
Christian Ortner: Sideletter statt Bundesadler!
Die allgemeine Empörung über geheime politische Nebenabsprachen ist irgenwie albern, meint exxpress-Kolumnist Christian Ortner – denn wer das nicht will, muss für radikale Privatisierungen sein. Das aber will praktisch niemand.
Vielleicht wäre es eine nette kleine Idee, im österreichischen Bundeswappen in Hinkunft den berühmten Adler (mit Hammer und Sichel in den Klauen ) durch einen sogenannten „Sideletter“ zu ersetzen.
Denn diese, in der letzten Wochen heftig diskutierte Form einer geheimen, schriftlichen Nebenabsprache zwischen zwei Regierungsparteien über die Aufteilung von Jobs und Pfründen zwischen den Koalitionären versinnbildlicht den österreichischen Nationalcharakter viel besser als der Adler. (Der passt viel besser zu den Deutschen, aber die haben ja eh auch schon einen im Wappen.)
Doch, so sind wir eben
Der „Sideletter“ als nationales Symbol passt hingegen nahezu perfekt zu uns, als Papier gewordenes Synonym für Mauschelei, Schatten-Deals und vor allem eine chronische Neigung zur informellen Aufteilung von Macht, Einfluß und dem Geld anderer Leute (vulgo Steuereinnahmen). Und er passt geradezu symbiotisch zum inoffiziellen Motto der Republik: „Mir wean kan Richter brauchen, mia wean an Trichter rauchen“. Last not least: was könnte die urösterreichische, schon von Karl Kraus in den „Letzten Tagen der Menschheit“ so genial beschriebenen Methode des Erreichens von beruflichen oder anderen Zielen durch informelle Beziehungen, Zugehörigkeit zu Seilschaften oder alle möglichen Interventionen, anstatt durch Leistung, Bestehen von Prüfungen, gar nach objektivierbaren Kriterien und ähnlichem Pipifax besser versinnbildlichen als der Sideletter? „Er war im Ministerium, er hat es sich gerichtet,“ heisst das so wunderbar poetisch in den „Letzten Tagen“. So sind wir.
Wenn der Fuchs den Gänsestall hütet
Ganz dieser Mentalität entsprechend endete die Diskussion rund um die schwar-blauenb und die türkis-grünen „Sideletters“ auch punktgenau dort, wo sie begonnen hätte, relevant zu werden. Nämlich bei der Frage, was zu geschehen habe, um dergleichen informelle Geheimabsprachen und vor allem ihre Folgen für die Qualtät von Personalbesetzungen künftig zu verhindern, wenn man das denn für wünschenswert erachet (was es ist).
Die einzige richtige Antwort auf diese Frage hat meines Wissens nach kein einziger österreichischer Politiker in den vergangen Tagen gegeben.
Dabei ist sie watscheinfach: Wenn man Unternehmen (und Institutionen wie den ORF) aus dem Einflußbereich des Staates vom Zugriff der Parteisekretariate befreien will, muß man sie entstaatlichen. Und das heißt: vom Staatseigentum in Privateigentum überführen, also zu „Privatisieren“.
Alles andere ist Larifari. Die Vorstellung, dass der Staat, der ja diesbezüglich von den Vertretern politischer Parteien personifiziert wird, als Eigentümer darauf verzichtet, auf seine Eigentümerrechte zu verzichten, ist so weltfremd, dass es nahezu absurd ist. Genausogut könnte man vom Fuchs erwarten, den Gänsestall zu hüten. Ist nicht.
Die Schwäche der neuen ÖVP
Das ist an sich relativ trivial, aber leider mit dem kleine Problem behaftet, dass es indies em Land keine einzige Partei – mit der sehr teilweisen Ausnahme der kleinen Neos – gibt, der diese Privatisierung ein Anliegen wäre. Auch die ÖVP, und das ist ihr durchaus vorzuwerfen, läßt in dieser Frage mittlerweile völlig aus.
