Mit dem Regierungsprogramm allein wird der wirtschaftliche Neustart in Österreich nicht klappen. So kommentiert die Wiener Denkfabrik “Agenda Austria” die bisherigen Äußerungen der Regierung zum angedachten Comeback-Plan, mit dem der Wirtschaftsmotor endlich wieder anspringen soll. Tatsächlich droht Österreich im europaweiten Vergleich wirtschaftlich ins Hintertreffen zu geraten. Die Agenda verweist auf die reale Veränderung der Wirtschaftsleistung von 2019 bis 2022 – und da sieht es für Österreich gar nicht gut aus, vor allem im EU-Vergleich:

Den Prognosen der EU-Kommission zufolge wird Österreich noch sehr lange brauchen, um wirtschaftlich wieder auf das Vorkrisenniveau zurückzukehren. Bereits nach der Finanzkrise 2008  kam Österreichs Wirtschaft nur sehr langsam in die Gänge, wie die Agenda Austria in einem neuen Papier unterstreicht. Von 2012 bis 2015 wuchs die Wirtschaftsleistung real weniger als ein Prozent pro Jahr. “Eine solche Schwächephase sollte dieses Mal vermieden werden.”

Das zentrales Problem ist der Agenda zufolge vor allem die stark gestiegene Langzeitarbeitslosigkeit. Dieses Problem lässt sich der Agenda zufolge offensichtlich nicht mit staatlicher Industriepolitik lösen. “Die Politik kann selbst nicht für mehr Beschäftigung sorgen – sie kann nur den Unternehmen dabei helfen, wieder in das Wirtschaften zu kommen und selbst mehr Menschen einzustellen. Dazu präsentiert der Think-Tank einen eigenen sechs-Punkte-Plan, der entschlossen umzusetzen sei, damit Österreichs Wirtschaft wieder ins Rollen gerät.

Restriktionen für Unternehmertum lockern

Es braucht vor allem Freiraum für Unternehmertum. Doch in mehrfacher Hinsicht wird dieser in Österreich besonders stark eingeschränkt: Die Ladeschlussgesetze und die Gewerbeordnung sind die strengsten der westlichen Welt. “Eine kräftige Lockerung der Vorschriften für die Öffnungszeiten sowie der Gewerbe Ordnung würde ein starkes Signal an alle aussenden, die unternehmerisch tätig werden wollen.” Steuerliche Anreize, wie im Regierungsprogramm angekündigt – etwa durch mehrjährige Verrechnungszeiträume – sollten umgesetzt werden.

Bei der Erleichterung von Investments in Private Equity und Venture Capital Fonds könnte Dänemark ein Vorbild sein.

Ausstieg aus Staatsabhängigkeit und Hilfsprogrammen

Um ein positives Umfeld für Unternehmen zu schaffen, müsse die Auf-und Zu-Politik beendet werden, sonst werden Investitionen und Konsum ausbleiben, und damit auch der wirtschaftliche Aufschwung. Ebenso fordert die Agenda den Ausstieg aus Staatsbeteiligungen und Hilfsprogrammen, sowie die schrittweise Beendigung der Kurzarbeit. Das Geld, das sich der Staat damit erspart, soll er zur Schaffung neuer Stellen fördern. Auch das AMS soll mehr finanzielle Mittel erhalten, “um den strukturellen Wandel besser zu begleiten und Arbeitslosen zielgerichtet zielgereichtet neue Perspektiven zu geben”.

Nachhaltige Entlastung der Arbeitseinkommen

Einkommen sind in Österreich besonders teuer. Fast nirgendwo bleibt den Arbeitnehmern so wenig Netto-Lohn von ihrem Gehalt. “Nur in drei Ländern (Belgien, Deutschland und Italien) erhalten Durchschnittsverdiener weniger Nettolohn von ihrer erwirtschafteten Leistung. Fast die Hälfte des Arbeitseinkommens landet beim Staat.”

Die Senkung der ersten Tarifstufen im Jahr 2020 sei hier nicht ausreichend. Gerade hier brauche es eine konsequentere Senkung als im Regierungsprogramm vorgesehen. “So sollte der Steuersatz in jeder Tarifsstufe um zehn Prozentpunkte gesenkt werden”. Dies alles sollte mit einer Abschaffung der kalten Progression begleitet werden. “Die Schweiz macht vor, dass dies effizient administriert werden kann”.

Kapitalbasis der österreichischen Unternehmen stärken

Der steuerrechtliche Verlustausgleich, der im Zuge der Krise beschlossen wurde, soll bis Ende 2021 beibehalten werden. “Alternativ ist eine befristete Absenkung des Körperschaftssteuersatzes auf einbehaltene Gewinne um 50 Prozent für die kommenden drei Jahre einzuführen. In Estland wird die Steuer generell erst nach der Gewinnausschüttung eingehoben.”

Um die drohende Insolvenzwelle zu überstehen, brauchen die heimischen Unternehmen neue Quellen um Kapital zu erschließen. “Hierfür muss der Kapitalmarkt langfristig gestärkt werden.”

Digitalisierungsturbo in Verwaltung und Bildung zünden

Die Republik leiste sich “eine teure, aber nicht sehr zeitgemäße Verwaltung”, unterstreicht die Agenda. Sie fordert daher einen “Digitalisierungsturbo”, so wie das bereits Lukas Sustala von den NEOS im eXXpress-Gespräch getan hat. “Homeoffice ohne Zugang zu den Servern der jeweiligen Dienststellen sollte ebenso der Vergangenheit angehören wie die Zettelwirtschaft im Impfprozess.” Als vorbildlich nennt die Agenda Estland, wo “nahezu jede öffentliche Leistung in der Verwaltung digital angeboten” wird. Das erspare Estland jährlich “rund zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts und gut drei Millionen Arbeitsstunden”.

In den Schule müsste man abgesehen von der Ausstattung der Schulen bei den Fähigkeiten und der Weiterbildung der Lehrer ansetzen.

Keine Stabilität ohne Pensionsreform

Schließlich brauche es wieder Stabilität, doch das muss vor allem fiskalpolitische Stabilität sein. Deshalb müsste die schon vor der Corona-Krise anstehenden Reformen endlich angegangen werden, allen voran die Pensionsreform. “Die Pensionslücke in Milliardenhöhe muss endlich geschlossen werden. “Im ersten Schritt sollte das Pensionsantrittsalter pro Jahr um zwei Monate auf letztlich 67 Jahre für beide Geschlechter erhöht werden. Anschließend sollte der Antritt regelmäßig an die Lebenserwartung angepasst werden.”