Der erste Revolutionstag endet in der Kaiserstadt Wien mit einem Knalleffekt. Am 13. März 1848 stürmen zuerst bewaffnete Aufständische das Ständehaus. Noch am selben Abend tritt der 74-jährige Staatskanzler Clemens Fürst Metternich (1773-1859) zurück und flieht nach England. Es war das abrupte Ende einer fast 40-jährigen Politik-Karriere: Seit 1809 war Metternich der Außenminister des Kaisertums Österreich gewesen, ab 1821 noch zusätzlich dessen Staatskanzler. Doch nun wurde er zur verhassten Symbolfigur der Restaurationsepoche. „Versink, versink in ewige Nacht, Du längst versunknes Herz!“, ruft ihm der Dichter Hermann Rollett in dem Gedicht „Metternichs Linde“ nach.

Die berühmte Rede eines jungen Liberalen

Berühmt wird die Revolutionsrede des jungen Arztes und Politikers Adolf Fischhof am selben Tag: „Eine übelberatene Staatskunst hat die Völker Österreichs bisher auseinandergehalten; sie müssen sich jetzt brüderlich zusammenfinden und ihre Kräfte durch Vereinigung erhöhen.“

Den liberalen Vorkämpfer Adolf Fischhof (1816-1893) bezeichnete der Ökonom Ludwig von Mises als „fähigsten und reinsten aller österreichischen Patrioten“.public domain

Schon am 15. März macht Kaiser Ferdinand I. erste Zugeständnisse und verspricht eine neue Verfassung. Doch da beginnt schon der ungarische Aufstand. Auch andere Städte der Monarchie wie Venedig und Prag werden von den Unruhen erfasst.

Dass sich die Lage am 13. März so schnellt erhitzt hatte, war zunächst keineswegs absehbar gewesen. Denn eigentlich herrschte bei der Demonstration zu Beginn eine „relativ konservative Stimmung“, wie Lothar Höbelt im Gespräch mit dem eXXpress festhält. Sie richtete sich ja an die Stände, den konservativen Adel, der noch Mitspracherechte hatte. Man richtete ihm aus: Ihr könnt noch etwas tun. „Eskaliert ist die Situation vor allem deshalb so leicht, weil es keine Ordnungsmacht gab. Die Armee konnte ja nicht Straßenpolizei spielen.“ Wie bereits in Teil 1 und Teil 2 festgehalten: Dem Metternichschen Polizeistaat fehlte die Exekutive.

Die Studenten ergreifen das Wort

Die Wortführer waren – wie so oft bei Unruhen – Studenten und Jungakademiker: „Sie sind dafür prädestiniert“, sagt Höbelt. „Einerseits haben sie den Anspruch zu den Eliten zu gehören, andererseits tun sie das noch nicht. Sie sind relativ arm und haben daher soziales Empfinden.“ Die Studenten nützten die Unruhesituation aus, und das herrschende Regime gab sofort nach. Das Bürgertum sei in großen Teilen hingegen nicht revolutionär gewesen. „Es versuchte eher zu retten, was zu retten ist.“

Der History Channel:
So aktuell kann Geschichte sein

Den Arbeitern und Landarbeitern war aber vollkommen egal, wer regiert, sagt Höbelt: „Die Armen spielen bei Revolutionen eine vernachlässigbare Rolle. Nur wenn die Herrschaft zusammenbricht, kommen sie hervor und plündern.“

Andere Fronten im turbulenten Herbst

Turbulent und blutig verläuft der Herbst. Beim Wiener Oktoberaufstand meutern aufständische Truppenteile. Doch beim Einmarsch der kaiserlichen Truppen am 31. Oktober müssen die Aufständischen kapitulieren. Fazit: Rund 2000 Tote, zahlreiche Verwüstungen und Hinrichtungen der wichtigsten Anführer. Der politisch unfähige Kaiser Ferdinand I. dankt ab, sein junger, im Volk noch höchst unbeliebter Neffe Kaiser Franz Joseph I. besteigt den Thron.

