Zahlreiche Kommunen in Deutschland stöhnen unter Überlastung. Das deutsche Asylsystem habe seine Belastungsgrenze erreicht, klagen sie. Eine andere Sicht der Dinge vertritt Annette Kurschus, die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie sieht die Grenze der Aufnahmekapazitäten für Geflüchtete in Deutschland „noch lange nicht erreicht“. Überdies dürfe es keine Obergrenze geben.

Noch mehr Zugangswege nach Europa

Kurschus fordert überdies „deutlich mehr legale Zugangswege nach Europa“. Die immer öfter geforderte Festlegung auf eine bestimmte Obergrenze sei eine „populistische Nebelkerze“. Diese sgehe in Widerspruch zum Grundgesetz und zur Genfer Flüchtlingskonvention, sagte die oberste Repräsentantin der deutschen Protestanten im Interview mit der FAZ.

Die Aussagen von Kurschus fallen in eine Zeit, in der immer mehr Politiker eine Abkehr von der bisherigen Flüchtlingspolitik fordern. So ist man etwa auch in der CDU mittlerweile der Ansicht, dass es so nicht weitergehen kann. Das Asylrecht werde „hunderttausendfach missbraucht“, erklärte jüngst CDU-Chef Friedrich Merz. Präsidiumsmitglied Jens Spahn hatte zuvor festgehalten: „Deutschland braucht eine Pause von dieser völlig ungesteuerten Asyl-Migration. Wir können die Zahlen nicht nennenswert über Abschiebungen reduzieren. Daher braucht es ein klares Signal an der EU-Außengrenze: Auf diesem Weg geht es für niemanden weiter.“

Aus christlicher Sicht gebe es keine Höchstzahl

Annette Kurschus hält dem entgegen: „Menschliche Schicksale lassen sich aus christlicher Sicht nicht auf eine Höchstzahl festschreiben“. Die Aufnahme von Geflüchteten finde aus christlicher Perspektive „ihre Grenze da, wo es zur Selbstaufgabe kommt“. Aber: „Ich meine, dass wir diese Grenze noch lange nicht erreicht haben.“

Auf die Klagen von Kommunen über Überlastung müsse gehört werden, erklärte die EKD-Ratsvorsitzende. Allerdings sei diese Klage von den kirchlichen Ehrenamtlichen nicht zu hören. Kurschus betonte die Fähigkeit Deutschlands, als reiches Land, mehr Menschen aufzunehmen, die vor Krieg und unterschiedlichster Not fliehen und bei uns Zuflucht suchen. Sie widersprach der These, dass jeder zusätzliche Geflüchtete den Rechtsextremisten weiteren Auftrieb gebe, und bezeichnete diese Ansicht als „zu kurz gesprungen“.

Vatikan fordert Aufnahme von 20 Millionen „Klimaflüchtlingen“ im Jahr

Eine ähnliche Sicht der Dinge herrscht zurzeit offenbar im Vatikan vor. Die 27 EU-Mitglieder sollen jedes Jahr Platz für 20 Millionen neue „Klimaflüchtlinge“ schaffen, forderten kürzlich Caritas Internationalis und der Heilige Stuhl – der eXXpress berichtete. Der Vatikan kritisierte, dass mehr Geld für den Grenzschutz, als für Aufnahmemaßnahmen ausgegeben wird.