Viele Menschen meiden Zahnärzte wie der Teufel das Weihwasser – und der allgemeine Widerwille ist durchaus verständlich: das irritierende Geräusch des Bohrers, das Herumfuchteln fremder Hände im Mund, die Schmerzen. Die Patienten von Lionel Guedj, einem Dentisten im französischen Marseille, können da ein besonders schauerliches Lied singen. Für Guedj gab es nur eine Methode: Möglichst viele Zähne abtöten und diese dann überkronen. Dem Zahnarzt ging es dabei einzig und allein ums schnelle Geld.

Guedj mauserte sich wohl zum bestbezahlten Zahnarzt Frankreichs

Sein Kalkül ging anfangs auch auf. Nachdem er 2005 seine Praxis im Norden von Marseille eröffnet hatte, empfing er wie am Laufband bis zu 70 Patienten am Tag.  Bereits fünf Jahre später war er mit einem Monatseinkommen von bis zu 80.000 Euro der wohl bestbezahlte Zahnarzt in Frankreich. Jedoch ging er wie ein Kurpfuscher vor. Seine Operationen führte er schnell und fahrlässig aus. Oft manipulierte er auch Röntgenbilder. Viele Patienten klagten nach ihren Behandlungen über Entzündungen, Abszesse, Geschwüre, schlecht sitzenden Zahnersatz und Mundgeruch.

Guedj richtete bei seinen Patienten Verstümmelungen anLibération/Olivier Monge

Der Zahnarzt versprach seinen Opfern das Lächeln von Filmstars

Das Beispiel Sarahs sticht hierbei besonders heraus. Das 18-jährige Mädchen kroch buchstäblich auf dem Zahnfleisch, nachdem Guedj ihr auf den Zahn gefühlt und sie davon überzeugt hatte, ihr sämtliche Zähne zu reißen. Sein verlockendes Versprechen: Mit dem teuren Zahnersatz würde sie ein Lächeln von Filmstars und nie wieder Zahnprobleme haben. Sie ging ihm wie viele andere Patienten auf den Leim. Heute sagt sie: „Mir wurde spät klar, dass man sich mit 18 nicht 24 Zähne ziehen lässt.“

Guedj zu seinen Patienten: „Ich habe zu Ihrem Wohl gehandelt“

Obwohl er sich laut Mitarbeitern für unangreifbar hielt, wurde der Zahnarzt nun rechtlich zur Rechenschaft gezogen. Ein Gericht in Marseille verhängte eine Haftstrafe von acht Jahren über Guedj, der von seinen Patienten als „Schlächter“ und „Betrüger“ bezeichnet wird. Vor Gericht bat Guedj sie um Entschuldigung. Er betonte aber, dass er zu ihrem Wohl handeln wollte. Überzeugt hat er sie nicht. Nachdem das Urteil verkündet wurde, brach im Gerichtssaal tosender Beifall aus.

Guedj hantierte wie ein Kurpfuscher in den Mündern seiner Patienten