
Anna Dobler: Linke Leistungsfeindlichkeit
Die Corona-Krise hat eine gefährliche Entwicklung beschleunigt: Unsere Gesellschaft wird zunehmend leistungsfeindlich. Schwäche und Versagen werden glorifiziert. Jüngstes Beispiel: Der peinliche Umgang der Grünen mit ernsten Vorwürfen.
Wenn Versagen das neue Siegen ist, läuft in unserer Gesellschaft etwas gewaltig schief. Applaus erhält man dieser Tage weniger, wenn man mutige Schritte im Kampf gegen die Pandemie setzt, sondern eher man seine hochpersönliche Leidensgeschichte öffentlichkeitswirksam ausrollt. Und damit sind ausdrücklich nicht jene Ärzte und Pfleger gemeint, die monatelang auf den Intensivstationen bis zu ihrer Belastungsgrenze und darüber hinaus geleistet haben, sondern jene übersättigten Wohlstands-Wokisten, die es bereits als unzumutbare Belastung empfunden haben, zuhause zu sitzen und Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Deren enervierendes Gejammer war in sozialen Medien übergebührlich laut und lässt Zweifel aufkommen, wie der Aufbruch und Neustart mit einer Gesellschaft gelingen soll, die sich schon vom Nichtstun ausgebrannt fühlt.
Haltungsjournalisten haben eine Diktatur der Gefühle errichtet
Überhaupt sind Gefühle immer mehr zum Parameter geworden und verdrängen auf diese Weise wichtige Eigenschaften wie Faktizität und Erfahrung. Jeder muss auf die Gefühle eines jeden Rücksicht nehmen und jede noch so kleine Minderheit beansprucht für sich die Deutungshoheit im Kampf um das maximal erlittene Trauma.
Eine Entwicklung, die sich leider auch immer mehr im Journalismus niederschlägt. Dort gibt es seit geraumer Zeit eine wachsende Bewegung von sogenannten “Haltungsjournalisten”, die sich vorrangig in den geschützten und üppig finanzierten öffentlich-rechtlichen Medienanstalten tummeln und dort mit ihrer Gefühls-Diktatur redliche Kollegen unterjochen. Denn gegen ihre per Haltung verliehene Übermacht kann kaum argumentiert werden – selbst nackte Fakten haben sich ihrer Moral zu beugen. Eine kritische Geschichte über eine weibliche Politikerin? Das ist Sexismus! Ein Asyl-Versagen der Behörden? Das hilft nur der AfD! Linksextremismus ist auf dem Vormarsch? Die Rechten sind schlimmer!
In Deutschland wäre der ORF-Kollege mit seiner Frage durchgekommen
Was jetzt vielleicht beim Lesen polemisch klingen mag, ist leider näher an der Wahrheit als viele Journalisten es offen zugeben möchten. Der Satz “Das hilft nur der AfD” ist überhaupt zu einem derartigen Totschlag-Argument verkommen, der jeden seiner Nutzer als das entlarvt, was er er eigentlich ist: Ein Aktivist und kein Journalist. Denn uns als Journalisten sollte es in erster Linie vollkommen gleichgültig sein, ob irgendeine unserer Enthüllungen von der vermeintlich falschen Seite schändlich instrumentalisiert werden könnte – wir sind primär der Wahrheit verpflichtet und nicht dem Gefühl.
Tatsächlich ist der Haltungsjournalismus aber eher ein deutsches Phänomen, das glücklicherweise den österreichischen Journalismus noch nicht derart vergiftet hat. Bestes Beispiel: Diese Woche wollte sich ein ORF-Redakteur bei einer Pressekonferenz zum Mordfall an der kleinen Leonie moralisch aufspielen, indem er in einer Frage an den Innenminister suggerierte, dass es sich bei den brutalen Tätern ja nur um “traumatisierte” Minderjährige handeln könnte, die einfach nicht ausreichend betreut worden sind. Im anschließenden Shitstorm ruderte der Redakteur zurück und entschuldigte sich für seine Frage. In Deutschland wäre er damit vermutlich durchgekommen. Und jeder, der es gewagt hätte, ihn zu kritisieren, wäre umgehend in den Verdacht der rechten Hetze geraten.
Berechtigte Kritik wird als "rechtes Geraune" abgetan
Denn Deutschlands Linke ist bisweilen erbarmungslos, wenn es darum geht, ihre Kritiker zu diskreditieren und mundtot zu machen. Als vor einigen Wochen der Salzburger Plagiatsjäger Stefan Weber und verschiedene Blogger erstmals auf Ungereimtheiten in Annalena Baerbocks Lebenslauf hingewiesen haben, wurden ihre – wie sich später herausgestellt hat – vollkommen berechtigten Einwände anfänglich von den Grünen und linken Medien als “rechtes Geraune” oder “Verschwörungserzählungen” abgetan. Erst als die Beweislast entsprechend erdrückend war, räumte man scheibchenweise Fehler ein. Baerbock hätte damals eigentlich schon zurücktreten müssen. Nicht unbedingt, weil sie ihren Lebenslauf frisiert hatte, sondern wegen des Umgangs mit der Kritik. Das Image als Sauberfrau hatte Schrammen und wenn sich eine Partei schon laufend als oberste moralische Instanz aufspielen muss, sollte sie auch strenge Maßstäbe an sich selbst anlegen.
