Bernhard Heinzlmaier: Krieg und Frieden
Dass die österreichische Innenpolitik weitgehend dekadent und verkommen ist, zeigt sich daran, dass Auseinandersetzungen nicht mehr um Inhalte, Programme und politische Maßnahmen geführt werden. Es wird nur mehr darauf abgezielt, die Reputation von Repräsentanten gegnerischer Parteien zu diskreditieren, findet eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier..
Vor allem die SPÖ, die auf eine Ahnengalerie großer Theoretiker und Denker verweisen kann, aus der Namen wie Max Adler, Otto Bauer oder Bruno Kreisky hervorstechen, hat sich schon seit Jahren von sachpolitischen Aktivitäten abgewendet und sich auf die Kunst der Intrige und der bösartigen Diskreditierung ihrer politischen Gegner verlegt und dabei erstaunliche Fähigkeiten entwickelt. Während die Altvorderen, wie der schon angesprochene Otto Bauer, mehrbändige Schriftenreihen zur Theorie und Praxis sozialdemokratischer Politik hinterließen, ist von den heutigen SPÖ-Vertretern keiner mehr in der Lage, ein politisches Buch zu verfassen. Selbst einer der letzten Intellektuellen der Partei, der Wiener Altbürgermeister Michael Häupl, hat sich bei seinem kürzlich erschienenen volkstümlichen autobiographischen Werk vom Parteijournalisten Herbert Lackner das Händchen führen lassen. Der Ehrgeiz, selbst zu denken und eigene Texte hervorzubringen, ist nicht mehr Bestandteil der roten Parteikultur.
Selbst vor Familienmobbing schreckt die SPÖ nicht zurück
Das letzte bemerkenswerte politische „Werk“ der SPÖ geht auf den Vorarlberger Abgeordneten Reinhold Einwallner zurück. Es handelt sich dabei um eine perfide parlamentarische Anfrage, in der dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer und seiner Frau unterstellt wird, Cobra-Beamte ihrer Sicherheitswache für persönliche Dienste missbraucht zu haben. Zudem wird der Vorwurf erhoben, Nehammer hätte einen im alkoholisierten Zustand von zwei Beamten verursachten Autounfall zu vertuschen versucht.
In der Anfrage, die übrigens einzig und allein einen anonymen Sudelbrief zur Grundlage hat, und der mit ihr verbundenen Medienkampagne, ist die Privatsphäre der Familie des Regierungschefs gröblich verletzt worden, selbst die Kinder des Kanzlers wurden zu Objekten der politischen Intrige gemacht. Man möchte nicht wissen, was sie in den nächsten Wochen in der Schule für Frotzeleien und Mobbingattacken über sich ergehen lassen müssen. Aber das ist dem von Silberstein für das sachgerechte Bedienen von Schmutzkanonen und Dreckschleudern gut ausgebildeten Personal der SPÖ-Zentrale völlig egal. Familienmobbing und seelische Grausamkeit an Kindern gehören offenbar zum Stil einer kulturlosen Beutegemeinschaft, der kein Preis dafür zu hoch ist, um an die Macht zu kommen.
Russophobe Hetze wird in Gang gesetzt
Ein Sittenbild der Verkommenheit und Geistlosigkeit zeigt sich auch am Umgang von Teilen der medialen und politischen Öffentlichkeit mit dem Krieg in der Ukraine. Auch hier geht es ganz offensichtlich der Mehrheit der Beteiligten nicht darum, Wege auszuloten, um der barbarischen Schlächterei auf diplomatischen Weg ein Ende zu machen. Im Gegenteil. Anstelle den Frieden anzustreben, wird munter Öl ins Feuer gegossen und zusätzlich eine russophobe Hetze in Gang gesetzt, die sich wie bei Nehammers Familie vor allem an Unbeteiligten ihr Mütchen kühlt. Und so geraten Kulturschaffende wie Anna Netrebko oder der Dirigent Waleri Gergijew ins Visier von verlogenen, von staatlichen Kulturbudgets abhängigen Moralisten, die die Künstler aus europäischen Opernhäusern und Konzertsälen hinaussäubern, weil sie sich nicht dem zur Pflicht gewordenen Abgrenzungsritual gegen die russische Kriegspolitik unterwerfen. Das ist ebenso verrückt, wie man ständig von in Europa lebenden Muslimen verlangt, sich vom islamistischen Terror zu distanzieren.