Nach achtstündigem Kampf eroberten die kaisertreuen Truppen die ganze Jägerzeile bis an den Donaukanal zurück.public domain

Nur hatte sich die Konstellation bei diesem Wiener Oktoberaufstand, der letzten Erhebung der österreichischen Märzrevolution, völlig geändert: Manche Völker der Monarchie setzten auf die Habsburger – die Tschechen und Kroaten etwa – andere, wie die Ungarn und Polen, hofften auf die Unabhängigkeit von Habsburg, und die Deutschen waren gespalten:

„Die Hälfte der Leute wollte gegen die Ungarn marschieren, die andere Hälfte wollte mit ihnen marschieren. So kam es zur Belagerung Wiens mit Übergriffen auf beiden Seiten. Im März war das noch anders. Damals hatten alle gesagt: So wie bisher kann es nicht weitergehen.“

Was bleibt von der Revolution?

Die Pressefreiheit wurde danach ausgeweitet, auch die Rechtslage der Bauern besserte sich im Zuge der Märzrevolution, andere Bereiche blieben unberührt, „doch da hat sich der Staat ohnehin nicht eingemischt“, berichtet Höbelt: „Der Staat hob Steuern ein um Staatsschulden und Armee zu finanzieren – mehr tat er nicht. Nicht einmal Justizpflege und Sozialpolitik lagen bei ihm. Er machte nur Krieg und Frieden. Alles andere geschah auf kommunaler oder Landesebene.“

Das Problem war: Bei den nationalen Wünschen ging es auch um Mitbestimmung bei Krieg und Frieden, und genau das konnten die Diplomaten nicht zulassen. Nicht anders ist das heute, unterstreicht Höbelt: „Keiner darf bestimmen, ob er in seinem Staat bleiben möchte, siehe Schottland und Katalonien.“ Auch eine demokratische Abstimmung könne das Problem nicht lösen, denn wer soll darüber entscheiden? Damals war die Botschaft der Habsburger an die Völker angesichts der zu erwartenden Konflikte gewesen: „Bevor Ihr Bürgerkrieg habt, bleibt doch lieber bei uns.“

Stagnation und Marsch durch die Institutionen

In den Jahrzehnten nach 1848 entwickelte sich kein konstitutioneller Nationalstaat, eine weitere Demokratisierung blieb aus. Der österreichische Ökonom Ludwig von Mises (1881-1973) führt das auf die gemischtsprachigen Gebiete zurück: Deutschsprachige Minderheiten – in Böhmen etwa – fürchteten durch mehr Demokratie ihre Stellung zu verlieren, und hielten daher am System fest. Mises unterstreicht: „Im gemischtsprachigen Gebiet erscheint die Demokratie der Minderheit als Bedrückung. Wo nur die Wahl frei ist, entweder selbst zu unterdrücken oder unterdrückt zu werden, entscheidet man sich leicht für jenes.“ Deshalb sei das nationale Prinzip im Habsburgerreich allmählich zu einem „militanten antidemokratischen Imperialismus“ geworden. In Frankreich und England hatte es sich zuvor noch gegen die Fürstenherrschaft gerichtet, nicht aber gegen andere Nationalitäten.

Ludwig von Mises (1881-1973) befasste sich in „Nation, Staat und Wirtschaft“ (1919) mit dem Niedergang des Habsburgerreichs nach 1848.Ludwig von Mises Institute

Bleibt noch die Frage, was aus den jungen Aufständischen des Jahres 1848 wurde, den „Achtundvierzigern“? Einige mussten natürlich in das Gefängnis, doch keineswegs alle. Friedrich Engels konstatierte: „Die Totengräber der Revolution von 1848 waren ihre Testamentsvollstrecker geworden.“ Tatsächlich machten viele Karriere in genau jenem politischen System, das sie einst bekämpft hatten. „Das galt gerade und sogar für die Universitäten, die der Regierung 1848 so viel Kummer bereitet hatten: Nicht bloß Einheimische wie Beidtel und Tomaschek, auch bayerische und preußischer Großdeutsche wie Phillips und Kahlert fanden hier offene Türen“, schreibt Lothar Höbelt in seinem Buch „1848. Österreich und die deutsche Revolution“. Andere Achtundvierziger erhielten hohe Ämter, etwa als Sektionschef in den Ministerien. Einer von vielen Wendehalskarrieristen war Innenminister Alexander von Bachgehörte.

Es sollte weder das erste, noch das letzte Mal sein, dass die Revoluzzer von einst, später den Marsch durch die Institutionen antraten.