
Andreas Tögel: Was man sieht und was man nicht sieht
In der rezenten Coronapolitik richten sich laut eXXpress-Kolumnist Andreas Tögel alle Augen auf die relativ wenigen vom Virus infizierten Patienten, respektive darauf, deren Zahl klein zu halten. Niemand jedoch scheint sich für die weit zahlreicheren Opfer der oktroyierten Shutdowns und die daraus resultierenden Folgen zu interessieren.
„Was man sieht und was man nicht sieht“ lautet der Titel eines brillanten Werkes aus der Feder des französischen Ökonomen Frédéric Bastiat (1801 – 1850). In einer darin enthaltenen Parabel geht es – kurz zusammengefasst – um den vermeintlichen wirtschaftlichen Aufschwung, der durch eine zerbrochene Fensterscheibe ausgelöst wird. Scheinbar schlüssig, entsteht das Bild eines durch den Schadensfall angestoßenen Booms: Nicht nur der Glasermeister, sondern auch eine ganze Reihe anderer Gewerke profitiert davon. Am Ende steht die Gesellschaft besser da als zuvor. Das ist natürlich ein Irrtum, weil ein Schaden allemal Verlust bedeutet – niemals gesellschaftlichen Nutzen. Auf den zweiten Blick offenbart sich die Fehleinschätzung: Was man sieht, ist die erneuerte Scheibe. Was man aber nicht sieht, sind jene Anschaffungen, die deshalb unterbleiben mussten, weil das Geld in die Reparatur – zur Wiederherstellung des Status quo – gesteckt wurde.
Auf die rezente Coronapolitik übertragen: Alle Augen richten sich auf die relativ wenigen vom Virus infizierten Patienten, respektive darauf, deren Zahl klein zu halten. Niemand jedoch scheint sich für die weit zahlreicheren Opfer der oktroyierten Shutdowns und die daraus resultierenden Folgen zu interessieren: Welche Dramen spielen sich hinter zugezogen Vorhängen in den Zinskasernen ab, wo viele Menschen dazu verurteilt sind, wochenlang untätig auf engem Raum zusammengepfercht zu leben? Was geht in den Köpfen von Unternehmern vor, deren mit Herzblut und unter Entbehrungen aufgebaute Betriebe nun sang- und klanglos den Bach runtergehen? Wie viele davon werden psychisch krank, verfallen dem Alkoholismus oder begehen gar Suizid? Und kommt schließlich der Freiheit, die dem Kampf gegen das Virus zum Opfer fällt, gar kein Wert mehr zu?
Wirtschaftlicher Nettosaldo wird negativ ausfallen
Bastiats „broken window fallacy“ auf den Kampf gegen den angeblich menschengemachten Klimawandel übertragen: Alle Welt ist begeistert von den viele Milliarden Euro schweren Förderprogrammen und Investitionen in die „Green Economy“, die so beispielhaft nachhaltig wirken und massenhaft Arbeitsplätze schaffen soll. Was dagegen ausgeblendet wird, sind die zahlreichen Unternehmen und die daran hängenden Jobs, die in weniger grünen Segmenten tätig sind. Man denke beispielsweise an energieintensive Produktionsbetriebe, die in der Metallurgie, der Chemie oder im Fahrzeugbau engagiert sind, und die durch eine grüne Wirtschafts- Fiskal- und mittlerweile sogar Geldpolitik ruiniert oder außer Landes getrieben werden.
Am Ende des durch die Energiewende vorangetriebenen Transformationsprozesses wird der wirtschaftliche Nettosaldo negativ ausfallen. Denn jede Investition, die diesen Namen verdient, zeichnet sich dadurch aus, dass sie langfristig mehr Geld einbringt, als sie gekostet hat. Und genau das ist bei der „Green Economy“ nicht zu erwarten, da sie sich (man denke an die monströsen Windmühlen, mit denen inzwischen sogar die schönsten Landschaften verschandelt werden), ohne Subventionen auch in 100 Jahren nicht rechnen würden. Das heißt, dass – entgegen dem Marktprinzip, das für eine Allokation der Ressourcen in den profitabelsten Segmenten sorgt – gutes Geld ohne Aussicht auf Gewinn verbrannt wird. Die als Symbionten einer ungebremsten Grünpolitik agierenden Investoren und Unternehmer, die hinter der Produktion von Windrädern und Solarpaneelen stehen, sehen das natürlich anders.