Man sollte in einem liberalen und demokratischen Staat auch den Angehörigen von Nationen oder Religionen das Recht zuerkennen, über den Irrsinn, den ihre Herkunftsländer oder Glaubensgemeinschaften anrichten, zu schweigen und sie nicht von vorneherein dem Verdacht aussetzen, dass sie mit grausamen totalitären Mächten unter einer Decke stecken. Viele Auslandsrussen, das weiß man, sind schmerzlich hin- und hergerissen zwischen der vernünftigen Einsicht, dass ihr Land gerade ein großes Unrecht begeht und ihrer innigen emotionalen Bindung an ihre Herkunftskultur. Kann man diese Leute nicht einfach in Ruhe ihren inneren Konflikt austragen lassen?
Nehammer Versuch zu vermitteln ist bewundernswert
Der öffentliche Diskurs über Russland eskaliert gerade. Hasstiraden treten an die Stelle von rationalen Analysen und maßvoller Rede. Wenn in den sozialen Netzwerken und dem Print-Boulevard Hetzkampagnen gegen Putins Töchter oder gegen seine Geliebte und die gemeinsamen Kinder geführt werden, wenn ein ukrainischer Arzt zur Kastration russischer Soldaten aufruft, wenn in österreichischen Illustrierten Karikaturen erscheinen, in denen ein Friedensaktivist Wladimir Putin wutentbrannt mit einem Protestschild erschlägt, wenn der ukrainische Pen-Club zum totalen Boykott russischer Bücher und Verlage aufruft, weil die Propaganda „Russlands und seines verbrecherischen Diktators“ in die Werke russischer Literatur „eingewoben“ und diese als „Waffen“ zu betrachten sind, und zuletzt eine Klinik in München per Aussendung damit moralisch protzt, russische und weißrussische Staatsbürger nicht mehr zu behandeln und schon vereinbarte OP-Termine abzusetzen, dann müssen in einem Menschen, der sich noch einen Funken eigenständiges Denken bewahrt hat, Zweifel darüber aufkommen, ob hier noch alle Diskursbeteiligten vollständig bei Sinnen sind.
Zurück zu Karl Nehammer. Es ist bewundernswert, wie sich dieser Mann, dessen Familie gerade von völlig enthemmten und gewissenlosen Machtpolitikern bloßgestellt, brüskiert und herabgewürdigt wird, entgegen dem herrschenden Zeitgeist, der ohne Sinn und Verstand in einen ohnehin schon völlig eskalierten militärischen Konflikt tagtäglich weitere rhetorische und militärische Brandbeschleuniger wirft, den Versuch unternimmt, zu vermitteln, indem er als erster westlicher Regierungschef auch das persönliche Gespräch mit Putin sucht. Damit knüpft Nehammer an die große österreichische Tradition einer aktiven Außenpolitik an, die unter Bruno Kreisky ihre Hochblüte hatte, und in der man bei internationalen Konflikten die vermittelnde und beruhigende diplomatische Intervention über die Beteiligung am hysterischen parteiischen Kriegsgejohle stellt.
Nehammer und Hanke setzen positive Akzente
Neben Karl Nehammer, der mit seiner mutigen Aktion – Gnade ihm Gott, wenn sie schiefgeht, die destruktive Meute wetzt schon die Messer – an Format gewonnen hat, ist auch der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke hervorzuheben. Dieser hat darauf hingewiesen, dass es jetzt wichtig sei, die Brückenfunktion in Richtung Osteuropa, die sich Österreich über Jahrzehnte erarbeitet hat, zur Friedensschaffung einzusetzen.
Nehammer und Hanke zeigen sich als verantwortungsvolle und vor allem mutige Politiker, die es wagen, gegen den von Hysterikern und verantwortungslosen Populisten angeführten Meinungsmainstream eigenständige sachliche Akzente zu setzen. Die beiden könnte man sich als Führungsduo einer erneuerten großen Koalition gut vorstellen.
