
Christian Ortner: Arbeitslos durch Lohnerhöhung?
In Deutschland wird der gesetzliche Mindestlohn massiv angehoben. Das klingt sehr menschenfreundlich und sozial, meint eXXpress-Kolumnist Christian Ortner, kann aber ganz unerwünschte Nebenwirkungen haben und deshalb ist kein Vorbild für Österreich.
Gehaltserhöhungen von 20% und mehr auf einen Schlag werden sich zwar ziemlich viele Arbeitnehmer wünschen, schon gar angesichts der momentan dahingaloppierenden Inflation, aber im wirklichen Leben gibt es so etwas normalerweise eher nicht.
Es sei denn, man arbeitet in Deutschland und verdient nicht gut. Die neue deutsche Regierung unter Kanzler Olaf Scholz hat nämlich angekündigt, schon bald den Mindestlohn von derzeit 9,60 Euro auf 12 Euro anzuheben, also um eben jene saftigen 20%. Nun wird jeder halbwegs empathische Mensch das für eine gute Maßnahme halten, 12 Euro pro Stunde entsprechen bei einer 38-Stunden-Woche einem Monatsgehalt von etwa 1.820 Euro brutto, davon kommen noch Lohnsteuer und Sozialabgaben weg. Das gibt also für die 10 Millionen Betroffenen ein Netto, mit dem man nicht wirklich große Sprünge machen kann; also wird diese Erhöhung des Mindestlohns als eine feine Sache gesehen und als sozial gerechtfertigt. Applaus.
Was am Beipackzettel steht
Doch wie so oft in der Welt der Ökonomie ist die Sache nicht so einfach, wie sei zu sein scheint. Denn Mindestlöhne, und da vor allem relativ hohe Mindestlöhne, sind zwar für die Betroffenen kurzfristig erbaulich, haben aber unter Umständen unerquickliche Nebenwirkungen in Form von höherer Arbeitslosigkeit.
Je teurer Arbeit ist, um so attraktiver ist es nämlich für die Arbeitgeber, in die Rationalisierung von Arbeitsabläufen zu investieren und menschliche Arbeitskraft durch Maschinen oder gar Roboter zu ersetzen. Und wo das aus irgendwelchen Gründen nicht möglich ist, werden Jobs, die zu teuer werden, auch manchmal einfach gestrichen, wenn das möglich ist – der Kunde erledigt die Arbeit dann im Bankfoyer oder beim Check-In am Flughafen selber. Das heißt: Mindestlöhne haben die unangenehme Eigenschaft, entweder kaum zu wirken – dann, wenn sie zu niedrig sind – oder Menschen arbeitslos zu machen, nämlich dann, wenn sie zu hoch sind. Was „zu hoch“ ist, erkennt man leider immer erst nach ein paar Jahren – und dann kann es schon zu spät sein.
Mehr Geld, weniger Jobs
Dazu kommt: wo Mindestlöhne für höherer Arbeitslosigkeit sorgen, trifft es die sozial Schwachen besonders. Denn zum gesetzlichen Mindestlohn arbeiten natürlich vor allem Menschen, die keine oder keine gute Berufsausbildung haben; in vielen Fällen Migranten oder andere, die sich an sich schon schwer tun am Arbeitsplatz.
Auf Grund ihrer geringeren Produktivität im Vergleich zu Menschen mit einer guten Berufsausbildung werden diese Arbeitskräfte nur zu eher niedrigen Löhnen einen Job finden; erzwingt der Gesetzgeber übermäßig hohe Mindestlöhne, werden diese Leute aus dem Arbeitsmarkt fallen. Und damit ist niemandem geholfen, weder den Betroffenen noch dem Sozialstaat, der dann entsprechend meist mehr Arbeitslosgeld zahlen muss.
Zum Handkuss kommen schließlich auch die Konsumenten, denn selbst wenn in Folge höherer Mindestlöhne keine Jobs verloren gehen, steigen jedenfalls die Kosten der Unternehmen an, was die natürlich auf die Preise umwälzen. Was die Inflation, die jetzt eh schon viel zu hoch ist, noch weiter antreibt -und letztlich wieder zu Lasten der kleinen Leute geht, die unter dieser Inflation besonders zu leiden haben.
Es ist paradox, aber Faktum: auch in der Ökonomie gilt, dass was gut gemeint ist, nicht zwingend gut gemacht sein muss.
