In meinem engeren Bekannten- und Freundeskreis findet sich keine einzige Person mehr, die an der Bundespräsidentschaftswahl teilnehmen wird. Der Grund dafür ist, dass sich alle von der Politik verarscht fühlen. Vier der fünf relevanten Parteien des Landes haben sich auf einen alten Mann als gemeinsamen Kandidaten geeinigt, weil sie mit dem machen können, was sie wollen, da er jeden Zettel absegnet, den man ihm zuschiebt und sonst jeden Mainstreamquatsch, dem man ihm aufschreibt, brav vom Blatt abliest, wie man zuletzt bei seinem Auftritt bei den Salzburger Festspielen gesehen hat.

Neben alldem ist es aber wohl überwiegend die Angst vor der Abstrafung durch den Wähler, die dazu führt, dass sich die etablierte Politik einmütig um Alexander Van der Bellen schart. Nur die FPÖ hat den Mumm, gegen die Übermacht der Mainstreamparteien eine Alternative anzubieten. Sonst gibt es nur komische Figuren zur Auswahl, bei denen es keinen rationalen Grund gibt, ihnen die Stimme zu geben. Offensichtlich wird von den nicht wenigen Leuten, die Marco Pogo, Gerald Grosz oder Tassilo Wallentin wählen wollen, nur deren Unterhaltungswert honoriert oder das Votum ist ein zynisch-destruktives Manöver, um dem herrschenden politischen System zu verdeutlichen, dass man ein für alle Mal mit ihm fertig ist.

Gerald Grosz ist eine Charaktermaske

Eine Vernunftsentscheidung kann es jedenfalls nicht sein, wenn jemand einen lysoformierten, auf Mainstream gebügelten Punk wählt, der vor sich hin näselt wie ein Klosterschüler aus Döbling und der, wie es heute zu sein hat, die Beflaggung von Amtshäusern mit der ukrainischen Fahne verlangt. In seinem Programm kommt er nicht weit über die Forderung nach mehr Fördergeld für konformistische linke Kunst und dämliches Promotion-Gewäsch für seine Kommerz-Persona und sein Turbobier hinaus. Eine solche Initiative der Selbstvermarktung gehört ins Dschungel-Camp, bei einer Präsidentschaftswahl hat sie nichts verloren. Über die Probleme der großen Mehrheit der Bevölkerung, die sich wegen einer völlig unangemessenen Sanktionspolitik gegenüber Russland in einer eskalierenden Inflationsspirale wiederfindet und sich im Winter die Heizung nicht mehr leisten wird können, verliert der Herr Doktor kein Wort, so wie die meisten privilegierten Akademiker.

Gerald Grosz wieder ist eine Charaktermaske aus Fellners Politik-Kasperltheater, in dem, ähnlich den Hahnenkämpfen in unzivilisierten Kulturen, zur Belustigung des Plebs allabendlich Gockelhähne aus der zweiten Reihe des politischen Establishments aufeinandergehetzt werden. Grosz hat sich Meriten erworben durch seine Brüllkonfrontationen mit Sebastian Bohrn Mena, einem Salonlinken, der ähnlich wie Rudi Fußi schon bei fast allen Parteien dabei war und jetzt aus dem politischen Niemandsland als Politik-Gaukler agiert. Wer Grosz wählt, der entscheidet sich für eine skurrile Person der Politik, die von Fellner geschickt als Witzfigur inszeniert wird, um die Reichweite seines Politainment-Projektes zu verbessern.

Stronach bringt Selbstinszenierungskünstler ins Spiel

Und zu guter Letzt bringt nun auch noch Frank Stronach einen Selbstinszenierungskünstler aus der High-Society, den Wiener Rechtsanwalt und Krone-Kolumnisten Tassilo Wallentin, ins Spiel. Stronach wollte den Anwalt schon einmal für sein Team engagieren, doch der Transfer, um es in der Fußballsprache zu formulieren, scheiterte, so wird gemunkelt, an Differenzen bezüglich des Handgeldes für den Spieler. Die Linke ist hoch erfreut über das Antreten des Klatschspalten-Dandys, weil er, wie Gerald Grosz, dem FPÖ-Kandidaten Rosenkranz Stimmen kosten wird. Betrachtet man das gesamte Szenario, dann geht es bei dieser Wahl nur mehr darum, ob der Kandidat des linken Mainstreams gleich im ersten oder erst im zweiten Wahlgang gewählt wird.

