Rudolf Öller: Castle Bravo und Zar
Die Selbstverständlichkeit, mit der zurzeit über einen Einsatz taktischer Atomwaffen laut nachgedacht wird, ist abseitig. Atomsprengköpfe erscheinen beinahe schon als Artilleriegeschoße, die lediglich etwas lauter explodieren und etwas größere Löcher machen als herkömmliche Granaten. Die Wahrheit ist hässlicher, findet eXXpress-Kolumnist Rudolf Öller.
Stanley Kubrick, einer der größten Regisseure der Filmgeschichte, drehte 1963 seine Satire „Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“. Laut Meinung der Filmkritiker ist dies der beste Film, der je über die atomare Bedrohung gedreht wurde. Peter Sellers brillierte in einer Dreifachrolle als Group Captain Mandrake, als amerikanischer Präsident Muffley und als ausgeflippter Wissenschaftler Dr. Seltsam.
Die heimlichen Stars des Films sind Slim Pickens als Pilot Major Kong und sein Bomber. Die Boeing B-52 „Stratofortress“ ist unter allen Kriegsflugzeugen, die je gebaut wurden, eines der tödlichsten. Bei einer nuklearen Maximalbeladung konnte ein einziger B-52-Bomber das unvorstellbare Vernichtungspotential transportieren, das der sechzehnfachen Sprengkraft aller Bomben während des gesamten 2. Weltkrieges entspricht. Heute werden Atombomben von Cruise-Missiles und Raketen ins Ziel getragen.
Im US-Bundesstaat New Mexico lohnt sich ein Besuch im Bradbury Science Museum in Los Alamos. Dort werden Modelle in Originalgröße der ersten Atombombe („Trinity“), der Hiroschimabombe („Little Boy“), der Nagasakibombe („Fat Man“) und andere nukleare Waffen gezeigt. Im nahe gelegenen Albuquerque befindet sich das National Museum of Nuclear Science & History. Dort präsentieren die Amerikaner ein schier unüberschaubares Arsenal an Atombomben und Trägersystemen.
Hiroschima und Nagasaki
Die Museumspädagogen in Albuquerque und Los Alamos versuchen den Besuchern zu erklären, dass der Einsatz von Atombomben im Sommer 1945 nötig war, um den blutigen Krieg gegen Japan abzukürzen. In Wahrheit wollten die Amerikaner die beiden damals verfügbaren Bombentypen testen und ihre Wirkung studieren. Die Hiroschimabombe verwendete Uran-235, die Nagasakibombe Plutonium-239 als spaltbares Material. Beide Bomben detonierten wie erwartet, die verheerenden Folgen sind bekannt.
Die Zahl der nuklearen Sprengköpfe („Warheads“) wurde nach mehreren Abrüstungsgesprächen nach und nach reduziert. Was übrig blieb, ist nach wie vor beunruhigend. Die Sowjetunion reduzierte zu Beginn die Zahl der einsatzbereiten Gefechtsköpfe von rund 22.000 auf 8000, die USA von 21.000 auf 12.000. Im Rahmen des Abkommens „New START“ wurde nochmals auf rund 2800 (Russland) und 2200 Sprengköpfe (USA) reduziert. Nicht in der Aufzählung enthalten sind die Bomben von Großbritannien, Frankreich, China und anderer Staaten.
Ein Gefechtskopf mit einer halben Megatonne Sprengkraft könnte Städte wie Kiew oder Warschau samt Bewohnern vernichten. Es bliebe nichts übrig. Während die Wirkung einer Kernspaltungs-Atombombe (Hiroshima und Nagasaki) aus physikalischen Gründen begrenzt ist, ist das bei Fusionsbomben (Wasserstoffbomben) anders. Bei diesen Sprengköpfen wird eine Plutoniumbombe als Zünder verwendet, worauf Wasserstoff- und Lithiumatome unter Abgabe unvorstellbar gewaltiger Energiemengen verschmelzen.