Dafür gibt es zwei Gründe. Keine potentielle Regierungspartei möchte darauf verzichten, ihre Macht durch ein großes Portfolio von zu vergebenden Jobs zu stärken und zu festigen, die Grünen zeigen das gerade wunderbar vor; und beim Wähler ist „Privatisierung“ ungefähr so beliebt wie eine Wurzelbehandlung ohne lokale Narkose. Will, abgesehen von ein paar neoliberalen Spinnern, genau niemand.
Zusammen erzwingen diese beiden Faktoren, dass der übergroße Anteil des Staates an Unternehmen und Institutionen hierzulande Ewigkeitscharakter hat, der allenfalls durch eine Staatspleite geknackt werden könnte.
Weshalb die Verbreitete Empörung über das Phänomen „Sideletter“ auch etwas höchst verlogenes an sich hat. Denn wer keine Privatisierungen – etwa der ganzen Staatsbetriebe – will, darf sich nicht beschweren, wenn weiter gemauschelt und gepackelt wird. So einfach ist das. Und deshalb wäre es nur konsequent, den „Sideletter“ zum neuen Staats-Symbol zu machen.
Kommentare
Privatisieren leitet sich vom lateinischen ‘privare’ (berauben) ab. Indem der ORF Staatseigentum ist, hat (eigentlich) das Volk die Entscheidungsgewalt. Privatisierst man dieses Unternehmen geht die Entscheidungsgewalt auf einen Einzelnen über – sprich das Volk wird seines Eigentums beraubt.
Die Amerikaner haben in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Beispiele geliefert warum die Privatisierung verschiedenster Institutionen erschreckende Nachteile für die Masse und einen Vorteil für nur einige Wenige darstellt.
Eine Lösung in Richtung Demokratie: Entmachtung der Parteien. Entscheidungsgewalt mehr und mehr in Richtung Volk abtreten. Sideletter wären automatisch irrelevant. Postenbesetzungen würden nach wie vor nicht nach Fähigkeit entschieden werden, aber man könnte sich trotzdem nicht darüber aufregen… Ein Vorschlag, der auch mich zwar zum selben Fuchs mit Hühnerstall führt und ich glaube im Stall steht auch ein Einhorn, aber man wird von Demokratie ja noch träumen dürfen.
“beim Wähler ist „Privatisierung“ ungefähr so beliebt wie eine Wurzelbehandlung ohne lokale Narkose” die Privatisierung des ORF ist enem großen Teil der Bevolkerung ein Anliegen!! Da irrt Herr Ortner
Die Schwäche der neuen ÖVP 6
Landeshauptleute SPÖ 3 Landeshauptleute die Freiheitliche keine
die Grünen keine Neos keine😁🤣🤣!!
Ich habe oft das Gefühl viele wissen da
gar nicht was sie da schreiben???
Auch der sogenannte “Deutsch-Sowjetischer Nichtangriffsvertrag 1939,
der erst den 2. WK möglich machte, hatte reichlich Sideletters …
die Aufteilung Polens unter Hitler und Stalin z.B.
und die Aufteilung der Interessensphären über Nordosteuropa.
Interessant für mich ist, wie ein so intelligenter Mensch wie Ortner einer ist, über eine Sache, die in allen modernen Demokratien in Europa part of the game ist, einen ganzen Empörungs-Artikel schreiben kann.🤔
Interessant für mich ist, wie ein so intelligenter Mensch wie Ortner einer ist, über eine Sache, die in allen modernen Demokratien in Europa part of the game ist, einen ganzen Empörubgs-Artikel schreiben kann.🤔
Wer Privatisierung fordert muss sich meiner Meinung nach zu ein paar Dingen konkret äußern.
Wie steht man zu feindlichen Übernahmen?
Wie schützt man sich, nach dem Verkauf, vor dem Absaugen von Technologie mit anschließender Schließung der Produktionsstätten in Österreich?
Was passiert wenn sich beispielsweise russische Oligarchen, die politisch gar nicht unabhängig von ihrer heimischen Politikführung sind, in österreichische Schlüsselindustrien einkaufen?
Wird es dann nicht zu ständigen Erpressungsversuchen kommen, sodaß die selben Mauscheleien entstehen, nur unter umgekehrten Spielregeln. Könnte es dann nicht passieren das die Wirtschaftsoligarchen aus dem Ausland die Personalbesetzung in der Politik mitbestimmen?