Kommentare
Erhöhung der Mindestlöhne ist vor allem für musl. Migranten interessant,
die bekanntlich kaum über eine brauchbare Berufsausbildung verfügen und so als Hilfsarbeiter im Niedriglohnsektor landen, sofern sie überhaupt zum Arbeiten zu uns gekommen sind, was eher die Ausnahme sein dürfte
Für Produkte, die im Inland hergestellt werden können, sollte das Auslagern in Billiglohnländer untersagt werden.
Wie soll man jemandem verbieten was er im Ausland tut? Aber es gibt ein einfaches sehr wirkungsvolles Instrument für dieses Problem, um die heimische Wirtschaft zu schützen. Nämlich den Zoll.
Nebeneffekt: Dann steigt auch die Armut. Da das Medianeinkommen steigt, steigt auch die 60% Armutsgrenze. Damit fallen alle unter die Armutsgrenze, die diese Erhöhung nicht bekommen. Also müssen die Steuern erhöht werden, um die höheren Mindestsicherungen auch bezahlen zu können. Dazu kommt dann noch ein entsprechend erhöhtes Preisniveau wie im Artikel erwähnt.
Höchste Zeit, dass die vom Steuerzahler finanzierte Subvention der Proletarier, als Mindestsicherung bezeichnet, auch etwas zurueckgefahren wird. Dann wird auch der Anreiz, nach Oesterreich zum kommen, etwas geringer werden.
Ein höchst interessanter Artikel, sowohl von Herrn Ortner als auch durch die Beiträge der Poster, die die Problemzonen ausleuchten. So “einfach” kann gute Presse sein, so “schwierig” ist die ökonomische Realität.
Mindestlohn und Mietbremse arbeiten gegen alle ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und können nicht funktionieren.
Am Besten ist es, wenn jeder Politiker – auch wenn man vom Völkerrecht kommt – ein Lehrbuch der Mikroökonomik hernimmt und die Kapitel Nachfragekurve und Angebotskurve liest und versteht. Dann wird schnell alles gut und der Mindestlohnspuk ist schnell vorbei.
Dank an Herrn Ortner dieses Thema immer wieder zu bringen, denn gegen diese Form “Empathie” ( i.e. gut gemeinte Unvernunft ) hilft nur Logik.
Sie scheinen über den Einführungskurs in Mikroökonomie auch nicht viel hinausgekommen zu sein.
@norden
Was soll diese Polemik. Nur sinn- und geistliches Niedermachen.
Seien Sie nicht zu streng mit Norden. Er versteht schon einfachste Prozentrechnung nicht…
Könnte auch länger ausführen, aber zum einen verstünden es die wenigsten hier, also vergebene Lebensmüh, zum anderen ist mir die Zeit zu knapp – und die BWLer und Juristen etc. haben den Wink mit dem Zaunpfahl ohnedies verstanden, auch wenn vielleicht nicht Sarah oder Karl.
Einen Aspekt sollte man der zweifellos richtigen Beleuchtung der Themen “Arbeitsplatzverlust durch Rationalisierung, wo möglich” und “höhere Preise für Kunden, dort wo der Mindestlohn in Kauf genommen werden muss” hinzufügen: Asien.
Dorthin werden mit einem hohen Mindestlohn alle nicht ortsgebundenen Jobs verschoben, für die man 12 EUR bezahlen muss, die 12 EUR aber nicht erwirtschaften. Sprich ein Großteil der Jobs, in denen man wenig gebildete Zureisende eventuell beschäftigen hätte können.
In Summe: ein weiteres sozialistisches Luftschloss. Zum Schaden für alle.
Wir in Österreich sind auch für die Deutschen attraktiv. Die Größt Ausländer Gemeinde, auch für die mindest Rentner aus dem Osten. Die Möglichkeiten für Unterstützung sind
besser. Ein höherer Lohn in Deutschland ist für uns von Vorteil. Für den Export
und weniger Deutsche Arbeitslose. Zum
Beispiel ist die Arbeitslosigkeit in Wien doppelt so hoch wie in anderen Bundesländern. Das Verhältnis von Einheimischen und Ausländern unter den Arbeitslosen ist 3 zu 5,das heißt auf drei
Arbeitslose Wiener kommen fünf Ausländer. Ach ja SPÖ und Neos wollen
das alle Ausländer in Zukunft wählen können. Ob dadurch etwas für uns Österreicher etwas besser glaube ich nicht.
