Prozessstart in Leoben (Stmk): Fünf großteils leitende Angestellte müssen sich wegen vorsätzlicher Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten verantworten. Schuldig fühlte sich keiner der Angeklagten, zwei verweigerten die Aussage.

Ab November 2020 waren im Pflegeheim Tannenhof 18 Menschen an oder mit Covid-19 gestorben, insgesamt waren durchschnittlich 50 Bewohner in der Einrichtung untergebracht. Wegen Personalmangels musste schließlich sogar das Bundesheer aushelfen. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, dass sie “teils durch Unterlassung von Schutzmaßnahmen, teils durch Erteilung von Weisungen, dass nicht mehr zwischen positiv auf SARS-CoV-2 und negativ auf SARS-CoV-2 getesteten Bewohnern unterschieden werde”, Handlungen begangen hätten, die zur Verbreitung der ansteckenden Krankheit geführt haben sollen.

Anwalt bezweifelte Wirksamkeit von FFP2-Maske und Tests

Schweigsam gaben sich auch der Erst- und der Drittangeklagte, die der Geschäftsführung angehört hatten, sie wollten keine Angaben machen. Sehr wortreich führte dagegen der Verteidiger der beiden Männer aus, dass die Medien an allem schuld seien. “Durch die Medien wird Druck erzeugt, deswegen sitzen wir hier”. Er sei überzeugt, “der wahre Grund, warum wir hier sind, ist, dass wir Corona medial aufarbeiten”. Dass so viele Menschen in dem Heim gestorben seien, habe verschiedene Ursachen, aber “die Schuld bei den Angeklagten zu suchen, ist extrem falsch”. Der Strafantrag gründe auf dem Gutachten einer Sachverständigen, die seinen Ausführungen nach befangen sei, da sie in einem Konkurrenzunternehmen arbeiten würde.

Sehr ausführlich äußerte sich der Anwalt des zweiten Beschuldigten. Er beklagte, dass “keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die gegen gewisse Narrative verstoßen, überhaupt zugelassen werden”. Was er damit meinte, wurde klar, als er die Aussagekraft von PCR-Tests zum Nachweis einer Infektion und die Wirksamkeit von FFP2-Masken zur Eindämmung der Ansteckung anzweifelte. Dem Pflegeheim wurde auch vorgeworfen, die Quarantänebestimmungen nicht genau eingehalten zu haben. Es habe sich nicht um Quarantäne, sondern um Isolation gehandelt, und “es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse, dass Isolation schädlich ist”. Schuld an den Vorfällen seien die gewesen, “die keine Norm geschaffen haben, die keine Check-Listen zur Verfügung gestellt haben”, wetterte der Verteidiger, der von einer “Zeit der echten Unwahrhaftigkeit” sprach.

Lage im Altersheim "sehr angespannt"

Die Anwältin der Pflegedienstleiterin sah ihre Mandantin als “Bauernopfer, das vorne hingestellt wurde”. Die Frau habe die Missstände wie unzureichende Schutzkleidung und mangelnde Desinfektion der Krankenzimmer sehr wohl erkannt, aber “sie hatte diesbezüglich keine Kompetenz”. Die Situation im Pflegeheim sei “sehr angespannt” gewesen. “Meine Mandantin hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles getan”, betonte die Anwältin. Auch der fünfte Angeklagte verwies darauf, dass er gar nicht die Kompetenz gehabt hätte, etwas zu ändern, daher fühle er sich auch nicht schuldig.

Die hygienischen Zustände in dem Heim dürften zu dieser Zeit insgesamt nicht einwandfrei gewesen sein: Die Richterin erwähnte in ihrer Befragung etwa Mäusekot, Spinnweben und klebrige Türschnallen bei Patientenzimmern. “Haben Sie das weitergemeldet?”, fragte die Vorsitzende. Ja, so der Beschuldigte, doch es habe keine zusätzliche Hilfe gegeben und auch kein explizites Hygienekonzept. Die Pflegedienstleiterin hatte versucht, mit einem Konzept aus einer anderen Einrichtung die nötigsten Punkte abzudecken.

Zum Prozess, der auf vorerst elf Tage anberaumt ist, waren alle pünktlich erschienen, Zuschauer gab es nur wenige. Die Staatsanwältin beschränkte sich zu Beginn auf den Satz, sie verweise auf den Strafantrag, weitere Ausführungen gab es nicht, womit nicht alle Verteidiger einverstanden waren. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt, nach der Befragungen der Angeklagten sollen zahlreiche Zeugen gehört werden.