Ich habe es nicht als große Freiheit und wirtschaftliches Erblühen empfunden als die SPÖ den robusten, wirtschaftlich- und technologisch Top aufgestellten Semperit-Konzern verscherbelten und auf einmal war er weg und zwar wirklich weg aus Österreich, mit allen seinen Arbeitsplätzen.
Auch die MAN Manager haben mich nicht gerade von Privatisierung auf Teufel komm raus überzeugt.
Es ist ein wenig naiv, nach meiner Meinung, an Privatisierung ohne wenn und aber zu glauben und nicht zu beachten das mit China ein Kandidat nur darauf wartet durch Käufe erst recht wieder auch seine eigene Politik zu einen übermächtigen Player im jeweiligen Land zu machen, der sich einmischt und gegen dessen Macht dann jedes österreichische Interesse keine Chance mehr hat.
Wenn Privatisierung zum Ausverkauf wird ist langfristig mehr verloren als gewonnen, nach meiner Meinung.
@ Johannes
Sie haben mit Ihrer Sicht vollkommen recht. Wie wäre es mit dem System Schweiz
Wie lautet dieses System? Danke im voraus.
“Weshalb die Verbreitete Empörung über das Phänomen „Sideletter“ auch etwas höchst verlogenes an sich hat. Denn wer keine Privatisierungen – etwa der ganzen Staatsbetriebe – will, darf sich nicht beschweren, wenn weiter gemauschelt und gepackelt wird.” – Genauso ist es! Vielen Dank für Ihren ausgezeichneten Kommentar, Herr Ortner!
Heraldik sollte man schon kennen. Zudem war nicht die Existenz, sondern deren Leugnung durch Kogler für jene, die glaubten, wie der Anstand gewählt zu haben, empörend. Niemand steht gerne als Depp der Runde da. Erkenntnis schmerzt halt manchmal – besonderes jene, die sich so gerne über Rechte alterierten.
Pivatiesiern was? Soll man Privatisieren
die Politik? Und warum?? Das sind eigentlich alles Beamte! Wass ist da privat! Und die Absprachen die Parteien
schriftlich festlegen, dienen dazu bei Problemen, der Kollegen zu zeigen was
vereinbart wurde!! Das Experten in bestimmten Bereichen gebraucht werden
ist üblich, das die genommen werden
die der eigenen Partei nahe stehen und denen man Vertraut ist wohl klar!!
Was soll das mit Privat bei der nächsten
Wahl die nächsten Privaten da der Vorstand neu ist!!! 🤔😉😁😁
Der Heiligenschein wird zum Scheinheiligenschein!
Wann erwacht die ÖVP aus ihrer Schockstarre, befreit sich aus den Fängen des Bundespräsidenten, der zur De-Eskalierung aufruft und übernimmt wieder ihre Führungsrolle.
Derzeit lässt sie sich am Nasenring von den Grünen durch die Manege ziehen. Die Justizministerin muss, wenn ihre Plagiatsvorwürfe bestätigt sind zurücktreten. Wie lange braucht die Kommission noch um diese zu überprüfen! Außerdem sind die veröffentlichten Chats laut EU Recht rechtswidrig wieder hergestellt worden. Österreich wird derzeit von Journalisten regiert!
Alle side letters der vergangenen Regierungen müssen auf den Tisch und es wird sich zeigen, dass das ein üblicher Vorgang bei der Bildung von Koalitionen ist.
Der Auftritt von Nehammer im U-Ausschuss wird entscheidend für die ÖVP sein – Angriff ist die beste Verteidigung!
Die ÖVP braucht einen eigenen Kandidaten besser noch eine Kandidatin für die BPR Wahl!!
Sie haben neben den Journalisten auf Juristen (VfGH, OGH, WKStA) vergessen. Und Pilz.
@speedy, ach was:
Ich stimme ihren Meinungen vollkommen zu.
Die Schwäche der neuen ÖVP 6
Landes Regierungen SPÖ 3
Freiheitlichen nix, Grüne nix,
Neos nix!! Keine Ahnung wer da schreibt und wozu??