Sozialismus hat noch nie funktioniert. Ebensowenig wie die Idee der “Gerechtigkeit”, die häufig damit in Zusammenhang gebracht wird.
Anstatt den Menschen taugliche Mittel an die Hand zu geben sich zu qualifizieren, werden viele schon als Kinder von Gerechtigkeitsphantastereien in die Irre geführt. Aber so funktioniert die Welt eben nicht. Weder die Natur noch die Wirtschaft sind “gerecht” oder “sozial” – im Gegenteil! Wer sich und seiner Familie nicht mit tauglichen Mitteln ein gutes Einkommen und vor allem Eigentum erobert, bleibt auf ewig unfreier Spielball von Politströmungen und Leibeigener seiner Arbeitgeber. Das lässt sich aber nicht für die Masse verordnen sondern nur individuell erreichen.
Da sollte man schon eines dazusagen. In Deutschland wird seit Jahrzehnten die Wirtschaft durch ein für diese starke Volkswirtschaft völlig unnatürlich niedriges Lohnniveau gestützt. Erschreckend, wenn man sich in Deutschland ansieht, wie wenig man in manchen Berufen verdient. Dies spürt man in erster Linie dort, wo man in der Nähe des sozialen Existenzminimums lebt. Dass diese Erhöhung im Mindestlohnbereich kommt, unterstütze ich als gut und richtig. Denn eines gilt in Deutschland wie in Österreich. Wir müssen weg davon, dass man im Rahmen eine Vollzeitjobs nicht einmal seine Lebenserhaltungskosten bestreiten kann. Das ist widersinnig, und in erster Linie den saturierten, unfähigen Gewerkschafter zu verdanken. In Österreich gab es über Jahrzehnte nur Abschlüsse für den Sozial-und Finanzminister, deren Kassen übervoll wurden. Christian Ortner soll sich nur einmal ansehen, wie viel seine jungen Kollegen/innen verdienen, die für lokale Print-Medien oder auch für ORF/Puls4 arbeiten, und dort täglich schwere Arbeit leisten. Oder besser, er soll einmal davon berichten, denn er kennt sie nur zu gut. Die Tränen kommen da einem.
Na was jetzt Herr Ortner? Sie beschreiben zwei unterschiedliche Szenarien. Beides gleichzeitig geht nicht. Gehen nun Jobs verloren. (Ihr Szenario1) oder ..(ihr Szenario2)…”Zum Handkuss kommen schließlich auch die Konsumenten, denn selbst wenn in Folge höherer Mindestlöhne keine Jobs verloren gehen, steigen jedenfalls die Kosten der Unternehmen an, was die natürlich auf die Preise umwälzen.” …Zitat Ende… Ich würde prognostizieren, dass nur wenige prekäre Jobs verloren gehen, dass sich aber durch die verstärkte Kaufkraft im Niedriglohnsektor, die natürlich unmittelbar der Wirtschaft zugute kommt, sich das im Arbeitsmarkt rasch wieder kompensiert. Die Preise werden dorr steigen wo höhere Preise durchsetzbar sind.
@Knatterton: “Die Preise werden dort steigen wo höhere Preise durchsetzbar sind.” Das stimmt, und zwar nur dort. Wo das nicht der Fall ist, werden die Arbeitsplätze gestrichen oder ausgelagert in Billiglohnländer. Das sind ökonomische Gesetze, die keine Regierung aushebeln kann. Man kann auch nicht die Schwerkraft per Verordnung verbieten.
Knatterton:
Sie müssen jetzt ganz stark sein, beides ist leider möglich.
Es tut mir wirklich leid wenn ich jetzt ihr Weltbild erschüttert habe.
@Erpi Mit dem chinesischen Arbeitsbedingungen und Lohnniveau konkurrieren zu wollen würde zum Desaster führen. Bei den prekären Jobs geht es meist um den Dienstleistungssektor und den kann man nicht einfach auslagern.
@Johannes. Genau lesen würde helfen. Diese Formulierung von Hrn. Ortner schließt beides gleichzeitig aus: ….”denn selbst wenn in Folge höherer Mindestlöhne keine Jobs verloren gehen, “…
@ Knatterton: Meine Antwort war ein selbständiger Gedanke, der Ihrer Behauptung “beides gleichzeitig geht nicht” gewidmet war.