Herrschendes Politsystem begünstigt Aktionismus
Ein wirtschaftlich suboptimaler Einsatz begrenzter Mittel führt, dank der daraus folgenden sinkenden Wertschöpfung, langfristig zu einer Wohlstandsminderung. Immer. Überall. Ob der in politischen Sonntagsreden gerne zitierte kleine Mann von der Straße – freiwillig! – seine Verarmung in Kauf nimmt, um dafür ein vermeintlich reines Klimagewissen einzutauschen, darf bezweifelt werden.
Fazit: Das herrschende Politsystem begünstigt den Aktionismus. Ob eine Regierungsmaßnahme sinnvoll ist, wiegt in den Augen der veröffentlichten Meinung und des Elektorats weniger schwer, als der Umstand, dass überhaupt Aktivitäten entfaltet werden. Der bescheiden, abwägend und vorausschauend agierende Pragmatiker hat in der Politik heute keine Chance mehr gegen den nur im Augenblick lebenden, Empathie heuchelnden und Verantwortungsbewusstsein vortäuschenden Weltverbesserer.
Kommentare
Komme gerade aus dem Tempel, die Geschäfte laufen wunderbar, es gibt keine Probleme. Weder bei den einen, noch von den anderen. Unsere Experten bedienen beide Seiten wunschgemäß. Der alte Kaiser, Gott hab ihn seelig, hätt seine Freud.
Den Nagel auf dem Kopf getroffen.
Danke, Hr.Tögel für Ihren Beitrag.
Gut geschrieben!! Für mich ist allerdings die Spaltung der Gesellschaft das schlimmste. Das kann man nicht mehr kitten. Wird von den Linken und deren Medien tagtäglich befeuert. Bin froh das es den exxpress gibt.
Das können sie doch nicht wirklich ernst meinen…
Lieber Herr Tögel, wenn Sie sich näher kundig machen, wird der Nettosaldo im BIP leider positiv ausgewiesen, das BIP ist ja so ein Illusionszauberer für viele Begründungen der Politiker.
Tolle Analyse! Das kann gar nicht oft genug geschrieben werden. Der “Fehler” dahinter dürfte aber zeitlos und allgemeinmenschlich sein. Vielleicht kann ja jetzt Kurz als “Global Strategist” gegenzusteuern versuchen 🙂
Sehr treffende Analyse! Natürlich haben die übertriebenen Lockdowns enormen Schaden angerichtet aber zumindest wurden dadurch einige Menschenleben gerettet. Anders ist das bei den “grünen” Investitionen zur CO2 Vermeidung. Nicht nur, dass die CO2Vermeidung um jeden Preis als solche keinen Nutzen bringt (was große Nationen in Asien und anderswo schon erkannt haben), diese Investitionen fördern auch nicht die Produktivität und zerstören damit unseren Lebensstandard. Anstatt in Bildung und Infrastruktur gehen öffentliche Ausgaben als Förderungen in Windräder und Solarpaneele, die Flatterstrom erzeugen und ein Backup an fossilen oder atomaren KW benötigen (also es wird quasi doppelt gemoppelt). Private Ausgaben werden von dem was Menschen Freude macht in hohe Energiepreise, in thermische Sanierungen, in teure, anfällige und in der Heizleistung schwache sowie laute Wärmepumpen (die dann teilweise mit fossilen Strom betrieben werden!!!) und unpraktische teure Elektroautos umgelenkt (da wissen die Menschen dann wofür sie arbeiten!). Corona wird bald vorbei sein und hoffentlich werden dann viele Menschen erkennen in welche Sackgasse uns die grüne Politik führt, die leider derzeit von der EU und von fast allen Parteien in Österreich betrieben bzw. unterstützt wird.
gute Ergänzung, was den “menschengemachten Klimawandel” und das CO2 betrifft – allerdings sehe ich den Klimawandel nur als ein Zentralgestirn der Hydra (Corona ist auch mM keines davon)… hier hat der heute im Zshg mit dem neuen Job des Ex-Kanzlers laufend genannte Peter Thiel ein mM sehr treffendes Zitat hervorgebracht:
“Hinter Tür Nummer eins: islamische Theokratie, jede Frau ist gezwungen, eine Burka zu tragen. Hinter Tür Nummer zwei: chinesischer Überwachungskommunismus, jede Bewegung von jeder Person wird jederzeit von einer zentralen KI registriert. Schließlich, hinter Tür Nummer drei: Gretas grüne Zukunft, jeder fährt Fahrrad”
Denke auch, dass das genau die 3 Köpfe der modernen Hydra sind – in der Reihenfolge: 1) “Klimawandel”, 2) Massenmigration aus Orient und Afrika, 3) die “gelbe Gefahr”
Nachtrag zu meinem Erstkommentar: manchmal sind die Hilfsassistenten aber auch lästig
Sehr richtiger und wichtiger Artikel.
