„Fauda“ heißt auf Arabisch so viel wie „Chaos“ und ist ein Notsignal für eine scheiternde Militäroperation. Avi Issacharoff (50) ist Co-Autor der israelischen Erfolgsserie „Fauda“. In ihrem Zentrum steht Doron Kabillio, der einer israelischen Undercover-Einheit („Mista’aravim“) angehört. Getarnt als Araber begibt er sich in Palästinensergebiete, liefert sich dort Schießereien mit Terroristen, rettet und verliert beste Freunde, verliebt sich, überschreitet Grenzen, zieht Unschuldige in den Anti-Terror-Krieg hinein. Der explosive Mix sorgt für Spannung pur.

Avi Issacharoff ist Co-Autor des israelischen TV-Dramas „Fauda“.APA/AFP/JACK GUEZ

In „Fauda“ kann man den Nahostkonflikt aus nächster Nähe miterleben. Vier Staffeln sind seit 2015 entstanden, alle sind auch auf Netflix zu sehen. Bei Publikum und Kritikern ernteten sie teils hymnische Rezension. Aus dem israelischen Überraschungserfolg wurde mittlerweile ein internationaler Serien-Hit, der sogar im Libanon in den Netflix-Charts auf Platz 1 landete.

Avi Issacharoff hat das Drehbuch gemeinsam mit Lior Raz (51) geschrieben, der auch die Hauptrolle spielt. Beide Autoren waren früher selbst in militärischen Spezialeinheiten tätig. Issacharoff arbeitet ansonsten als Journalist, und ist Kommentator und Korrespondent für „Times of Israel“ und „Haaretz“. Im Interview mit dem eXXpress erzählt er, wie „Fauda“ entstanden ist, warum ihm Realismus so wichtig, weshalb er niemals mit diesem Erfolg gerechnet hat, und welchen Preis man für den Kampf gegen Terror im Nahen Osten zahlen muss.

„Wir dachten zuerst nicht, dass Israelis eine solche Serien sehen möchten“

Wie ist die Idee zu „Fauda“ entstanden?

Es begann mit einer zufälligen Begegnung zwischen Lior Raz und mir im Jahr 2010 an einem Abend im Reservedienst. Israelische Männer werden einmal im Jahr für drei Wochen zum Militärdienst einberufen. Bei dieser Gelegenheit trafen wir uns und begannen uns über die Idee auszutauschen, eine TV-Sendung über unsere militärischen Erfahrungen zu machen.

2017 in Tel Aviv: Ein Plakat wirbt für die neue Staffel.APA/AFP/JACK GUEZ

An welches Publikum haben Sie damals beim Entwickeln dieser Serie gedacht? An ein israelisches?

Wir haben zunächst nicht wirklich damit gerechnet, dass irgendjemand in Israel die Serie sehen würde. Wir dachten nicht, dass Israelis eine Sendung über den israelisch-palästinensischen Konflikt sehen möchten, noch dazu in der Hauptsendezeit. Sie würden das eher langweilig finden, dachten wir. Diesen großen Erfolg in Israel – geschweige denn außerhalb davon – hatten wir nicht erwartet.

„Wir erzielten zahlreiche Reaktionen aus dem Libanon“

Als Sie mit den Dreharbeiten für die erste Staffel begonnen haben, hatten sie noch ein sehr geringes Budget.

Auch die zweite, dritte und vierte Staffel wurden mit einem sehr begrenzten Budget produziert.

Die letzte Staffel war sogar im Libanon ein großer Erfolg. Hat Sie das überrascht?

Sowohl die dritte, als auch die vierte Staffel waren im Libanon sehr erfolgreich. Bei der vierten Staffel war ich nicht mehr so überrascht, aber bei der dritten Staffel schon sehr. Sie war die Nummer eins auf Netflix im Libanon. Als wir auf die vierte Staffel zusteuerten, war uns schon klar, dass „Fauda“ dort sehr erfolgreich werden würde.