Kommentare
Das Highlight der journalistischen Woche! Danke Herr Heinzlmaier, dass sie, wie nicht anders zu erwarten war, in den Chor des “Gratismuts” der ganzen totalitären Gutmenschen mit ihrem “die bösen, bösen Russen” nicht miteinstimmen
Volle Zustimmung zu dieser Analyse! Es ist grauenhaft, was sich hier zeigt!
Eine kleine Ergänzung der Schrecklichkeiten: Der CEO von Fresenius beklagte, dass er von Politikern schwerst unter Druck gesetzt wird, seine Medizinprodukte aus Russland abzuziehen. Unter anderem handelt es sich um Dialysegeräte. Das ist meines Erachtens glatter Mord an kranken Zivilisten und genauso abscheulich wie das Bombardement eines Krankenhauses.
Dass europäische Firmen gerade in Russland enteignet werden, ist Ihnen aber nicht entgangen?
Der Artikel trifft die Sache auf den Punkt.
Wer Tal Silberstein für eine Wahlkampagne engagiert zeigt die eigenen Absichten! Eines möchte ich aber noch zum Artikel anmerken, es war nicht nur die SPÖ, Tal Silberstein hat auch für die Neos gemanagt und B. Meinl-Reisinger war laut Artikeln in der Presse sehr angetan von ihm. Im Parlament spielt sie sich immer wieder als “Moralapostel” auf!!!
Ich bin zwar oft der Meinung von Herrn Heinzlmaier, aber in Bezug auf auf den Bundeskanzler bzw. seine Motivation, nach Russland zu reisen, liegt er meiner Ansicht nach total falsch. Diese Reise war absehbar nicht nur ein kompletter Misserfolg, sondern ein Canossagang. Vermutlich ging es tatsächlich um die Frage der Gaslieferungen. Und auch um ein willkommenes Ablenkungsmanöver von innenpolitischen Querelen.
Als Resultat haben wir unsere letzte Legitimation als neutraler Ort verloren und zählen nun zu den unfreundlichen Ländern aus Sicht Russlands. Was das bedeutet, wird Ö spätestens im nächsten Winter merken.
Diese Art von Krisentourismus wäre einem Kreisky sicher nicht eingefallen. Seine Reisen zu den bad guys der Welt waren das Ergebnis hoher Diplomatie.
Aber den Nehammer hat er wenigstens nicht so verarscht, wie den Macron. Außerdem kann man nur in einem persönlichen Gespräch feststellen, ob das Gegenüber verrückt geworden ist. Die älteren (fast ausschließlich) finden diesen Schritt gut, die Wahrnehmung ist eine andere bei direkten Kontakt.
Wieder ausgezeichnet analysiert!!
Ausgezeichneter Artikel, scharfe Analyse. Die versöhnliche Formulierung Häupls als Intellektuellen lassen wir durchgehen 🙂 Ansonsten ist es genau so wie beschrieben, leider.
Wird die offizielle Geschichtsschreibung den Überfall Russlands auf die Ukraine auch wieder nur als Einmarsch mit anschließender Okkupation der Ostukraine beschrieben, wie den Überfall der Sowjetunion am 17. Sept. 1939 auf Polen mit anschließender Abtrennung Ostpolens?
Der Überfall der Sowjetunion 1940 auf Finnland wurde von Großbritannien, Frankreich und USA nicht einmal zur Kenntnis genommen. Stalin konnte schalten und walten wie er wollte, auch was die Besitznahme der baltischen Staaten betraf.
Putin konnte auch seit Jahrzehnten ungestört schalten und walten. Und jetzt sind alle plötzlich entsetzlich überrascht, dass Putin mehr will als nur die Krim …
Herr Prof.Heinzlmaier ist mein ” Lieblings-Intellektueller “, ein Wohltat seine Artikeln/Kommentare zu lesen.
kann mich nur anschließen !
Sehr guter Artikel. Zu erwähnen vergessen wurde, dass die FPÖ beim Hetzen und Intrigieren häufig mit der SPÖ im Gleichschritt marschiert.
Volle Zustimmung zu Ihrem wie immer guten Artikel. Ganz meine Meinung.
