Österreich könnte – und sollte – das Bargeld besser schützen als bisher, und zwar in seiner Verfassung. Das sagt der deutsche Bargeld-Experte Norbert Häring (60). Vor allem müssten künftig alle „Abgaben und Gebühren“ bei staatlichen Stellen „mit Euro-Bargeld bezahlt werden können“.

Es wäre eine wichtige Verbesserung. Sie würde einer Abschaffung von Cash vorbeugen. Härings Anregung könnte wertvoll sein.

Die Österreichischen Nationalbank stellt sich hinter das Anliegen, Bargeld in der Verfassung zu sichern.APA/TOBIAS STEINMAURER

Spott und scharfe Kritik in Medien und Politik über Österreichs Vorhaben

Sinnlos, möglicherweise schädlich, auf jeden Fall lächerlich: Als Bundeskanzler Nehammer und Finanzminister Brunner (beide ÖVP) im August die geplante Sicherung des Bargelds in der Verfassung ankündigten, war der Spott bei einigen Medien und Politikern enorm. Erstens werde nur von unseriösen Verschwörungstheoretikern Angst vor einer Abschaffung des Bargelds geschürt, zweitens sei Cash seit 1999 bereits in den bestehenden EU-Verträgen geschützt, drittens habe Österreich als nationaler Staat überhaupt nicht die Kompetenz für eine solche Schutzvorschrift; zuständig sei hier ausschließlich die EU.

Kurz: Die Ängste der Österreicher und die Verfassungspläne der Regierung seien „populistischer Quatsch“ (eine österreichische Tageszeitung), „absoluter Blödsinn” (EU-Abgeordneter Othmar Karas), ein „Wahlkampfgag“ (Verfassungsjurist Heinz Mayer in der „Krone“).

Populismus und das Schüren von Ängsten warf EU-Abgeordneter Othmar Karas (Bild) der Regierung vor. Niemand wolle das Bargeld abschaffen.

Nationalbank-Chef: Es braucht eine Nachschärfung

Näher besehen stimmt das nicht. Dass die bisherige Sicherung ungenügend ist, darauf wies zunächst Nationalbank-Chef Robert Holzmann hin: „Im EU-Recht ist nicht geregelt, ob das Bargeld als Zahlungsmittel angenommen wird. Da braucht es eine Nachschärfung“, erklärte er gegenüber der „Krone“. In den Niederlanden nähmen zwölf Prozent der Apotheken kein Bargeld mehr an. „Wehret den Anfängen“, warnte Holzmann. Überdies müsse Bargeld auch verfügbar sein – etwa durch Bankautomaten.

Österreichs Nationalbank-Gouverneur Holzmann sieht Bargeld durch EU-Recht nicht hinreichend geschützt.

Es gibt Löcher im EU-Recht, die Österreich stopfen könnte

Allerdings bleibt die Frage bestehen, ob Österreich wirklich Substanzielles zum Schutz des Bargeldes leisten kann. In Konflikt mit dem europäischen Recht geriet etwa in Deutschland § 14 des Bundesbankgesetzes: Gemäß dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) war der Paragraph, in dem Bargeld zum alleinigen gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt wurde, unzulässig. Er greife nämlich in EU-Kompetenzen ein.

Doch es gibt Lücken im europäischen Recht. Kaum einer weiß das besser, als der deutsche Bestseller-Autor und Wirtschaftsexperte Norbert Häring (60). Wie er auf seinem Blog (norberthaering.de) aufzeigt, ist Bargeld zurzeit keineswegs hinreichend durch das EU-Recht geschützt. Im Übrigen gibt es Möglichkeiten, die bestehenden Löcher zu stopfen, und zwar auf nationaler Ebene, ohne dabei in Widerspruch zu geltendem EU-Recht zu geraten.