Merz wurde für weit weniger heftiger kritisiert
Dieser Tage wiederholt sich dieses peinliche Schauspiel: Weber hat auf Plagiate in Baerbocks Buch hingewiesen und geriet prompt ins Visier. Angeblich habe er geheime Auftraggeber im Hintergrund, es gäbe eine Kampagne gegen Baerbock, weil sie eine Frau ist. Verschwörung, Verschwörung. Glücklicherweise lassen sich viele Medien diesmal nicht mehr täuschen und schauen – anders als das bei den ersten Enthüllungen zur Vita der Fall war, wo nur wenige anfänglich berichtet haben (darunter auch der eXXpress) – jetzt genauer hin. Weber ist nun allgegenwärtig und transparent und das immunisiert ihn auch gegen Schmutzkampagnen. Denn natürlich sind linke Leistungsfeinde schon zur Stelle, die versuchen, die Kritik an Baerbock als Sexismus zu abzuwerten.
Das Argument ist freilich vorgeschoben. Als der CDU-Spitzenpolitiker Friedrich Merz einem obdachlosen Mann damals sein Buch geschenkt hat, haben Linke diese freundliche Geste sofort in den Schmutz gezogen. Der eine verschenkt ein Buch und wird beschimpft. Die andere bedient sich frech für ihr Buch bei anderen Autoren und soll unterm Strich das Opfer sein? Das ist an Doppelmoral kaum zu überbieten. Ich bin eine Frau – sowohl den Fakten als auch den Gefühlen nach – und bin daher zumindest frei(er) vom Sexismus-Verdacht. Daher fordere ich stellvertretend: Frau Baerbock, machen Sie endlich Platz für jemanden, der dieser Aufgabe wirklich gewachsen ist. Es geht um nicht weniger als die Zukunft Deutschlands.
Anna Dobler ist eine mehrfach ausgezeichnete, ausgebildete und studierte Journalistin und Kolumnistin. Nach beruflichen Stationen in Berlin, München, Italien und Salzburg, lebt und arbeitet sie mittlerweile in Wien. Auf Twitter setzt sich @Doblerin ein für freie Märkte und freie Meinung.
Kommentare
Nee, Baerbock sollte nicht zurücktreten, Sie ist die Garantin dafür, dass wir nach der Wahl keine(n) Grüne Kanzler(in) haben. Für mich die beste Kandidatin.
Auf den Punkt gebracht
Ein ausgezeichneter Kommentar! Dankeschön, Frau Dobler!
Eigentlich leben wir in spannenden Zeiten, noch herrscht ein gewisser Wohlstand der dazu verleitet zu glauben, alles was im Moment noch geht, würde auf alle Fälle so bleiben.
Dem gegenüber der Abbau großer Teile der Industrie, eine Migration ins Land die sich nicht an Einwanderungsgesetze hält ja sie vollkommen ignoriert.
Ein Konsens quer durch alle Parteien -außer AfD – das dieser Weg bis zum bitteren Ende gegangen werden muß.
Dazu ein unbändiger Hass großer Teile der Linken Parteien und dort vor allem ihrer Jugend, auf Deutschland und seine autochthonen Bevölkerung.
Es wird interessant wenn all das schlagend wird und der freiwillige Zahlmeister Europas nicht mehr seine Zahlungen leisten kann, was dann in Europa passiert.
Wobei es schon jetzt weit über allem leistbaren liegt was da in Europa an Geld geschöpft wird.
Irgendwann wird diese Konstellation dazu führen das eine Lawine abgeht und dann wird eine ganz andere Realität herrschen die wie ein Naturgesetz wirkt und sich nicht mit schönen Worten auflösen wird lassen.
Linke Politik will mehr Gleichheit, das ist aber nur möglich, wenn Leistung überall nach unten Nivelliert wird. Und das natürlich auch nur mit Gewalt.
Gleichheit gibt es nur in sozialistischen Diktaturen.
Was die AfD betrifft:
Die AfD ist heute dort, wo die CDU vor 15 Jahren war bevor die Merkel die CDU sozialdemokratisierte.
Alle wichtigen AfD-Pateigründer waren langjährige Mitglieder der CDU
Z.B. Alexander Gauland war bis zu seinem Parteiaustritt (2013) 40 Jahre zahlendes Mitglied der CDU …
Sein Kollege Bernd Lucke brachte es bis 2011 nur auf 33 Jahre Mitgliedschaft…
Ein hervorragender Kommentar von Anna Dobler! Allerdings bin ich nicht ihrer Meinung, dass Baerbock zurücktreten sollte, denn sie ist die Garantie, dass die Grünen im September weit unter 20% bleiben werden.
https://auf1.tv/krass-und-spass-auf1/neue-weltordnung-mythos-oder-realitaet
Passt bestens dazu!