Es ist also schon jetzt die Katastrophe garantiert, dass in spätestens zwei Jahren ein linker Block regieren wird, der alle relevanten politischen Machtpositionen des Landes besetzt. Eine genau solche Situation findet man heute bereits in Deutschland vor. Jeder, der seine Stimme für einen der vielen rechten Spaß- und Klamaukkandidaten verschwenden will, muss nur einen Blick ins Nachbarland werfen, um zu sehen, was dann auch bei uns passieren wird. So wird jeder Kritiker der Politik der Europäischen Union gegenüber Russland an den Pranger gestellt und wo es geht, ausgegrenzt werden.

Abweichler sollen mit allen Mitteln zum Schweigen gebracht werden

Öffentliche Stellen werden Nonkonformisten gezielt denunzieren und wenn sie ein politisches Amt bekleiden, wird man sie aus diesem vertreiben, und am Ende werden aggressive linke Akteure der sogenannten Zivilgesellschaft sie so lange hetzen, bis sie ihr Ansehen vollends verloren haben. Habecks Wirtschaftsministerium hat dazu schon die Anleitung per Twitter veröffentlicht. Dort wird festgestellt, dass jeder, der „den Krieg in der Ukraine relativiert“ klar als „Putin-Troll“ zu bewerten und zu behandeln ist. Das passt wunderbar zu der Rede, die Van der Bellen in Salzburg verlesen hat, in der die Kritiker der Sanktionspolitik als „Kollaborateure“ bezeichnet wurden.

Er wählte damit einen ähnlich problematischen Stil im Umgang mit Andersdenkenden, wie die Neos-Vorsitzende Meinl-Reisinger, die Sanktionskritiker im Hass-Jargon des rechten Totalitarismus als „Volksfeinde“ bezeichnete und so zum Abschuss für alle bellizistischen Fanatiker freigab. Das Problem, vor dem diese Hassprediger und Neo-Savonarolas stehen, die offenbar eine totale Volksgemeinschaft erschaffen wollen, in der Abweichler mit allen Mitteln zum Schweigen gebracht werden, ist die Tatsache, dass über 50% der Österreicher die Sanktionen gegen Russland ablehnen und eine neutrale Stellung gegenüber der Auseinandersetzung zweier imperialistischer Großmächte auf dem Gebiet der Ukraine befürworten. Da fällt einem unweigerlich das Bonmot Bertold Brechts ein, der meinte, dass für den Fall, dass es sich die Regierung mit dem eigenen Volk verscherzt, es das Einfachste für diese wäre, das Volk aufzulösen und sich ein neues zu wählen.

Ein Bundespräsident sollte nicht Worte wie Waffen benutzen

Der berühmte deutsche Soziologe Armin Nassehi hat auf Twitter einem problematischen Text der Corona-Maßnahmen-Kritikerin Ulrike Guérot zurecht einen „autoritär-faschistischen Sound“ attestiert. In diesem Text fantasiert Guérot über einen Rachefeldzug gegen die Verantwortungsträger der Corona-Politik. In Guérots Sprache zeigen sich deutlich totalitaristische Züge, insbesondere durch die Verwendung eines Wir-Begriffes, der stark an den exkludierenden Charakter des Volksbegriffs des Nationalsozialismus erinnert. Darüber hinaus spricht aus dem Text ein enthemmter Fanatismus, der blind sein will für Schattierungen, Differenzen und Widersprüche.

Assoziationen zur Sprachkultur eines vernunftfeindlichen, aggressiv antiindividualistischen Totalitarismus kommen auch bei Worten wie „Kollaborateure“, „Volksverräter“ und „Putin-Trolls“ auf. Entscheiden sich Spitzenvertreter des linken Lagers nun auch bewusst für Guérots fanatischen Sprachstil oder sind es bloß unkontrollierte Affekte, die sie den Begriff des „Kollaborateurs“ hervorbringen lassen? Führt eventuell die Angst vor den Wählern, die nicht so wollen, wie sie es wollen, dazu, dass sie aufgebracht in einen immer aggressiveren, verletzenderen und geschichtsvergesseneren Jargon verfallen? Oder fehlt es den Akteure der Linken einfach nur an politischer Bildung? Was auch immer der Grund ist, Politik sollte sich um einen zivilisierten Dialog bemühen, vermitteln und nicht spalten. Vor allem aber einen Bundespräsidenten, der wie der typische Grüne, Worte wie Waffen benutzt und ständig Öl ins Feuer gießt, braucht keiner. Daran sollte man in der Wahlkabine auch denken.