Das Autoren-Duo: Lior Raz (l.) und Avi Issacharoff (r.).APA/AFP/JACK GUEZ

Haben Sie Reaktionen aus dem Libanon erhalten?

Leute aus dem Libanon haben sich in den sozialen Netzwerken zu Wort gemeldet. Manche mochten die Serie, andere nicht.

„Fauda“ ist aus israelischer Perspektive erzählt.

Ja, und trotzdem gab es sehr positive Reaktionen.

„Ich möchte meine persönlichen Erfahrungen einbringen“

Einerseits befassen Sie sich mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt als Journalist, andererseits entwickeln sie als Drehbuchautor fiktive Handlungen und Charaktere. Ist das eine Herausforderung?

Ich versuche, „Fauda“ so realistisch wie möglich zu gestalten. Als wir uns die Handlung von Staffel vier ausgedacht haben, dachten wir nicht, dass wir sie später vor Ort erleben würden, dass ihr Inhalt so real werden würde. Was in dieser Staffel geschieht, das ist am Ende des Tages tatsächlich passiert.

Als Journalist und Analyst versucht man auf jeden Fall, ein realistisches Szenario zu entwerfen. Und ich will meine persönlichen Erfahrungen in der Serie einbringen,

„In einer Kriegssituation muss man manchmal über seine Grenzen hinausgehen“

„Fauda“ zeigt auch die großen Herausforderungen, die mit der Zugehörigkeit zu einer solchen Spezialeinheit einhergehen. Sie waren als junger Mann ebenfalls Teil einer Spezialeinheit, haben sie aber dann verlassen. War es Ihnen zu viel?

Es war eine andere Einheit als in „Fauda“, in der ich gedient habe, sie gehörte zur Armee. Ich war sehr jung. Nach mehr als drei Jahren hatte ich das Gefühl, dass es für mich genug war. Für mich war es genau der richtige Zeitpunkt, mich zurückzuziehen.

Die Arbeit für die verdeckt agierende Spezialeinheit Mista’aravim kann auch für Familienangehörige sehr belastend sein. Die Ehe des Hauptprotagonisten von „Fauda“ zerbricht. Er befindet sich oft in Extremsituationen, muss an seine Grenzen gehen und darüber hinaus. Ist das in der Realität so?

Ja, solche Menschen gehen bis an ihre Grenzen und darüber hinaus. Manchmal, wenn man sich in einer Kriegssituation befindet, ist das die einzige Möglichkeit, die man hat.

„Beim Kampf gegen den Terror werden manchmal auch Unschuldige getroffen“

Wie reagierten die israelische Polizei und das Militär auf „Fauda“?

Ich denke, die Reaktionen waren letztendlich ziemlich positiv. Ich weiß, dass mittlerweile viele junge Leute, die kurz vor der Rekrutierung zur Armee stehen, wegen „Fauda“ zu den israelischen Undercover-Einheiten gehen wollen.

Wie erfolgreich ist der Anti-Terror-Kampf? Die Botschaft von Staffel 3 hat eine gewisse Ambiguität, könnte man meinen. Auf der einen Seite kann die Mista’aravim-Einheit einen Hamasführer im Gazastreifen brechen und zur Weitergabe von Informationen bringen. Andererseits zieht Doron Kavillio durch seine Undercover-Tätigkeit im Westjordanland, wo er sich als Boxlehrer ausgibt, einen jungen Palästinenser in diesen Krieg hinein. Der junge Mann hatte zunächst kein Interesse am Konflikt mit Israel, doch nachdem er ohne seine Schuld Teil davon wurde, bekämpft er am Ende erst Recht Israel.

Das ist es, was wir zu zeigen versuchten: Dass es einen Preis hat, diesen Krieg zu kämpfen, den Terror zu bekämpfen. Manchmal werden auch Unschuldige getroffen. Und selbst die Unschuldigen bleiben dann nicht unschuldig wegen dem, was wir ihnen in diesem Krieg antun. Menschen werden unfreiwillig in diesen Konflikt hineingezogen.