Europas Energie-Krise hat existenzielle Folgen für Europas Wirtschaft. „Für die Unternehmen in der Union, die seit Jahrzehnten unter hohen Abgaben, planwirtschaftlichen Eingriffen und Überregulierung leiden, kommt es damit zu einer weiteren Belastung“, unterstreicht Monika Köppl-Turyna, Leiterin des Forschungsinstituts EcoAustria. Damit wird Europa einmal mehr weniger attraktiv für Unternehmen, und das werde die EU „wohl weiter im internationalen Konzert zurückwerfen“.

Der Kommentar, den die Wirtschaftsforscherin in „Pragmaticus“ verfasst hat, ist gespickt mit scharfen Spitzen gegen die Wirtschaftspolitik der EU. Die gegenwärtige Teuerungskrise könnte auch einen Innovationsschub auslösen, wie Köppl-Turyna deutlich macht. Dann wäre es nicht das erste Mal, dass eine Volkswirtschaft gestärkt und mit mehr Wohlstand aus einer schweren Krise hervorgeht. Eine zentrale Frage ist nur: Wird das die EU zulassen?

„Falsche Regulierungen, mangelhafte Infrastruktur, institutionelle Barrieren“

Um die jetzige Krise zu meisten, sei „eine konsequente Abkehr von vielen liebgewonnenen Gewohnheiten in der EU“ nötig, sagt die Wissenschaftlerin: „Deregulierung statt Bürokratie, Integration statt Abschottung, Entlastung statt neuer Abgaben. Wirtschaft darf nicht zentral gesteuert werden, wenn sie langfristig erfolgreich sein soll. Technologieoffenheit und Vertrauen in die Innovationskraft der Bürger und Unternehmen, gute Rahmenbedingungen für ein Umfeld, in dem Besseres entstehen kann, sind gefragt“.

Schon vor der Energiekrise machten europäischen Unternehmen etliche Belastungen in der EU zu schaffen – mit Nachteilen gegenüber den USA und Asien. Die „EU bleibt unter ihren Möglichkeiten dank ineffizienter Finanzstrukturen, falscher Regulierungen, mangelhafter Infrastruktur, institutioneller Barrieren und verkrusteter Märkte. Der Fachkräftemangel setzt Unternehmen zusätzlich unter Druck und verursacht weitere Umsatzeinbußen.“

Beispiellose Teuerung – nur in Europa

Auch beim Klimaschutz werde Europa kein Vorbild sein, wenn es im Rahmen des Green Deals ein drastische Senkung der CO2-Emissionen beschließt, dabei aber gleichzeitig seine Wirtschaft an Kraft verliert.

Nun, angesichts des Ukraine-Kriegs, wird es für Europe definitiv brenzlig. Nüchtern listet die Top-Ökonomin auf: „Nickel ist nun um etwa 15 Prozent teurer als zu Beginn des Jahres, Weizen um mehr als 20 Prozent. Der Preis für verschiedene Düngemittel hat sich vervielfacht. Noch dramatischer sind die Preise für Erdgas und der damit verbundene Strompreis. Während bis Mitte 2021 eine MWh Gas etwa 20 Euro gekostet hat, lag der Preis am sogenannten Day-Ahead-Market Ende Juli bei mehr als 220 Euro – das Zehnfache.“

Keine moderne Volkswirtschaft kommt ohne günstige Energie aus

Auch die elektrische Energie ist teurer geworden: Im Schnitt der letzten Jahre zahlten Unternehmen in Österreich an der Börse etwa 50 Euro für eine MWh elektrischer Energie, derzeit liegt der Basispreis bei fast 500 Euro“. Besonders fatal für Europa: Die Preise auf anderen Märkten sind „längst nicht so stark gestiegen“.

Die Geschichte lehrt: „Keine moderne Volkswirtschaft kommt ohne günstige Energie aus. Das Vereinigte Königreich hat die industrielle Revolution für sich entschieden, weil man dort Zugang zur billigen Kohle hatte.“

Massiver Ausbau der Netzkapazitäten wäre notwendig

Insofern sei es durchaus sinnvoll, in erneuerbare Energieträger zu investieren, die günstiger sind, sprich: Offshore-Anlagen an der Nordsee und Photovoltaik-Ausbau in den südlichen Regionen Europas. „Die so gewonnene Energie müsste mit hochpotenten Leitungen durch den Kontinent geleitet und Elektrizitätsmärkte weiter integriert werden. Dafür braucht es allerdings einen massiven Ausbau der Netzkapazitäten. Bisher wurde das unterlassen.“ Protektionismus belaste den Energiesektor zusätzlich. Es brauche „die Freiheit der Energiemobilität“.

Planvorgaben der EU zur Senkung von CO2 sind sinnlos und schädlich

Die aktuellen Energiepreise böten ohnehin einen hohen Anreiz zur CO2-Reduktion. „Warum sich die EU trotzdem dafür entschieden hat, die aufwendige sogenannte Taxonomie einzuführen, mit der öffentliche und private Finanzströme in CO2-neutrale Investitionen gelenkt werden sollen, ist nicht nachvollziehbar.“

Auch planwirtschaftliche Verbote würden nicht weiterhelfen. „Sogar ein Verbrennungsmotor kann sich zu einem umweltfreundlichen Produkt entwickeln, wenn man es zulässt.“ Bestehende Potenziale ließen sich leichter in neue Produkte in derselben Gruppe umwandeln.

Gemäß den jetzigen EU-Vorgaben müssen ganze Industriezweige de facto geschlossen werden. Das werde nicht hilfreich sein. „Es wäre vorteilhaft, sich auf die Bemühungen der deutschen Automobilindustrie um einen grünen Wandel zu konzentrieren, Lücken in Bezug auf entsprechende Technologien in der Automobilindustrie zu schließen und alte Nachteile in neue Vorteile zu verwandeln. Dies kann aber nicht geschehen, wenn man ganze Industriezweige ex lege einfach schließt.“