Prozess beginnt. Flüchtig ist nach wie vor der frühere Vertriebschef Jan Marsalek (Maršálek), eine weitere Schlüsselfigur. Es wird vermutet, dass der Österreicher in Moskau untergetaucht ist.