Castle Bravo
Die USA führten nach dem Weltkrieg Testserien von Wasserstoffbomben namens „Operation Castle“ und „Yankee“ am Bikini Atoll in der Südsee durch. Es waren die stärksten Atomwaffentests, die von den Amerikanern je durchgeführt wurden. Bei der größten Explosion, „Castle Bravo“ im Jahr 1954, ging etwas schief. Die gemessene Sprengkraft war mit 15 Megatonnen um ein Vielfaches höher als ursprünglich erwartet. Es war zu einer unerwarteten Fusion bestimmter Lithiumisotope gekommen. Die geschockte Besatzung des Beobachtungsschiffes „USS Curtiss“ in 40 Kilometern Entfernung schloss wegen der enormen Hitze mit dem Leben ab, überlebte aber wie durch ein Wunder. Die Kommunisten wollten die Amerikaner übertrumpfen und bauten die größte Vernichtungsmaschine aller Zeiten. Ministerpräsident Nikita Chrustschow war sich trotz einiger sowjetischer Erfolge in der Raumfahrt darüber im Klaren, dass der Kommunismus mit dem Westen technologisch nicht mithalten konnte, denn die Kommunisten hatten kein Silicon Valley. Diese Blöße wollte Chrustschow durch Gigantomanie ausgleichen. Er beauftragte den genialen Physiker Andrei Sacharow mit dem Bau der größten Atombombe der Welt. Sie sollte eine Sprengkraft von 100 Millionen Tonnen TNT haben. Das entspricht 50.000 (in Worten: fünfzigtausend) Hiroschimabomben.
Zar
Sacharow ging eher widerwillig ans Werk. Er konstruierte die Bombe so, dass „nur“ eine Sprengkraft von 50 Megatonnen zu erwarten war. Die Höllenmaschine bekam die Serienbezeichnung AN 620 und wurde „Zar“ genannt. Sie wog 27 Tonnen und konnte gerade noch am Rumpf einer Tupolew-95 befestigt und transportiert werden.
Das Flugzeug startete am 30. Oktober 1961 zur arktischen Insel Nowaja Semlja und warf die Bombe mit einem Fallschirm aus einer Höhe von 12.000 Metern ab. Die Detonation erfolgte in 500 Metern Höhe. Zunächst wurde das bereits weit entfernte Flugzeug über tausend Meter nach unten geschleudert und beinahe in Stücke gerissen. Im Umkreis von 100 Kilometern wurden alle Gebäude zerstört, noch in 500 Kilometern Entfernung gingen alle Fensterscheiben zu Bruch. Der Atompilz reichte bis an die Grenzen des Weltalls. Zar war so gewaltig, dass eine radioaktive Wolke um den Erdball ging.
Graue Theorie
Die Bezeichnung „Taktische Atomwaffen“ für kleine Sprengköpfe ist eine Verharmlosung. Ein so genannter taktischer Atomschlag zielt auf die Moral des Feindes, der die Folgen einer weiteren Eskalation für schlimmer halten soll als einen Rückzug oder die Einwilligung in Verhandlungen. Der Einsatz von Atomwaffen in so einem Szenario ist in erster Linie ein politisches Kalkül, doch das ist nichts als graue Theorie. Es könnte das Opfer noch wütender machen und die weltweite Ächtung des nuklearen Täters ins Unermessliche steigern. Bis heute konnten die USA den Makel des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen nicht gänzlich abschütteln. Gerade das sollte Wladimir Putin zu denken geben. Nach der Detonation auch nur eines einzigen nuklearen Sprengkopfes wäre der Ruf Russlands als Schurkenstaat für sehr lange Zeit einbetoniert. Niemand kann das wollen, auch ein in die Ecke gedrängter Putin nicht.
Rudolf Öller ist promovierter Genetiker der Universität Tübingen und seit Jahrzehnten sowohl als Kolumnenschreiber als auch als Buchautor publizistisch tätig. Öller ist gebürtiger Oberösterreicher, hat in AHS und BHS Naturwissenschaften und Informatik unterrichtet und war ehrenamtlicher Rettungssanitäter, Blaulichtfahrer und Lehrbeauftragter beim Roten Kreuz. Er lebt heute in Vorarlberg.
Kommentare
Vielleicht wollen die deutschen Grünen das “Pech” dass sie im WW2 hatten, dass nämlich die A-Bomben für den Einsatz in Deutschland nicht mehr rechtzeitig vor Kriegsende fertig wurden, “reparieren”.
Geht es denen doch um die Auslöschung der “Köterrasse”, der sie selbst angehören.
Europa will Schuld aus Kolonialismus und Holocaust ausgleichen.
Gut vielleicht nicht ganz Europa ,vielleicht nur “bessere”,linke Teil Europas.
Verlogenes nehammer van da bellen kogler Wagner wählet diese brut nicht dieses Satan’s Volk
Damit Sie Mindestsicherung bekommen, Hochrieser?
Mir macht die A Bombe nichts aus bin über 70j und rot schwarz grün haben mir vor 2 Jahren den Strom abgedreht ich lebe ohne warmwasser ohne Kühlschrank ohne ohne waschmaschine ohne mindestsicherung dann gehen die auch drauf
Kapieren Sie es nicht? Sie haben sich wahrscheinlich durch Nichtbezahlung der Stromrechnungen den Strom selbst abgedreht!