Helmut Schmidt, ein kühler Kopf und Krisenmanager, der vor Zuwanderung aus fremden Kulturen und dem Islam warnte, und von dem das Zitat stammt: “Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen”
Michael Häupl hingegen mag Zuwanderung aus fremden Kulturen und Kopftücher (Häupl: “bunte Kopftücher bereichern Wien”).
In diesem Genossen, der den Kopftuch-Islam für eine Bereicherung ansieht, einen Intellektuellen zu erkennen, ist schon etwas merkwürdig!
Für mich war Helmut Schmidt der letzte große Sozialdemokrat, ein überaus kluger Realist, der Situationen richtig einschätzen konnte und das Machbare machbar machte und nicht als weltfremder Träumer aus einem Industrieland ein Regenbogenland voller bunter Sonnenblumen machen wollte.
Derzeit haben wir westlich der Ukraine Frieden. Gebe es im Westen Politiker wie Helmut Schmidt, würde es auch dabei bleiben. So unwahrscheinlich ist es nämlich nicht, dass alles eskaliert und außer Kontrolle gerät und der Krieg sich weiter ausbreitet!
PS: Auffallend, wie der intellektuelle Häupl zu der derzeitigen Lage in der Ukraine schweigt. Da hört man überhaupt nichts… Wo ist er denn? Und wo ist die Frau Merkel, ist sie untergetaucht?
Teile Ihre Meinung – DANKE an Hrn. Heinzelmaier für diese journalistische Aufarbeitung, was bei uns abgeht.
Auf den Punkt! Die Roten in ihrem jetzigen Zustand sind eine Partei von Orks.
… der Vergleich wird den Orks nicht gefallen …
“Selbst einer der letzten Intellektuellen der Partei, der Wiener Altbürgermeister Michael Häupl, …” Häupl ein Intellektueller? Das wär mir neu.
In seiner Jugend ein Vordenker der SPÖ. Hochintelligente und belesen. Später ist es anders geworden.
Häupl hat über Geckos (Reptilien) eine Dissertation verfasst. Immerhin.
@El Capitan Warum ist Häupl dann noch nicht Mitglied in der GECKO? 😉 Seine Politik war jedenfalls alles andere als intelligent, während seiner Zeit erreichte die Islamisierung Wien zuvor ungeahnte Dimensionen. Aus einer SPÖ-Perspektive freilich, hat man sich damit ein unerschöpfliches Wählerpotential erschlossen.
Superartikel! Endlich einer, der neutral über die Zustände in der österreichischen Politik schreibt! Und sehr mutig in Zeiten wie diesen, wo in den meisten öffentlichen Medien sonst nur einseitig und manipulativ berichtet wird und man Gefahr läuft, mit solchen Meinungen von den “Guten” im politischen Mainstream abgeschossen zu werden. . Denn mit Meinungsfreiheit ist es bei uns schon lange vorbei, seit gewisse Kreise Kommentare in den Medien und sozialen Netzwerken kontrollieren und zensieren können, was ihnen nicht in den Kram passt.
Und wieso gibt es keine, zumindest öffentliche, Rufer, die zur Einhaltung der Menschenrechte, die im Staatsvertrag und in der Verfassung garantiert werden, mahnen? Denn einiger dieser Menschenrechte werden gerade mit Füssen getreten. Das dürfte aber die “Moralisten” in unserem Land und in der Welt anscheinend nicht im geringsten jucken!
Herr Heinzlmaier, ich finde an Ihren Kommentaren so toll, daß sie niemals darauf abzielen, die Reputation von Repräsentanten gegnerischer Parteien zu diskreditieren. Wenn ich Ihre Artikel lese, wüsste ich gar nicht, ob Sie mehr Türkis, Blau, Rot, Rosa oder doch Grün zugeneigt sind. 😉
Würde sagen, der Wahrheit verpflichtet! 😉
In Wirklichkeit hat die Partei ihre Tage gesehen. Der Machtapparat ist noch da und dessen bedient man sich.
Genauso mit Gruenen. Umweltschutz kann jeder und macht auch jeder. Dafür braucht man keine Grünen.