Leider drängen sich heute die in den Vordergrund, denen das wichtigste das Gendern, die political correctness, das vor sich hergetragene Gutmenschentum, die Verurteilung und Verfolgung von Andersdenkenden und ein oberflächlich umweltgerechtes Agieren ist.
wer glaubt, sich in einer absoluten Notlage zu befinden, muss die Gefahr mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln abwehren. Ob diese Mittel anders eingesetzt ökonomisch besser platziert gewesen wären ist dabei sekundär. Das leuchtet idR ein, wenn man die Notlage bzw das von ihr ausgehende Gefahrenpotenzial bzw die Wirksamkeit und damit das unabwendbare Erfordernis von Gegenmaßnahmen anerkennt. Was den angesprochenen menschengemachten Klimawandel angeht, scheinen sie das (wie ich) zu bezweifeln, weshalb ihnen auffällt, was auf der Strecke bleibt.
Deshalb ist auch der Blickwinkel auf die Fensterscheibe schwierig – es fehlt die Abwendung von einer Notlage in der Endabrechnung. Der Grüne Spin etwa wäre: “diese von rechten Agiteuren mit einem Stein eigeworfene Scheibe bedeckte das einzige Fenster einer armen alleinerziehenden und sexuell ausgebeuteten aus Syrien geflüchteten Jungmutter, die nun im kalten Jänner mit ihrem weiblichen Nachwuchs zu erfrieren drohte. Durch beherztes Eingreifen von SOS-wasweissichnochalles wurde die Scheibe und damit Mutter und Kind gerettet. Nebenbei konnte die Wirtschaft mit weiteren green jobs angekurbelt werden, der Green-Window-Hersteller IchBinSoGut, der vielen MigrantInnen Arbeit gibt, lieferte die neue Scheibe.”
Natürlich fehlt dieser Blickwinkel auf den Erfolg durch Abwendung der Gefahr bei ihrer Betrachtung, weil sie a) den Spin nicht glauben und sich deshalb b) in den primär ökonomischen Blickwinkel begeben.
Das wesentliche Mobilisierungspotenzial (und damit Grundlage für die Bewertung der Maßnahme als Erfolg) liegt aber nicht in der Frage, was ein – wie sie sagen – Pragmatiker hier “sinnvoll” (mit Blick auf Wirtschaftsinteressen) tun sollte oder könnte. Es wird die Krise ums nackte Überleben stilisiert.
Und das ist aus meiner Sicht die eigentliche Grundfrage, die hinter ihrem Artikel steht. Wird die jeweilige Krise eben primär nur stilisiert, um zB verschiedene Maßnahmen setzen zu können (zB Umbau der Wirtschaft wie in Richtung “green jobs”) oder ist sie realiter so virulent, dass ein Eingreifen jedenfalls erforderlich ist – auch um den Preis eines solchen Umbaus und seiner “Opfer”….?
Schöner Artikel, falsches Fazit. Aktionismus wird aufgrund der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit und Beeinflussbarkeit unabhängig vom politischen Umfeld immer bevorzugt. Antike römische Mäzene gaben zum Teil eigenes Geld aus, um beliebt zu werden, bei den Kaisern war das nicht mehr der Fall. Maria Theresia bestrafte Armutsprostituierte, nicht deren Freier. Es ist einfacher, Hexen zu verbrennen als den Teufel zu fangen…
Dass der Anbieter einer verbotenen Leistung bestraft wird, ist aber der Normalfall. Die Frage, ob sich jemand die Strafe leisten kann, wird bei Strafen eigentlich nie gestellt. Sofern jemand kein ausreichendes Vermögen hat, ist jeder arm, sobald er nicht arbeiten kann/darf. Armutsprostituierte ist also eine seltsame Wortschöpfung.
Aktionismus verhält sich in einer Demokratie so, wie Hilfsassistenten beim Auto fahren. Eigentlich gut, dass es sie gibt.