@Hochrieser : wenn Sie der Redaktion ihre Kontonummerdaten bekanntgeben , dann soll diese hier einen Aufruf starten “Hochrieser-Winter” ,und es wird einige von uns geben, die Ihnen einen kleinen Betrag zum Überwintern spenden !! Also los….. !
Und alles Gute ! 🙂
Die Waffen- und Energielobby hofft, dass Atombomben nur auf die Ukraine fallen, eventuell auch auf Europa, nicht jedoch auf die USA. Ich fürchte, so wird es auch kommen.
Europa bettelt ja förmlich darum, auch ein paar Bomben abzubekommen. Durch die Waffenlieferungen und Geldleistungen an die Ukraine sind wir längst Kriegspartei. Dazu noch die Sanktionen.
Erstens negieren die europäischen Politiker, dass man mit Russland das flächenmäßig größte Land der Welt, mit jede Menge Rohstoffen und mit Atomwaffen auf der anderen Seite hat. Aber das ist denen egal, man führt offensichtlich die Vorgaben der USA aus.
Zweitens steht in der russischen Militärdoktrin : Atomwaffen sind erlaubt, wenn es das eigene Staatsgebiet bedroht wird.
Das ist spätestens dann voll gegeben, wenn die Referenden in Luhansk, Donezk, Kherson und Saporoshe durchgeführt wurden und die Eingliederung zu Russland erfolgt ist.
In den 50er Jahren gab es gegenüber vom Westbahnhof auf der äußeren Mariahilferstraße ein Nonstop-Kino und in der Fox tönenden Wochenschau gab es immer wieder Filme von den Atombombentests auf dem Bikini Atoll, natürlich mit dem Hinweis, dass dadurch die Welt sicherer wird! Die Propaganda lief damals auf Hochtouren und hat sich durch diverse Abrüstungsverträge auch nicht geändert, denn: hier im Westen die Guten und im Osten die Bösen!
Die dt. grüne Außenministerin will der ukrainischen Forderung nach modernen Panzern und Artilleriewaffen nachkommen, wenn ich das richtig verstanden habe.
❓ Vorerst nur mit konventioneller Munition?
Werden auch taktische Atomwaffen geliefert (z.B. Artillerie mit Nuklearsprengköpfen), wenn die ukrainischen Militärs auch das vom Westen fordern?
➡️ Ich gehe davon aus, die Grünen (und alle anderen Guten & Anständigen) wollen nur mit einem umweltschonenden Krieg – also ohne Atomwaffen – Putin besiegen.
Wenn Sie sich Generaloberst nennen dann werden Sie auch wissen, dass durchaus nicht alle Forderungen der Ukraine von der NATO erfüllt werden. So wurden u.a. Kampfflugzeuge, moderne deutsche Panzer, Artillerie mit hoher Reichweite die geeignet wäre russisches Staatsgebiet angreifen zu können nicht geliefert bzw. wurde aus verständlichen Gründen auch die Einrichtung einer Flugverbotszone abgelehnt.
Die mögliche Rufschädigung beim Einsatz von Atomwaffen braucht Russland überhaupt nicht zu belasten. Denn dieser ist schon ruiniert und damit lebts sich gänzlich ungeniert.
Ausserdem lebt die USA als aktiver Pionier in dieser Kriegsführung völlig unbelastet und spielt den friedliebenden Retter der “freien” Welt.Und die glaubt den Amis diese Rolle.
@Tobi .. Naja, dieser bereits ruinierte Ruf Russlands führt gerade dazu, dass Putins Kumpel Xi jinping Probleme mit seinem eigenen Politbüro bekommt und auch Indien langsam und unauffällig seinen moskautreuen Kurs ändern muss.
Und warum sind die USA jetzt kein Schurkenstaat und Russland wäre das schon? Die USA haben zwei Städte ausgelöscht, die militärisch wertlos waren. Russland droht hingegen den NATO mit dem Einsatz, wenn sie gegen Russland aktiv wird, also wäre das eine militärische Zweckbestimmung. Das ist reichlich unvergleichbar.
