Für alle Freunde gehobener sinnlicher Fleischeslust war der Laden der Firma Giessinger am Anfang der Währinger Straße in Wien bis vor kurzem ein paradiesischer Ort, an dem saftige Steaks, würzige Würste und hervorragende Hühner feilgeboten wurden. So geht Fleischhauer, und das ist in Wien leider eh schon zu einer Seltenheit geworden.

Doch damit hat es sich leider jetzt vorerst. Anstatt köstlicher Stücke vom Kobe-Rind erblickten die darob verstörten Stammkunden des Hauses in der Auslage einen trockenen Aushang, der über die Schließung des Geschäftes informierte. Begründung: „In diesen herausfordernden Zeiten war es uns trotz intensiver Bemühungen nicht möglich, qualifiziertes Verkaufspersonal zu aquirieren“.

Erinnerungen an den Ostblock

Eine unerfreuliche Erfahrung, die nicht nur der Fleischer Giessinger machen musste, sondern die mittlerweile viele personalintensive Branchen und Betriebe erfasst hat und die unser aller Alltagsleben erschwert: eine akuten Mangel an ausreichend Arbeitskräften. Airlines müssen deshalb zahllose Flüge streichen, was zu äußerst unschönen Szenen an den Flughäfen führt, im Gasthaus oder Restaurant muss der Gast gelegentlich eine halbe Ewigkeit auf sein Schnitzel warten, andere Gastronomen geben gleich überhaupt auf. Wartezeiten auf alles und jedes werden zum neuen Normal, als wären wir durch ein schwarzes Loch gefallen und in der DDR des Jahres 1985 gelandet, wo auch Mangel der Normalzustand war.

Warum nicht 42 Stunden?

Manche Betriebe, in denen das technisch möglich ist, versuchen diese Probleme durch Überstunden für die Mitarbeiter zu lindern. Das dürfte den Präsidenten des „Bundes der deutschen Industrie“, Siegfried Russwurm, auf eine Idee gebracht haben, die ich auch für Österreich überlegenswert hielte: die Normarbeitszeit auf 42 Stunden pro Woche anzuheben, um den Mangel an Personal wenigstens ein bisschen ausgleichen zu können. Üblich sind in Deutschland, ähnlich wie hierzulande, rund 38 Stunden Arbeit pro Woche, der Vorschlag bedeutete also immerhin rund 10% mehr Arbeitsstunden in der Woche. Das ist nicht nichts.

Natürlich wirkt die Idee des deutschen Industrie-Lobbyisten Russwurm etwas aus der Zeit gefallen, denn seit einiger Zeit wollen immer mehr Arbeitnehmer immer weniger arbeiten; nicht wenige vor allem junge Arbeitnehmer scheinen schon einen Halbtagsjob als ausbeuterische neoliberale Zumutung zu verstehen. Leute zu finden, die bereit sind 38 oder gar 40 Stunden die Woche zu arbeiten, wird deshalb für immer mehr Unternehmen immer schwerer. (Der Exxpress berichtete: https://exxpress.at/work-life-balance-junge-leute-wollen-nur-noch-vier-tage-pro-woche-arbeiten/

Wir müssen uns mehr anstrengen

Die Normalarbeitszeit auf 42 Stunden zu verlängern, würde da nicht nur entsprechend mehr erbrachte Arbeitsstunden und damit verbunden weniger Personalnot bedeuten, sondern auch ein psychologisch wichtiges Signal ausstrahlen – dass wir nämlich die enormen vor uns liegenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht mit weniger Arbeit werden bewältigen können, sondern nur mit mehr Arbeit, also einer kollektiven Kraftanstrengung.

Die sich natürlich, auch das ist Teil des deutschen Vorschlages und Bedingung, das zu befürworten, finanziell entsprechend lohnen muss für die Arbeitnehmer, die für die zusätzliche Arbeitszeit entsprechend entlohnt werden müssen.

Das stärkt, was gerade in Zeiten hoher Inflation wichtig ist, deren Einkommen und damit die gesamtwirtschaftliche Kaufkraft, was ebenfalls sehr wünschenswert ist.

Die Schweizer arbeiten mehr als wir

Dass linksgedrehte Ökonomen nicht nur in Deutschland die Wiederkehr von Sklaverei und Leibeigentum fürchten, sollte die Arbeitszeit verlängert werden, überrascht wenig. Nachdem das die gleichen Ökonomen sind, die uns noch vor einem Jahr erklärt haben, es könne keine Inflation mehr geben, sollte man einfach nicht mehr auf diese Leute hören, sie liegen ja meist eh schief mit ihren Theorien.

Stattdessen empfiehlt sich ein Blick in die Schweiz. Dort beträgt die maximal mögliche Arbeitszeit zwischen 45 Stunden in der Industrie und 50 Stunden im Büro oder im Gesundheitswesen, was zu vergleichsweise deutlich längerer Wochenarbeit im Vergleich zu Österreich oder Deutschland führt.

Trotzdem ist nichts darüber bekannt, dass die Werktätigen in der Eidgenossenschaft am Freitagabend übermüdet an der Werkbank kollabieren oder im Büro von Ermattung übermannt einschlafen. Stattdessen freuen sie sich über Gehälter, die nicht zuletzt auf Grund der längeren Arbeitszeiten doppelt so hoch ausfallen können wie hierzulande.

Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, mal eine Volksbefragung abzuhalten, ob die Menschen in Österreich das nicht auch für erstrebenswert halten.