Martin Selmayer (Bild), der ständige Vertreter der EU in Österreich, preschte auf X (Twitter) vor: „Der Euro unterliegt allein der Gesetzgebungszuständigkeit der EU“. Und: „Die EU garantiert bereits seit 1999 das Bargeld“. Folglich könne „eine nationale Regelung (sofern sie überhaupt europarechtlich zulässig wäre) inhaltlich zum Schutz des Euro-Bargeldes wenige Neues beitragen".APA/TOBIAS STEINMAURER

Die EU erlaubt eine Abschaffung von Bargeld-Zahlungen gegenüber Staaten

Der mehrfach ausgezeichnete Wirtschaftsjournalist und promovierte Volkswirt hat sich mit Gefahren für das Bargeld bereits in Büchern befasst, darunter „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen: Der Weg in die totale Kontrolle“. Worauf man bei der Debatte leicht vergisst: Es geht nicht nur um Geschäfte, Kinos etc., die zur Annahme von Bargeld verpflichtet werden sollen. Daneben gibt es auch den Staat, seine Verwaltung und staatsnahe Unternehmen. Hier stellt es die EU jedem Mitgliedsstaat tatsächlich frei, ob er sich selbst zur Annahme von Bargeld verpflichtet, oder das per Gesetz verbietet.

Zweiteres wäre grundrechtlich eigentlich problematisch: Alle könnten dann zur Annahme von Cash gezwungen werden – nur nicht der Staat selbst.

Norbert Häring weiß aus eigener Erfahrung, wovon er spricht. Er hat in Deutschland das Recht eingeklagt, seinen Rundfunkbeitrag bar auszuzahlen. Das Verfahren endete beim Europäischen Gerichtshof. Der entschied 2021, „dass EU-Mitgliedstaaten ihren Behörden erlauben dürfen, die Annahme von Bargeld zu verweigern. Sie dürfen aber auch Gesetze haben oder erlassen, die Behörden zur Annahme von Bargeld verpflichten.“

Zuvor hatte der Hessische Rundfunk dem Bargeld-Experten verwehrt, seinen Rundfunkbeitrag mit Bargeld zu bezahlen.

Norbert Häring (60) befasst sich schon seit vielen Jahren mit Gefahren für das Bargeld.

Norbert Häring sieht einen wichtigen Freiraum für substanzielle Maßnahmen

Fazit: Nach wie vor entscheiden die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten „über die Modalitäten der Begleichung von Geldschulden“.

Österreich müsste seine Verfassungsänderung also richtig formulieren, um nicht in Konflikt mit europäischem Recht zu geraten. Norbert Häring stellt klar: „Was nach dem Urteil des EuGH problemlos möglich sein sollte, wäre eine Verfassungsvorschrift, die alle öffentlichen Stellen und wohl auch alle Unternehmen in mehrheitlichem öffentlichen Besitz verpflichtet, Bargeld anzunehmen, ohne damit irgendwelche Nachteile für die Zahler gegenüber anderen Zahlungsmitteln zu verbinden. Das gilt sowohl auf Bundesebene, als auch auf Landesebene.“

Dass die Sicherung des Bargelds rechtsextrem sei, sorgte bei Norbert Häring für Kopfschütteln

Überdies könnte man auch „einzelnen Gläubigern vorschreiben, aus Gründen des öffentlichen Interesses, Bargeld anzunehmen. Das Interesse könnte zum Beispiel im Schutz derer liegen, die kein Konto haben“. Somit sei es möglich, „durch nationale Gesetze oder Verfassungszusätze für grundrechtsrelevante Sektoren, wie öffentliche Verkehrsmittel, Apotheken, Postämter, Supermärkte, Parkhäuser, Wasser- und Energieversorger, Mautstraßen etc., eine Bargeldannahmepflicht aufzuerlegen.“

Eine solche Regelung gelte dann „der Wahrung von Rechten, wie der Teilhabe am öffentlichen Leben auch ohne Konto, auf Gesundheit oder auf Schutz der Privatsphäre.“

Unverhältnismäßige Kosten würden nicht entstehen. „Es gibt Dienstleister, die die Bargeldannahme im Auftrag effizient und für kleines Geld übernehmen.“