Danke Herr Öller, wie immer sehr aufschlussreich dargestellt. Ich bin ganz bei Ihnen. Der Makel klebt aber auch ganz zu recht an den USA, immerhin waren sie doch die einzigen die sie tatsächlich einsetzten, dann noch gegen zivile Ziele und an Hinterhalt nicht zu überbieten, wenn man den Einsatz genauer beleuchtet. Aber der Makel scheint gar nicht so schlimm zu sein, immerhin schwadroniert ja auch die USA bereits wieder über den Einsatz in Korea. Aber das sind natürlich die Guten, welche die moralisch einwandfreien Bomben werfen, darum befürchte ich werden sie auch diesmal wieder die ersten sein. Amerika ist nicht nur gut, sein Präsident senil und wer weiß wem hörig, der Einfluss seiner Rüstungsindustrie ist enorm und gefährlich und seine moralische Instanz als “Weltpolizei” eine Mär die abertausende Menschenleben gefordert hat und Krisenregionen am köcheln hält. Und mit diesen US of A sollen wir herumballern, weil moralisch quasi verpflichtet, böser Angriffskrieg und so, treiben es dadurch immer weiter auf die Spitze. Was soll das, wer glaubt da noch an ein hehres Ziel ? Der Transatlantikpakt gehört zerschlagen, nicht erweitert, dann bildet sich auch kein neues Ostkonstrukt. Und Deutschland muss endlich einmal seine Besatzer loswerden, sonst kann Europa niemals frei sein.
“Niemand kann, soll, muss das nicht wollen” zu diesem Beitrag erübrigt sich jeglicher Kommentar. Danke Herr Öller.
Man bekommt Angst, wenn man das sachlich liest und ist noch fassungsloser darüber, wie wenig für unseren aller WELTFRIEDEN getan wird😞 auch unsere Politiker sind Teil Schuld haftbar zu machen und sehr wohl die AMERIKA und NATO hörige EU mit ihren Politikern, die nur sanktionieren und keine !!!! wirkliche FRIEDENSVERHANDLUNGEN anstreben und eben den russischen Präsidenten in diese Ecke vorantreiben, Ich verstehe einfach den Sinn des Ukraine Krieges nicht, es steckt sicherlich ein ganz anderer Plan dahinter, die Welt wird vielleicht das Opfer sein😞
Die Menschheit/Elite braucht den Krieg/eine Pandemie…danach der grosse Neuanfang mit wirtschaftlichem Boom und vlt. erholt sich sogar der EUR…bis zur naechsten Katastrophe…
da haben Sie absolut recht, Herr Öller! Wir alle sollten das nicht wollen – weder ein Putin in Bedrängnis, noch der “Westen”. Deshalb sollten auch wir nicht von einer “vernichtenden Niederlage” oder “Bestrafung” Russlands fabulieren, denn wie “Vernichtung” aussehen kann, haben Sie in Ihrem Artikel treffend dargestellt. Es muss endlich eine Ukraine-Lösung verhandelt werden, die die geostrategischen Interessen Russlands ebenso berücksichtigt wie die der westlichen Einflusssphäre.
Richtig ! Es ist ja das Manko, von 2022, dass wir keinerlei Moral kennen, nur Macht, Hass und Ausgrenzung ! Wir haben 3G “Gezeichnete” vom Staatspräsident bis hinunter zum Bügermeister, alles “Vollstrecker” der “HEILS” Die sind korrupt und einfältig bis zum Abnicken ! Wieso haben wir Schulen, Universitäten, Wissenschaft und Religion ? UM IMPF-PIMPFE zu erzeugen ! Die Kultur des Westens ist ruiniert durch die gewählten VERSAGER ! Wir müssen die zur Rechenschaft ziehen, und die Großkonzerne, zur Steuer heranziehen, statt arme Bürger ! Her mit der Kulturrevolution ! ;-(
Von allen Kommentaren ist Ihrer der dämlichste! Können Sie sich erinnern an die chinesische Kulturrevolution? Wenn nicht, dann lesen Sie nach! Vielleicht hilft Ihnen das – überzeugt bin ich nicht.
@schani : hmmm, kann es etwa daran liegen, dass Sie in Ihrer grenzenlosen Einfalt dem Beitrag @Karl-Heinz Mayer nicht folgen können ! Was er meint ist richtig, nur im übertragenen Sinne : diese Kultur des Konsumierens, der Porno,Modeindustrie, der Verschwulung/Verlesbung der Gesellschaft, der Vernaderung, soll mittels Revolution sich ändern !!
Oder was glaubt der kleine @schani, was passiert, wenn die Bevölkerung aus mehr als 35-40% gläubigen Muslimen besteht !???
Über Mao’s Kulturrevolution ,der Große Sprung nach vorne, können wir gerne hier diskutieren !! 🙁