Frau Dobler, Gratulation zu diesem treffenden Kommentar! Ich würde nur in einem widersprechen: Deutschland steht zwar sicher in Europa an der Spitze beim linken Hypermoralismus, dem Schuldkult und dem woken Haltungs-“Journalismus”, aber der ganze Westen ist davon massiv betroffen. Schauen Sie sich etwa die USA an, was sich dort an den Unis und in den Medien abspielt, Stichwort “Critical Race Theory” und Anitkolonialismus. Es ist nichts anderes als eine neomarxistische Kulturrevolution, die gerade voll anläuft und dies sich lange Zeit unter der Wahrnehmungsschwelle der meisten Bürger vollzogen hat (der berühmte lange Marsch durch die Institutionen, ausgehend von den Unis, der seinen Ursprung in der neokommunistischen Frankfurte Schule hat und die Strategie des italienischen Kommunisten Antonio Gramschi zur kulturellen Unterwanderung und Zersetzung umgesetzt hat).
Danke für diesen Artikel!! Kein Wunder wenn die KRONE laufend Leser verliert, der EXXPRESS zeigt wie ausgewogener Journalismus sein kann!
ich lese die kronen zeitung auch nicht mehr, seit ibizia hat sie schwere linke schieflage. islamkritische kommentare werden nicht veröffentlicht bei der online-krone. uninteressant.
Toller Beitrag Frau Dobler
Das ist ziemlich genau auch meine Wahrnehmung.
Wieder ein herausragender, geradezu elektrisierender Kommentar.
Ein echter Anna Dobler Volltreffer, wie üblich.
In der sogenannten Haltungsjournaille gibt es niemanden, der so etwas zustandebringt.
Aus meiner Wahrnehmung eine völlig richtige Diagnose. Ich empfinde den Linksdrall zwar auch in Österreich als drückend, in Deutschland jedoch als schier unerträglich. Generell scheint mir – auch historisch – der Deutsche gerne Grundsätzen und Idealen nahezu bedingungslos zu folgen, während in Österreich der sogenannte Hausverstand noch etwas ausgeprägter sein dürfte. Als Anhänger der “Pendeltheorie” kann ich nur vor den Folgen warnen, die selbstverständlich beim “Zurückschwingen” eintreten werden. Unterm Strich zeigt aber die aktuelle Situation zB in der Frage schwer krimineller sogenannter “Flüchtlinge”, dass der politische Wille auch in Österreich fehlt, abseits der Lippenbekenntnisse etwas zu bewegen. Wie das Kaninchen vor der Schlange wird in der Dauerschleife wiederholt alles sei zu kompliziert, die EU ist das Problem, geht leider nicht, …. anstatt das Momentum in dieser Frage zu nutzen, Verbündete zu suchen und endlich den altersschwachen Merkel-Kurs, der ganz Europa in der Frage lähmt, abzuschütteln.
Vielen Dank Frau Dobler für diesen Artikel. Ich wohne in Deutschland und kann Alles nur bestätigen. Jedwede Kritik an der Regierung und deren Maßnahmen wird sofort in die rechte Ecke gestellt und als Nazi gebranntmarkt.
Hier gilt inzwischen Idi Amin: “I garantie your freedom of speech, but not your freedom after speech.”
Ja, und wie grotesk ist es, was man Orbán vorwirft. Der hat die Presse nicht halb so gut im Griff wie die Linken unsere.
Hier schreiben noch normal tickende Menschen. Eine Wohltat.
Die linke Pseudointellektuellen-Blase fordert und fördert seit Jahrzehnten eine marxistische Kulturrevolution, durch die alte Werte zerstört und durch neue ersetzt werden sollen. Nicht mehr Eigenstärke, Eigenverantwortung und Disziplin zählen, sondern, ob eh alle linksversifften Minderheiten auch gesellschaftlich abgebildet sind, siehe Regenbogen-Community.
Völlig richtig. Eine kleine Clique halbwegs qualifizierter Frauen schanzt sich durch Frauenförderung Jobs und Aufsichtsratsmandate durch verpflichtende Frauenquoten zu. Der alleinerziehenden Frau an der Kasse im Supermarkt hilft das gar nichts. Frau Baerbock konnte nur durch das biologische Geburtsmerkmal Frau den Herrn Habeck als fähigen grünen Spitzenkandidaten ausstechen.
Gratulation an den Exxpress für die Auswahl seiner Kommentatoren. Anna Dobler, Ruth Pauli, Christian Ortner, Andreas Tögl, Bernhard Heinzlmeier.
Es lohnt fast immer, die Kommentare zu lesen. Auch wenn ich nicht immer der Meinung des Kommentators bin.
Auch Rudolf Öller lese ich gerne 😉
Ein äußerst treffender Artikel, danke!
Interessant ist, dass Weber bereits beginnt zurück zu rudern. Ist der linke Druck zu groß geworden?